Sterben wie sie; so ist ja des Guten keine Vergeltung!
Zürnend schaute auf ihn und sprach der weise Odüßeus: 320 Bist du Opferprofet bei den Freiern gewesen, so hast du Ohne Zweifel auch oft in diesem Saale gebetet, Daß ich ferne verlöre den Tag der fröhlichen Heimkehr, Und daß meine Gemahlin dir folgt' und Kinder gebäre! Darum wünsche nur nicht, den schrecklichen Tod zu vermeiden! 325
Als er dieses gesagt, da nahm er mit nervichter Rechte Von der Erde das Schwert, das Agelaos im Tode Fallen laßen, und schwung es, und haut' ihm tief in den Nacken: Daß des Redenden Haupt hinrollend mit Staube vermischt ward.
Aber Terpios Sohn entrann dem schwarzen Verhängniß, 330 Fämios, der bei den Freiern gezwungen wurde zu singen. Dieser stand, in den Händen die hellerklingende Harfe, Nahe der Seitenthür, und sann in zweifelndem Herzen: Ob er heimlich entflöh, und an des großen Kronions Schönem Altar auf dem Hofe sich sezte, auf welchem Laertäs 335 Und Odüßeus die Lenden so vieler Stiere geopfert; Oder um Mitleid flehend Odüßeus zu Füßen sich würfe. Dieser Gedanke schien dem Zweifelnden endlich der beßte, Flehend die Kniee zu rühren des göttergleichen Odüßeus. Und er sezte zur Erden die schöngewölbete Harfe, 340 Zwischen dem großen Kelch und dem silberbeschlagenen Seßel; Lief dann eilend hinzu, umschlang Odüßeus die Kniee, Jammerte laut um Erbarmen, und sprach die geflügelten Worte:
Flehend umfaß' ich dein Knie; erbarme dich meiner, Odüßeus! Tödte mich nicht! Du würdest hinfort es selber bereuen, 345 Wenn du den Sänger erschlügst, der Göttern und Menschen gesungen!
Oduͤßee.
Sterben wie ſie; ſo iſt ja des Guten keine Vergeltung!
Zuͤrnend ſchaute auf ihn und ſprach der weiſe Oduͤßeus: 320 Biſt du Opferprofet bei den Freiern geweſen, ſo haſt du Ohne Zweifel auch oft in dieſem Saale gebetet, Daß ich ferne verloͤre den Tag der froͤhlichen Heimkehr, Und daß meine Gemahlin dir folgt' und Kinder gebaͤre! Darum wuͤnſche nur nicht, den ſchrecklichen Tod zu vermeiden! 325
Als er dieſes geſagt, da nahm er mit nervichter Rechte Von der Erde das Schwert, das Agelaos im Tode Fallen laßen, und ſchwung es, und haut' ihm tief in den Nacken: Daß des Redenden Haupt hinrollend mit Staube vermiſcht ward.
Aber Terpios Sohn entrann dem ſchwarzen Verhaͤngniß, 330 Faͤmios, der bei den Freiern gezwungen wurde zu ſingen. Dieſer ſtand, in den Haͤnden die hellerklingende Harfe, Nahe der Seitenthuͤr, und ſann in zweifelndem Herzen: Ob er heimlich entfloͤh, und an des großen Kronions Schoͤnem Altar auf dem Hofe ſich ſezte, auf welchem Laertaͤs 335 Und Oduͤßeus die Lenden ſo vieler Stiere geopfert; Oder um Mitleid flehend Oduͤßeus zu Fuͤßen ſich wuͤrfe. Dieſer Gedanke ſchien dem Zweifelnden endlich der beßte, Flehend die Kniee zu ruͤhren des goͤttergleichen Oduͤßeus. Und er ſezte zur Erden die ſchoͤngewoͤlbete Harfe, 340 Zwiſchen dem großen Kelch und dem ſilberbeſchlagenen Seßel; Lief dann eilend hinzu, umſchlang Oduͤßeus die Kniee, Jammerte laut um Erbarmen, und ſprach die gefluͤgelten Worte:
Flehend umfaß' ich dein Knie; erbarme dich meiner, Oduͤßeus! Toͤdte mich nicht! Du wuͤrdeſt hinfort es ſelber bereuen, 345 Wenn du den Saͤnger erſchluͤgſt, der Goͤttern und Menſchen geſungen!
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Oduͤßee.
Sterben wie ſie; ſo iſt ja des Guten keine Vergeltung!
Zuͤrnend ſchaute auf ihn und ſprach der weiſe Oduͤßeus:
Biſt du Opferprofet bei den Freiern geweſen, ſo haſt du
Ohne Zweifel auch oft in dieſem Saale gebetet,
Daß ich ferne verloͤre den Tag der froͤhlichen Heimkehr,
Und daß meine Gemahlin dir folgt' und Kinder gebaͤre!
Darum wuͤnſche nur nicht, den ſchrecklichen Tod zu vermeiden!
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Als er dieſes geſagt, da nahm er mit nervichter Rechte
Von der Erde das Schwert, das Agelaos im Tode
Fallen laßen, und ſchwung es, und haut' ihm tief in den Nacken:
Daß des Redenden Haupt hinrollend mit Staube vermiſcht ward.
Aber Terpios Sohn entrann dem ſchwarzen Verhaͤngniß,
Faͤmios, der bei den Freiern gezwungen wurde zu ſingen.
Dieſer ſtand, in den Haͤnden die hellerklingende Harfe,
Nahe der Seitenthuͤr, und ſann in zweifelndem Herzen:
Ob er heimlich entfloͤh, und an des großen Kronions
Schoͤnem Altar auf dem Hofe ſich ſezte, auf welchem Laertaͤs
Und Oduͤßeus die Lenden ſo vieler Stiere geopfert;
Oder um Mitleid flehend Oduͤßeus zu Fuͤßen ſich wuͤrfe.
Dieſer Gedanke ſchien dem Zweifelnden endlich der beßte,
Flehend die Kniee zu ruͤhren des goͤttergleichen Oduͤßeus.
Und er ſezte zur Erden die ſchoͤngewoͤlbete Harfe,
Zwiſchen dem großen Kelch und dem ſilberbeſchlagenen Seßel;
Lief dann eilend hinzu, umſchlang Oduͤßeus die Kniee,
Jammerte laut um Erbarmen, und ſprach die gefluͤgelten Worte:
330
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Flehend umfaß' ich dein Knie; erbarme dich meiner, Oduͤßeus!
Toͤdte mich nicht! Du wuͤrdeſt hinfort es ſelber bereuen,
Wenn du den Saͤnger erſchluͤgſt, der Goͤttern und Menſchen geſungen!
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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/434>, abgerufen am 25.11.2024.
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