alles, was der kunstreiche Mann uns dar¬ stellt; und es verwischt sich nie aus unserm Gedächtniß.
Wie ist's, daß mir die heutigen Künstler unsers Vaterlands so anders erscheinen, als jene preiswürdigen Männer der alten Zeit, und du vornehmlich, mein geliebter Dürer? Wie ist's, daß es mir vorkommt, als wenn ihr alle die Mahlerkunst weit ernsthafter, wichtiger und würdiger gehandhabt hättet, als diese zierlichen Künstler unsrer Tage? Mich dünkt, ich sehe euch, wie ihr nachden¬ kend vor eurem angefangenen Bilde stehet, -- wie die Vorstellung, die ihr sichtbar machen wollt, ganz lebendig eurer Seele vorschwebt, -- wie ihr bedächtlich überlegt, welche Mienen und welche Stellungen den Zuschauer wohl am stärksten und sichersten ergreifen, und seine Seele beym Ansehen am mächtigsten bewegen möchten, -- und wie ihr dann, mit
alles, was der kunſtreiche Mann uns dar¬ ſtellt; und es verwiſcht ſich nie aus unſerm Gedächtniß.
Wie iſt's, daß mir die heutigen Künſtler unſers Vaterlands ſo anders erſcheinen, als jene preiswürdigen Männer der alten Zeit, und du vornehmlich, mein geliebter Dürer? Wie iſt's, daß es mir vorkommt, als wenn ihr alle die Mahlerkunſt weit ernſthafter, wichtiger und würdiger gehandhabt hättet, als dieſe zierlichen Künſtler unſrer Tage? Mich dünkt, ich ſehe euch, wie ihr nachden¬ kend vor eurem angefangenen Bilde ſtehet, — wie die Vorſtellung, die ihr ſichtbar machen wollt, ganz lebendig eurer Seele vorſchwebt, — wie ihr bedächtlich überlegt, welche Mienen und welche Stellungen den Zuſchauer wohl am ſtärkſten und ſicherſten ergreifen, und ſeine Seele beym Anſehen am mächtigſten bewegen möchten, — und wie ihr dann, mit
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alles, was der kunſtreiche Mann uns dar¬
ſtellt; und es verwiſcht ſich nie aus unſerm
Gedächtniß.
Wie iſt's, daß mir die heutigen Künſtler
unſers Vaterlands ſo anders erſcheinen, als
jene preiswürdigen Männer der alten Zeit,
und du vornehmlich, mein geliebter Dürer?
Wie iſt's, daß es mir vorkommt, als wenn
ihr alle die Mahlerkunſt weit ernſthafter,
wichtiger und würdiger gehandhabt hättet,
als dieſe zierlichen Künſtler unſrer Tage?
Mich dünkt, ich ſehe euch, wie ihr nachden¬
kend vor eurem angefangenen Bilde ſtehet, —
wie die Vorſtellung, die ihr ſichtbar machen
wollt, ganz lebendig eurer Seele vorſchwebt, —
wie ihr bedächtlich überlegt, welche Mienen
und welche Stellungen den Zuſchauer wohl
am ſtärkſten und ſicherſten ergreifen, und
ſeine Seele beym Anſehen am mächtigſten
bewegen möchten, — und wie ihr dann, mit
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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/122>, abgerufen am 24.11.2024.
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