Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Odüßee. Und ihn aus Ithaka führen mit seinem ganzen Vermögen,175Seinem Sohn und dem Volk, und räumen eine der Städte, Welche Sparta umgrenzen, und meinem Befehle gehorchen. Oft besuchten wir dann als Nachbarn einer den andern, Und nichts trennt' uns beid' in unserer seligen Eintracht, Bis uns die schwarze Wolke des Todes endlich umhüllte! 180 Aber ein solches Glück misgönnte mir einer der Götter, Welcher jenem allein, dem Armen, raubte die Heimkehr! Also sprach er, und rührte sie alle zu herzlichen Thränen. Atreus Sohn Menelaos, vor allen Menschen verständig190 V. 188. Memnon, der König der östlichen Aithiopen, war ein Sohn von
Tithonos und der Morgenröthe. Oduͤßee. Und ihn aus Ithaka fuͤhren mit ſeinem ganzen Vermoͤgen,175Seinem Sohn und dem Volk, und raͤumen eine der Staͤdte, Welche Sparta umgrenzen, und meinem Befehle gehorchen. Oft beſuchten wir dann als Nachbarn einer den andern, Und nichts trennt' uns beid' in unſerer ſeligen Eintracht, Bis uns die ſchwarze Wolke des Todes endlich umhuͤllte! 180 Aber ein ſolches Gluͤck misgoͤnnte mir einer der Goͤtter, Welcher jenem allein, dem Armen, raubte die Heimkehr! Alſo ſprach er, und ruͤhrte ſie alle zu herzlichen Thraͤnen. Atreus Sohn Menelaos, vor allen Menſchen verſtaͤndig190 V. 188. Memnon, der Koͤnig der oͤſtlichen Aithiopen, war ein Sohn von
Tithonos und der Morgenroͤthe. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0076" n="70"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Oduͤßee</hi>.</fw><lb/> Und ihn aus Ithaka fuͤhren mit ſeinem ganzen Vermoͤgen,<note place="right">175</note><lb/> Seinem Sohn und dem Volk, und raͤumen eine der Staͤdte,<lb/> Welche Sparta umgrenzen, und meinem Befehle gehorchen.<lb/> Oft beſuchten wir dann als Nachbarn einer den andern,<lb/> Und nichts trennt' uns beid' in unſerer ſeligen Eintracht,<lb/> Bis uns die ſchwarze Wolke des Todes endlich umhuͤllte! <note place="right">180</note><lb/> Aber ein ſolches Gluͤck misgoͤnnte mir einer der Goͤtter,<lb/> Welcher jenem allein, dem Armen, raubte die Heimkehr!</p><lb/> <p>Alſo ſprach er, und ruͤhrte ſie alle zu herzlichen Thraͤnen.<lb/> Argos Helena weinte, die Tochter des großen Kronions,<lb/> Und Taͤlemachos weinte, und Atreus Sohn Menelaos.<note place="right">185</note><lb/> Auch Peiſiſtratos konnte ſich nicht der Thraͤnen enthalten;<lb/> Denn ihm trat vor die Seele des edlen Antilochos Bildniß,<lb/> Welchen der glaͤnzende Sohn der Morgenroͤthe getoͤdtet. <note place="foot" n="V. 188.">Memnon, der Koͤnig der oͤſtlichen Aithiopen, war ein Sohn von<lb/> Tithonos und der Morgenroͤthe.</note><lb/> Deßen gedacht' er jezo, und ſprach die gefluͤgelten Worte:</p><lb/> <p>Atreus Sohn Menelaos, vor allen Menſchen verſtaͤndig<note place="right">190</note><lb/> Ruͤhmte dich Neſtor der Greis, ſo oft wir deiner gedachten<lb/> In des Vaters Palaſt, und uns mit einander beſprachen.<lb/> Darum, iſt es dir moͤglich, gehorche mir jezo. Ich finde<lb/> Kein Vergnuͤgen an Thraͤnen beim Abendeßen; auch morgen<lb/> Daͤmmert ein Tag fuͤr uns. Ich tadele freilich mitnichten,<note place="right">195</note><lb/> Daß man den Todten beweine, der ſein Verhaͤngniß erfuͤllt hat.<lb/> Iſt doch dieſes allein der armen Sterblichen Ehre,<lb/> Daß man ſcheere ſein Haar, und die Wange mit Thraͤnen beneze.<lb/> Auch mein Bruder verlor ſein Leben, nicht der geringſte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [70/0076]
Oduͤßee.
Und ihn aus Ithaka fuͤhren mit ſeinem ganzen Vermoͤgen,
Seinem Sohn und dem Volk, und raͤumen eine der Staͤdte,
Welche Sparta umgrenzen, und meinem Befehle gehorchen.
Oft beſuchten wir dann als Nachbarn einer den andern,
Und nichts trennt' uns beid' in unſerer ſeligen Eintracht,
Bis uns die ſchwarze Wolke des Todes endlich umhuͤllte!
Aber ein ſolches Gluͤck misgoͤnnte mir einer der Goͤtter,
Welcher jenem allein, dem Armen, raubte die Heimkehr!
175
180
Alſo ſprach er, und ruͤhrte ſie alle zu herzlichen Thraͤnen.
Argos Helena weinte, die Tochter des großen Kronions,
Und Taͤlemachos weinte, und Atreus Sohn Menelaos.
Auch Peiſiſtratos konnte ſich nicht der Thraͤnen enthalten;
Denn ihm trat vor die Seele des edlen Antilochos Bildniß,
Welchen der glaͤnzende Sohn der Morgenroͤthe getoͤdtet. V. 188.
Deßen gedacht' er jezo, und ſprach die gefluͤgelten Worte:
185
Atreus Sohn Menelaos, vor allen Menſchen verſtaͤndig
Ruͤhmte dich Neſtor der Greis, ſo oft wir deiner gedachten
In des Vaters Palaſt, und uns mit einander beſprachen.
Darum, iſt es dir moͤglich, gehorche mir jezo. Ich finde
Kein Vergnuͤgen an Thraͤnen beim Abendeßen; auch morgen
Daͤmmert ein Tag fuͤr uns. Ich tadele freilich mitnichten,
Daß man den Todten beweine, der ſein Verhaͤngniß erfuͤllt hat.
Iſt doch dieſes allein der armen Sterblichen Ehre,
Daß man ſcheere ſein Haar, und die Wange mit Thraͤnen beneze.
Auch mein Bruder verlor ſein Leben, nicht der geringſte
190
195
V. 188. Memnon, der Koͤnig der oͤſtlichen Aithiopen, war ein Sohn von
Tithonos und der Morgenroͤthe.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |