len konnte; -- wenn wir recht mit den Au¬ gen in das Gemählde einwurzeln, so können wir fast die gefärbten Figuren wieder ver¬ treiben, und das leere, einfache Bret darun¬ ter entdecken: -- aber bey diesem Meister, mein Theurer, ist alles so wunderbar einge¬ richtet, daß Du ganz vergissest, daß es Far¬ ben und eine Mahlerkunst giebt, und Dich nur innerlich vor den himmlischen, und doch so herz-menschlichen Gestalten mit der wärm¬ sten Liebe demüthigst, und ihnen Dein Herz und Deine Seele zueignest. -- Glaube nicht, daß ich aus jugendlichem Eifer übertreibe; Du kannst es Dir nicht vorstellen und nicht fassen, wenn Du nicht selber kommst und siehst.
Überhaupt, lieber Sebastian, ist diese Er¬ de durch die Kunst ein gar herrlicher und lieblicher Aufenthalt; ich habe es erst jetzt empfunden, wie ein unsichtbares Wesen in
len konnte; — wenn wir recht mit den Au¬ gen in das Gemählde einwurzeln, ſo können wir faſt die gefärbten Figuren wieder ver¬ treiben, und das leere, einfache Bret darun¬ ter entdecken: — aber bey dieſem Meiſter, mein Theurer, iſt alles ſo wunderbar einge¬ richtet, daß Du ganz vergiſſeſt, daß es Far¬ ben und eine Mahlerkunſt giebt, und Dich nur innerlich vor den himmliſchen, und doch ſo herz-menſchlichen Geſtalten mit der wärm¬ ſten Liebe demüthigſt, und ihnen Dein Herz und Deine Seele zueigneſt. — Glaube nicht, daß ich aus jugendlichem Eifer übertreibe; Du kannſt es Dir nicht vorſtellen und nicht faſſen, wenn Du nicht ſelber kommſt und ſiehſt.
Überhaupt, lieber Sebaſtian, iſt dieſe Er¬ de durch die Kunſt ein gar herrlicher und lieblicher Aufenthalt; ich habe es erſt jetzt empfunden, wie ein unſichtbares Weſen in
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0192"n="184"/>
len konnte; — wenn wir recht mit den Au¬<lb/>
gen in das Gemählde einwurzeln, ſo können<lb/>
wir faſt die gefärbten Figuren wieder ver¬<lb/>
treiben, und das leere, einfache Bret darun¬<lb/>
ter entdecken: — aber bey <hirendition="#g">dieſem</hi> Meiſter,<lb/>
mein Theurer, iſt alles ſo wunderbar einge¬<lb/>
richtet, daß Du ganz vergiſſeſt, daß es Far¬<lb/>
ben und eine Mahlerkunſt giebt, und Dich<lb/>
nur innerlich vor den himmliſchen, und doch<lb/>ſo herz-menſchlichen Geſtalten mit der wärm¬<lb/>ſten Liebe demüthigſt, und ihnen Dein Herz<lb/>
und Deine Seele zueigneſt. — Glaube nicht,<lb/>
daß ich aus jugendlichem Eifer übertreibe;<lb/>
Du kannſt es Dir nicht vorſtellen und nicht<lb/>
faſſen, wenn Du nicht ſelber kommſt und<lb/>ſiehſt.</p><lb/><p>Überhaupt, lieber Sebaſtian, iſt dieſe Er¬<lb/>
de durch die Kunſt ein gar herrlicher und<lb/>
lieblicher Aufenthalt; ich habe es erſt jetzt<lb/>
empfunden, wie ein unſichtbares Weſen in<lb/></p></div></body></text></TEI>
[184/0192]
len konnte; — wenn wir recht mit den Au¬
gen in das Gemählde einwurzeln, ſo können
wir faſt die gefärbten Figuren wieder ver¬
treiben, und das leere, einfache Bret darun¬
ter entdecken: — aber bey dieſem Meiſter,
mein Theurer, iſt alles ſo wunderbar einge¬
richtet, daß Du ganz vergiſſeſt, daß es Far¬
ben und eine Mahlerkunſt giebt, und Dich
nur innerlich vor den himmliſchen, und doch
ſo herz-menſchlichen Geſtalten mit der wärm¬
ſten Liebe demüthigſt, und ihnen Dein Herz
und Deine Seele zueigneſt. — Glaube nicht,
daß ich aus jugendlichem Eifer übertreibe;
Du kannſt es Dir nicht vorſtellen und nicht
faſſen, wenn Du nicht ſelber kommſt und
ſiehſt.
Überhaupt, lieber Sebaſtian, iſt dieſe Er¬
de durch die Kunſt ein gar herrlicher und
lieblicher Aufenthalt; ich habe es erſt jetzt
empfunden, wie ein unſichtbares Weſen in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/192>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.