nur dazu da, daß das Auge ihre Form er¬ kenne; und Lehrsätze und Begebenheiten sind nur so lange ein Gegenstand unsrer Beschäf¬ tigung, als das Auge des Geistes daran ar¬ beitet, sie zu fassen und zu erkennen; sobald sie unser eigen sind, ist die Thätigkeit unsers Geistes zu Ende, und wir weiden uns dann nur, so oft es uns behagt, an einem trägen und unfruchtbaren Überblick unsrer Schätze. -- Nicht also bey den Werken herrlicher Künst¬ ler. Sie sind nicht darum da, daß das Auge sie sehe; sondern darum, daß man mit ent¬ gegenkommendem Herzen in sie hineingehe, und in ihnen lebe und athme. Ein köstliches Gemählde ist nicht ein Paragraph eines Lehr¬ buchs, den ich, wenn ich mit kurzer Mühe die Bedeutung der Worte herausgenommen habe, als eine unnütze Hülse liegen lasse: vielmehr währt bey vortrefflichen Kunstwer¬ ken der Genuß immer, ohne Aufhören, fort.
nur dazu da, daß das Auge ihre Form er¬ kenne; und Lehrſätze und Begebenheiten ſind nur ſo lange ein Gegenſtand unſrer Beſchäf¬ tigung, als das Auge des Geiſtes daran ar¬ beitet, ſie zu faſſen und zu erkennen; ſobald ſie unſer eigen ſind, iſt die Thätigkeit unſers Geiſtes zu Ende, und wir weiden uns dann nur, ſo oft es uns behagt, an einem trägen und unfruchtbaren Überblick unſrer Schätze. — Nicht alſo bey den Werken herrlicher Künſt¬ ler. Sie ſind nicht darum da, daß das Auge ſie ſehe; ſondern darum, daß man mit ent¬ gegenkommendem Herzen in ſie hineingehe, und in ihnen lebe und athme. Ein köſtliches Gemählde iſt nicht ein Paragraph eines Lehr¬ buchs, den ich, wenn ich mit kurzer Mühe die Bedeutung der Worte herausgenommen habe, als eine unnütze Hülſe liegen laſſe: vielmehr währt bey vortrefflichen Kunſtwer¬ ken der Genuß immer, ohne Aufhören, fort.
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nur dazu da, daß das Auge ihre Form er¬
kenne; und Lehrſätze und Begebenheiten ſind
nur ſo lange ein Gegenſtand unſrer Beſchäf¬
tigung, als das Auge des Geiſtes daran ar¬
beitet, ſie zu faſſen und zu erkennen; ſobald
ſie unſer eigen ſind, iſt die Thätigkeit unſers
Geiſtes zu Ende, und wir weiden uns dann
nur, ſo oft es uns behagt, an einem trägen
und unfruchtbaren Überblick unſrer Schätze. —
Nicht alſo bey den Werken herrlicher Künſt¬
ler. Sie ſind nicht darum da, daß das Auge
ſie ſehe; ſondern darum, daß man mit ent¬
gegenkommendem Herzen in ſie hineingehe,
und in ihnen lebe und athme. Ein köſtliches
Gemählde iſt nicht ein Paragraph eines Lehr¬
buchs, den ich, wenn ich mit kurzer Mühe
die Bedeutung der Worte herausgenommen
habe, als eine unnütze Hülſe liegen laſſe:
vielmehr währt bey vortrefflichen Kunſtwer¬
ken der Genuß immer, ohne Aufhören, fort.
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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/170>, abgerufen am 23.11.2024.
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