Dieser Schicksal weiß ich nunmehr. Doch nenne den dritten, Welchen man noch lebendig im weiten Meere zurückhält, Oder auch todt. Verschweige mir nicht die traurige Botschaft!
Also sprach ich; und drauf antwortete jener, und sagte: Das ist der Sohn Laertäs, der Ithaka's Fluren bewohnet. 55[5] Ihn sah ich auf der Insel die bittersten Thränen vergießen, In dem Hause der Nümfe Kalüpso, die mit Gewalt ihn Hält; und er sehnt sich umsonst nach seiner heimischen Insel: Denn es gebricht ihm dort an Ruderschiffen und Männern, Ueber den weiten Rücken des Meeres ihn zu geleiten. 56[0] Aber dir bestimmt, o Geliebter von Zeus, Menelaos, Nicht das Schicksal den Tod in der roßenährenden Argos; Sondern die Götter führen dich einst an die Enden der Erde, In die elisische Flur, wo der bräunliche Held Radamanthus V. 564. Wohnt, und ruhiges Leben die Menschen immer beseligt: 56[5] (Dort ist kein Schnee, kein Winterorkan, kein gießender Regen; Ewig wehn die Gesäusel des leiseathmenden Westes, Welche der Ozean sendet, die Menschen sanft zu kühlen:) Weil du Helena hast, und Zeus als Eidam dich ehret.
Also sprach er, und sprang in des Meeres hochwallende Woge. 5[70] Aber ich ging zu den Schiffen mit meinen tapfern Genossen, Schweigend, und viele Gedanken bewegten des Gehenden Seele. Als wir jezo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten, Da bereiteten wir das Mahl. Die ambrosische Nacht kam; Und wir lagerten uns am rauschenden Ufer des Meeres. 5[75] Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte,
V. 564. Elisium dachte man sich damals in der Gegend der kanarischen Inseln
Oduͤßee.
Dieſer Schickſal weiß ich nunmehr. Doch nenne den dritten, Welchen man noch lebendig im weiten Meere zuruͤckhaͤlt, Oder auch todt. Verſchweige mir nicht die traurige Botſchaft!
Alſo ſprach ich; und drauf antwortete jener, und ſagte: Das iſt der Sohn Laertaͤs, der Ithaka's Fluren bewohnet. 55[5] Ihn ſah ich auf der Inſel die bitterſten Thraͤnen vergießen, In dem Hauſe der Nuͤmfe Kaluͤpſo, die mit Gewalt ihn Haͤlt; und er ſehnt ſich umſonſt nach ſeiner heimiſchen Inſel: Denn es gebricht ihm dort an Ruderſchiffen und Maͤnnern, Ueber den weiten Ruͤcken des Meeres ihn zu geleiten. 56[0] Aber dir beſtimmt, o Geliebter von Zeus, Menelaos, Nicht das Schickſal den Tod in der roßenaͤhrenden Argos; Sondern die Goͤtter fuͤhren dich einſt an die Enden der Erde, In die eliſiſche Flur, wo der braͤunliche Held Radamanthus V. 564. Wohnt, und ruhiges Leben die Menſchen immer beſeligt: 56[5] (Dort iſt kein Schnee, kein Winterorkan, kein gießender Regen; Ewig wehn die Geſaͤuſel des leiſeathmenden Weſtes, Welche der Ozean ſendet, die Menſchen ſanft zu kuͤhlen:) Weil du Helena haſt, und Zeus als Eidam dich ehret.
Alſo ſprach er, und ſprang in des Meeres hochwallende Woge. 5[70] Aber ich ging zu den Schiffen mit meinen tapfern Genoſſen, Schweigend, und viele Gedanken bewegten des Gehenden Seele. Als wir jezo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten, Da bereiteten wir das Mahl. Die ambroſiſche Nacht kam; Und wir lagerten uns am rauſchenden Ufer des Meeres. 5[75] Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte,
V. 564. Eliſium dachte man ſich damals in der Gegend der kanariſchen Inſeln
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0090"n="84"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Oduͤßee.</hi></fw><lb/><p>Dieſer Schickſal weiß ich nunmehr. Doch nenne den dritten,<lb/>
Welchen man noch lebendig im weiten Meere zuruͤckhaͤlt,<lb/>
Oder auch todt. Verſchweige mir nicht die traurige Botſchaft!</p><lb/><p>Alſo ſprach ich; und drauf antwortete jener, und ſagte:<lb/>
Das iſt der Sohn Laertaͤs, der Ithaka's Fluren bewohnet. <noteplace="right">55<supplied>5</supplied></note><lb/>
Ihn ſah ich auf der Inſel die bitterſten Thraͤnen vergießen,<lb/>
In dem Hauſe der Nuͤmfe Kaluͤpſo, die mit Gewalt ihn<lb/>
Haͤlt; und er ſehnt ſich umſonſt nach ſeiner heimiſchen Inſel:<lb/>
Denn es gebricht ihm dort an Ruderſchiffen und Maͤnnern,<lb/>
Ueber den weiten Ruͤcken des Meeres ihn zu geleiten. <noteplace="right">56<supplied>0</supplied></note><lb/>
Aber dir beſtimmt, o Geliebter von Zeus, Menelaos,<lb/>
Nicht das Schickſal den Tod in der roßenaͤhrenden Argos;<lb/>
Sondern die Goͤtter fuͤhren dich einſt an die Enden der Erde,<lb/>
In die eliſiſche Flur, wo der braͤunliche Held Radamanthus <noteplace="foot"n="V. 564.">Eliſium dachte man ſich damals in der Gegend der kanariſchen Inſeln</note><lb/>
Wohnt, und ruhiges Leben die Menſchen immer beſeligt: <noteplace="right">56<supplied>5</supplied></note><lb/>
(Dort iſt kein Schnee, kein Winterorkan, kein gießender Regen;<lb/>
Ewig wehn die Geſaͤuſel des leiſeathmenden Weſtes,<lb/>
Welche der Ozean ſendet, die Menſchen ſanft zu kuͤhlen:)<lb/>
Weil du Helena haſt, und Zeus als Eidam dich ehret.</p><lb/><p>Alſo ſprach er, und ſprang in des Meeres hochwallende Woge. <noteplace="right">5<supplied>70</supplied></note><lb/>
Aber ich ging zu den Schiffen mit meinen tapfern Genoſſen,<lb/>
Schweigend, und viele Gedanken bewegten des Gehenden Seele.<lb/>
Als wir jezo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten,<lb/>
Da bereiteten wir das Mahl. Die ambroſiſche Nacht kam;<lb/>
Und wir lagerten uns am rauſchenden Ufer des Meeres. <noteplace="right">5<supplied>75</supplied></note><lb/>
Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[84/0090]
Oduͤßee.
Dieſer Schickſal weiß ich nunmehr. Doch nenne den dritten,
Welchen man noch lebendig im weiten Meere zuruͤckhaͤlt,
Oder auch todt. Verſchweige mir nicht die traurige Botſchaft!
Alſo ſprach ich; und drauf antwortete jener, und ſagte:
Das iſt der Sohn Laertaͤs, der Ithaka's Fluren bewohnet.
Ihn ſah ich auf der Inſel die bitterſten Thraͤnen vergießen,
In dem Hauſe der Nuͤmfe Kaluͤpſo, die mit Gewalt ihn
Haͤlt; und er ſehnt ſich umſonſt nach ſeiner heimiſchen Inſel:
Denn es gebricht ihm dort an Ruderſchiffen und Maͤnnern,
Ueber den weiten Ruͤcken des Meeres ihn zu geleiten.
Aber dir beſtimmt, o Geliebter von Zeus, Menelaos,
Nicht das Schickſal den Tod in der roßenaͤhrenden Argos;
Sondern die Goͤtter fuͤhren dich einſt an die Enden der Erde,
In die eliſiſche Flur, wo der braͤunliche Held Radamanthus V. 564.
Wohnt, und ruhiges Leben die Menſchen immer beſeligt:
(Dort iſt kein Schnee, kein Winterorkan, kein gießender Regen;
Ewig wehn die Geſaͤuſel des leiſeathmenden Weſtes,
Welche der Ozean ſendet, die Menſchen ſanft zu kuͤhlen:)
Weil du Helena haſt, und Zeus als Eidam dich ehret.
555
560
565
Alſo ſprach er, und ſprang in des Meeres hochwallende Woge.
Aber ich ging zu den Schiffen mit meinen tapfern Genoſſen,
Schweigend, und viele Gedanken bewegten des Gehenden Seele.
Als wir jezo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten,
Da bereiteten wir das Mahl. Die ambroſiſche Nacht kam;
Und wir lagerten uns am rauſchenden Ufer des Meeres.
Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte,
570
575
V. 564. Eliſium dachte man ſich damals in der Gegend der kanariſchen Inſeln
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/90>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.