Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.Das Einmaleins der Vernunft folgt un¬ Schönheit: ein wunderseltsames Wort! Aber ihr spinnt aus diesem Worte, durch Das Einmaleins der Vernunft folgt un¬ Schönheit: ein wunderſeltſames Wort! Aber ihr ſpinnt aus dieſem Worte, durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0113" n="105"/> <p>Das Einmaleins der Vernunft folgt un¬<lb/> ter allen Nationen der Erde denſelben Ge¬<lb/> ſetzen, und wird nur hier auf ein unendlich<lb/> größeres, dort auf ein ſehr geringes Feld<lb/> von Gegenſtänden angewandt. — Auf ähn¬<lb/> liche Weiſe iſt das <hi rendition="#g">Kunſtgefühl</hi> nur ein<lb/> und derſelbe himmliſche Lichtſtrahl, welcher<lb/> aber, durch das mannigfach-geſchliffene Glas<lb/> der Sinnlichkeit unter verſchieden Zonen ſich<lb/> in tauſenderley verſchiedene Farben bricht.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Schönheit</hi>: ein wunderſeltſames Wort!<lb/> Erfindet erſt neue Worte für jedes einzelne<lb/> Kunſtgefühl, für jedes einzelne Werk der<lb/> Kunſt! In jedem ſpielt eine andere Farbe,<lb/> und für ein jedes ſind andere Nerven in<lb/> dem Gebäude des Menſchen geſchaffen.</p><lb/> <p>Aber ihr ſpinnt aus dieſem Worte, durch<lb/> Künſte des Verſtandes, ein ſtrenges <hi rendition="#g">Sy</hi>¬<lb/><hi rendition="#g">ſtem</hi>, und wollt alle Menſchen zwingen,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [105/0113]
Das Einmaleins der Vernunft folgt un¬
ter allen Nationen der Erde denſelben Ge¬
ſetzen, und wird nur hier auf ein unendlich
größeres, dort auf ein ſehr geringes Feld
von Gegenſtänden angewandt. — Auf ähn¬
liche Weiſe iſt das Kunſtgefühl nur ein
und derſelbe himmliſche Lichtſtrahl, welcher
aber, durch das mannigfach-geſchliffene Glas
der Sinnlichkeit unter verſchieden Zonen ſich
in tauſenderley verſchiedene Farben bricht.
Schönheit: ein wunderſeltſames Wort!
Erfindet erſt neue Worte für jedes einzelne
Kunſtgefühl, für jedes einzelne Werk der
Kunſt! In jedem ſpielt eine andere Farbe,
und für ein jedes ſind andere Nerven in
dem Gebäude des Menſchen geſchaffen.
Aber ihr ſpinnt aus dieſem Worte, durch
Künſte des Verſtandes, ein ſtrenges Sy¬
ſtem, und wollt alle Menſchen zwingen,
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Zitationshilfe: | Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/113>, abgerufen am 16.02.2025. |