Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Odüßee.
Denn von allen im Schiffe bin ich der einzige Alte;
Jünglinge sind die andern, die uns aus Liebe begleiten,
Allesamt von des edlen Tälemachos blühendem Alter.
Alda will ich die Nacht am schwarzen gebogenen Schiffe365
Ruhn, und morgen früh zu den großgesinnten Kaukonen V. 366.
Gehen, daß ich die Schuld, die weder neu noch gering' ist,
Mir einfodre. Doch diesen, den Gastfreund deines Palastes,
Send' im Wagen gen Sparta, vom Sohne begleitet, und gieb ihm
Zum Gespanne die schnellsten und unermüdlichsten Roße.370

Also redete Zeus blauäugichte Tochter, und schwebte,
Plözlich ein Adler, empor; da erstaunte die ganze Versammlung.
Wundernd stand auch der Greis, da seine Augen es sahen,
Faßte Tälemachos Hand, und sprach mit freundlicher Stimme:

Lieber, ich hoffe, du wirst nicht feige werden noch kraftlos;375
Denn es begleiten dich schon als Jüngling waltende Götter!
Siehe kein anderer wars der himmelbewohnenden Götter,
Als des allmächtigen Zeus siegprangende Tochter Athänä,
Die auch deinen Vater vor allen Achaiern geehrt hat!
Herscherin, sei uns gnädig, und krön' uns mit glänzendem Ruhme,380
Mich und meine Kinder und meine theure Genoßin!
Dir will ich opfern ein jähriges Rind, breitstirnig und fehllos,
Unbezwungen vom Stier, und nie zum Joche gebändigt:
Dieses will ich dir opfern, mit Gold die Hörner umzogen!

Also sprach er flehend; ihn hörete Pallas Athänä.385
Und der geränische Greis, der Roßebändiger Nestor,
Führte die Eidam' und Söhne zu seinem schönen Palaste.

V. 366. Diese Kaukonen wohnten nicht weit von Pülos, in Arkadien.

Oduͤßee.
Denn von allen im Schiffe bin ich der einzige Alte;
Juͤnglinge ſind die andern, die uns aus Liebe begleiten,
Alleſamt von des edlen Taͤlemachos bluͤhendem Alter.
Alda will ich die Nacht am ſchwarzen gebogenen Schiffe365
Ruhn, und morgen fruͤh zu den großgeſinnten Kaukonen V. 366.
Gehen, daß ich die Schuld, die weder neu noch gering' iſt,
Mir einfodre. Doch dieſen, den Gaſtfreund deines Palaſtes,
Send' im Wagen gen Sparta, vom Sohne begleitet, und gieb ihm
Zum Geſpanne die ſchnellſten und unermuͤdlichſten Roße.370

Alſo redete Zeus blauaͤugichte Tochter, und ſchwebte,
Ploͤzlich ein Adler, empor; da erſtaunte die ganze Verſammlung.
Wundernd ſtand auch der Greis, da ſeine Augen es ſahen,
Faßte Taͤlemachos Hand, und ſprach mit freundlicher Stimme:

Lieber, ich hoffe, du wirſt nicht feige werden noch kraftlos;375
Denn es begleiten dich ſchon als Juͤngling waltende Goͤtter!
Siehe kein anderer wars der himmelbewohnenden Goͤtter,
Als des allmaͤchtigen Zeus ſiegprangende Tochter Athaͤnaͤ,
Die auch deinen Vater vor allen Achaiern geehrt hat!
Herſcherin, ſei uns gnaͤdig, und kroͤn' uns mit glaͤnzendem Ruhme,380
Mich und meine Kinder und meine theure Genoßin!
Dir will ich opfern ein jaͤhriges Rind, breitſtirnig und fehllos,
Unbezwungen vom Stier, und nie zum Joche gebaͤndigt:
Dieſes will ich dir opfern, mit Gold die Hoͤrner umzogen!

Alſo ſprach er flehend; ihn hoͤrete Pallas Athaͤnaͤ.385
Und der geraͤniſche Greis, der Roßebaͤndiger Neſtor,
Fuͤhrte die Eidam' und Soͤhne zu ſeinem ſchoͤnen Palaſte.

V. 366. Dieſe Kaukonen wohnten nicht weit von Puͤlos, in Arkadien.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0064" n="58"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Odu&#x0364;ßee</hi>.</fw><lb/>
Denn von allen im Schiffe bin ich der einzige Alte;<lb/>
Ju&#x0364;nglinge &#x017F;ind die andern, die uns aus Liebe begleiten,<lb/>
Alle&#x017F;amt von des edlen Ta&#x0364;lemachos blu&#x0364;hendem Alter.<lb/>
Alda will ich die Nacht am &#x017F;chwarzen gebogenen Schiffe<note place="right">365</note><lb/>
Ruhn, und morgen fru&#x0364;h zu den großge&#x017F;innten Kaukonen <note place="foot" n="V. 366.">Die&#x017F;e Kaukonen wohnten nicht weit von Pu&#x0364;los, in Arkadien.</note><lb/>
Gehen, daß ich die Schuld, die weder neu noch gering' i&#x017F;t,<lb/>
Mir einfodre. Doch die&#x017F;en, den Ga&#x017F;tfreund deines Pala&#x017F;tes,<lb/>
Send' im Wagen gen Sparta, vom Sohne begleitet, und gieb ihm<lb/>
Zum Ge&#x017F;panne die &#x017F;chnell&#x017F;ten und unermu&#x0364;dlich&#x017F;ten Roße.<note place="right">370</note></p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o redete Zeus blaua&#x0364;ugichte Tochter, und &#x017F;chwebte,<lb/>
Plo&#x0364;zlich ein Adler, empor; da er&#x017F;taunte die ganze Ver&#x017F;ammlung.<lb/>
Wundernd &#x017F;tand auch der Greis, da &#x017F;eine Augen es &#x017F;ahen,<lb/>
Faßte Ta&#x0364;lemachos Hand, und &#x017F;prach mit freundlicher Stimme:</p><lb/>
        <p>Lieber, ich hoffe, du wir&#x017F;t nicht feige werden noch kraftlos;<note place="right">375</note><lb/>
Denn es begleiten dich &#x017F;chon als Ju&#x0364;ngling waltende Go&#x0364;tter!<lb/>
Siehe kein anderer wars der himmelbewohnenden Go&#x0364;tter,<lb/>
Als des allma&#x0364;chtigen Zeus &#x017F;iegprangende Tochter Atha&#x0364;na&#x0364;,<lb/>
Die auch deinen Vater vor allen Achaiern geehrt hat!<lb/>
Her&#x017F;cherin, &#x017F;ei uns gna&#x0364;dig, und kro&#x0364;n' uns mit gla&#x0364;nzendem Ruhme,<note place="right">380</note><lb/>
Mich und meine Kinder und meine theure Genoßin!<lb/>
Dir will ich opfern ein ja&#x0364;hriges Rind, breit&#x017F;tirnig und fehllos,<lb/>
Unbezwungen vom Stier, und nie zum Joche geba&#x0364;ndigt:<lb/>
Die&#x017F;es will ich dir opfern, mit Gold die Ho&#x0364;rner umzogen!</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o &#x017F;prach er flehend; ihn ho&#x0364;rete Pallas Atha&#x0364;na&#x0364;.<note place="right">385</note><lb/>
Und der gera&#x0364;ni&#x017F;che Greis, der Roßeba&#x0364;ndiger Ne&#x017F;tor,<lb/>
Fu&#x0364;hrte die Eidam' und So&#x0364;hne zu &#x017F;einem &#x017F;cho&#x0364;nen Pala&#x017F;te.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0064] Oduͤßee. Denn von allen im Schiffe bin ich der einzige Alte; Juͤnglinge ſind die andern, die uns aus Liebe begleiten, Alleſamt von des edlen Taͤlemachos bluͤhendem Alter. Alda will ich die Nacht am ſchwarzen gebogenen Schiffe Ruhn, und morgen fruͤh zu den großgeſinnten Kaukonen V. 366. Gehen, daß ich die Schuld, die weder neu noch gering' iſt, Mir einfodre. Doch dieſen, den Gaſtfreund deines Palaſtes, Send' im Wagen gen Sparta, vom Sohne begleitet, und gieb ihm Zum Geſpanne die ſchnellſten und unermuͤdlichſten Roße. 365 370 Alſo redete Zeus blauaͤugichte Tochter, und ſchwebte, Ploͤzlich ein Adler, empor; da erſtaunte die ganze Verſammlung. Wundernd ſtand auch der Greis, da ſeine Augen es ſahen, Faßte Taͤlemachos Hand, und ſprach mit freundlicher Stimme: Lieber, ich hoffe, du wirſt nicht feige werden noch kraftlos; Denn es begleiten dich ſchon als Juͤngling waltende Goͤtter! Siehe kein anderer wars der himmelbewohnenden Goͤtter, Als des allmaͤchtigen Zeus ſiegprangende Tochter Athaͤnaͤ, Die auch deinen Vater vor allen Achaiern geehrt hat! Herſcherin, ſei uns gnaͤdig, und kroͤn' uns mit glaͤnzendem Ruhme, Mich und meine Kinder und meine theure Genoßin! Dir will ich opfern ein jaͤhriges Rind, breitſtirnig und fehllos, Unbezwungen vom Stier, und nie zum Joche gebaͤndigt: Dieſes will ich dir opfern, mit Gold die Hoͤrner umzogen! 375 380 Alſo ſprach er flehend; ihn hoͤrete Pallas Athaͤnaͤ. Und der geraͤniſche Greis, der Roßebaͤndiger Neſtor, Fuͤhrte die Eidam' und Soͤhne zu ſeinem ſchoͤnen Palaſte. 385 V. 366. Dieſe Kaukonen wohnten nicht weit von Puͤlos, in Arkadien.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/64
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/64>, abgerufen am 25.11.2024.