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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

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In diese Familie konnte niemand weni¬
ger passen, als Joseph, der immer in schö¬
ner Einbildung und himmlischen Träumen
lebte. Seine Seele glich einem zarten Bäum¬
chen, dessen Samenkorn ein Vogel in das
Gemäuer öder Ruinen fallen ließ, wo es
zwischen harten Steinen jungfräulich hervor¬
schießet. Er war stets einsam und still für
sich, und weidete sich nur an seinen inneren
Phantaseyen; drum hielt der Vater auch ihn
ein wenig verkehrt und blödes Geistes. Sei¬
nen Vater und seine Geschwister liebte er
aufrichtig; aber sein Inneres schätzte er über
alles, und hielt es vor andern heimlich und
verborgen. So hält man ein Schatzkästlein
verborgen, zu welchem man den Schlüssel
niemanden in die Hände giebt.

Seine Hauptfreude war von seinen früh¬
sten Jahren an, die Musik gewesen. Er
hörte zuweilen jemanden auf dem Claviere

In dieſe Familie konnte niemand weni¬
ger paſſen, als Joſeph, der immer in ſchö¬
ner Einbildung und himmliſchen Träumen
lebte. Seine Seele glich einem zarten Bäum¬
chen, deſſen Samenkorn ein Vogel in das
Gemäuer öder Ruinen fallen ließ, wo es
zwiſchen harten Steinen jungfräulich hervor¬
ſchießet. Er war ſtets einſam und ſtill für
ſich, und weidete ſich nur an ſeinen inneren
Phantaſeyen; drum hielt der Vater auch ihn
ein wenig verkehrt und blödes Geiſtes. Sei¬
nen Vater und ſeine Geſchwiſter liebte er
aufrichtig; aber ſein Inneres ſchätzte er über
alles, und hielt es vor andern heimlich und
verborgen. So hält man ein Schatzkäſtlein
verborgen, zu welchem man den Schlüſſel
niemanden in die Hände giebt.

Seine Hauptfreude war von ſeinen früh¬
ſten Jahren an, die Muſik geweſen. Er
hörte zuweilen jemanden auf dem Claviere

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[233/0241] In dieſe Familie konnte niemand weni¬ ger paſſen, als Joſeph, der immer in ſchö¬ ner Einbildung und himmliſchen Träumen lebte. Seine Seele glich einem zarten Bäum¬ chen, deſſen Samenkorn ein Vogel in das Gemäuer öder Ruinen fallen ließ, wo es zwiſchen harten Steinen jungfräulich hervor¬ ſchießet. Er war ſtets einſam und ſtill für ſich, und weidete ſich nur an ſeinen inneren Phantaſeyen; drum hielt der Vater auch ihn ein wenig verkehrt und blödes Geiſtes. Sei¬ nen Vater und ſeine Geſchwiſter liebte er aufrichtig; aber ſein Inneres ſchätzte er über alles, und hielt es vor andern heimlich und verborgen. So hält man ein Schatzkäſtlein verborgen, zu welchem man den Schlüſſel niemanden in die Hände giebt. Seine Hauptfreude war von ſeinen früh¬ ſten Jahren an, die Muſik geweſen. Er hörte zuweilen jemanden auf dem Claviere

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Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/241>, abgerufen am 22.11.2024.