folgte, wohin sie ihn führten. Immer war er allein in einem verschlossenen Gemach, und führte eine ganz eigene Lebensart. Er nährte sich mit immer gleicher, einförmiger Speise, die er sich selber, zu jeder Zeit des Tages, da er Lust hatte, bereitete. Er litt nicht, daß sein Zimmer gereinigt ward; auch widersetzte er sich gegen das Beschneiden der Fruchtbäume und Rebstöcke in seinem Gar¬ ten; denn er wollte überall die wilde, ge¬ meine und ungesäuberte Natur sehen, und hatte seine Lust an dem, was andern Sin¬ nen zuwider ist. So hatte er auch einen ge¬ heimen Reiz, bey allen Mißgeburten in der physischen Natur, bey allen monströsen Thie¬ ren und Pflanzen, lange zu verweilen; er sah sie mit unverrückter Aufmerksamkeit an, um ihre Häßlichkeit recht zu genießen; er wiederholte sich ihr Bild nachher immerfort in Gedanken, und konnte es, so widrig es
K
folgte, wohin ſie ihn führten. Immer war er allein in einem verſchloſſenen Gemach, und führte eine ganz eigene Lebensart. Er nährte ſich mit immer gleicher, einförmiger Speiſe, die er ſich ſelber, zu jeder Zeit des Tages, da er Luſt hatte, bereitete. Er litt nicht, daß ſein Zimmer gereinigt ward; auch widerſetzte er ſich gegen das Beſchneiden der Fruchtbäume und Rebſtöcke in ſeinem Gar¬ ten; denn er wollte überall die wilde, ge¬ meine und ungeſäuberte Natur ſehen, und hatte ſeine Luſt an dem, was andern Sin¬ nen zuwider iſt. So hatte er auch einen ge¬ heimen Reiz, bey allen Mißgeburten in der phyſiſchen Natur, bey allen monſtröſen Thie¬ ren und Pflanzen, lange zu verweilen; er ſah ſie mit unverrückter Aufmerkſamkeit an, um ihre Häßlichkeit recht zu genießen; er wiederholte ſich ihr Bild nachher immerfort in Gedanken, und konnte es, ſo widrig es
K
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0153"n="145"/>
folgte, wohin ſie ihn führten. Immer war<lb/>
er allein in einem verſchloſſenen Gemach,<lb/>
und führte eine ganz eigene Lebensart. Er<lb/>
nährte ſich mit immer gleicher, einförmiger<lb/>
Speiſe, die er ſich ſelber, zu jeder Zeit des<lb/>
Tages, da er Luſt hatte, bereitete. Er litt<lb/>
nicht, daß ſein Zimmer gereinigt ward; auch<lb/>
widerſetzte er ſich gegen das Beſchneiden der<lb/>
Fruchtbäume und Rebſtöcke in ſeinem Gar¬<lb/>
ten; denn er wollte überall die wilde, ge¬<lb/>
meine und ungeſäuberte Natur ſehen, und<lb/>
hatte ſeine Luſt an dem, was andern Sin¬<lb/>
nen zuwider iſt. So hatte er auch einen ge¬<lb/>
heimen Reiz, bey allen Mißgeburten in der<lb/>
phyſiſchen Natur, bey allen monſtröſen Thie¬<lb/>
ren und Pflanzen, lange zu verweilen; er<lb/>ſah ſie mit unverrückter Aufmerkſamkeit an,<lb/>
um ihre Häßlichkeit recht zu genießen; er<lb/>
wiederholte ſich ihr Bild nachher immerfort<lb/>
in Gedanken, und konnte es, ſo widrig es<lb/><fwplace="bottom"type="sig">K<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[145/0153]
folgte, wohin ſie ihn führten. Immer war
er allein in einem verſchloſſenen Gemach,
und führte eine ganz eigene Lebensart. Er
nährte ſich mit immer gleicher, einförmiger
Speiſe, die er ſich ſelber, zu jeder Zeit des
Tages, da er Luſt hatte, bereitete. Er litt
nicht, daß ſein Zimmer gereinigt ward; auch
widerſetzte er ſich gegen das Beſchneiden der
Fruchtbäume und Rebſtöcke in ſeinem Gar¬
ten; denn er wollte überall die wilde, ge¬
meine und ungeſäuberte Natur ſehen, und
hatte ſeine Luſt an dem, was andern Sin¬
nen zuwider iſt. So hatte er auch einen ge¬
heimen Reiz, bey allen Mißgeburten in der
phyſiſchen Natur, bey allen monſtröſen Thie¬
ren und Pflanzen, lange zu verweilen; er
ſah ſie mit unverrückter Aufmerkſamkeit an,
um ihre Häßlichkeit recht zu genießen; er
wiederholte ſich ihr Bild nachher immerfort
in Gedanken, und konnte es, ſo widrig es
K
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/153>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.