Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweiundzwanzigster Gesang.
Gegen ihn an! Denn vertrieben wir ihn von der Schwell' und der Pforte,
Und durchliefen die Stadt; dann erhübe sich plözlich ein Aufruhr,
Und bald hätte der Mann die lezten Pfeile versendet!

Als er dieses gesagt, da zog er das eherne scharfe
Und zweischneidige Schwert, und sprang mit gräßlichem Schreien80
Gegen Odüßeus empor. Allein der edle Odüßeus
Schnellte zugleich den Pfeil, und traf ihm die Mitte des Busens:
Tief in die Leber fuhr der gefiederte Pfeil; aus der Rechten
Fiel ihm das Schwert; und er stürzte, mit strömendem Blute besudelt,
Taumelnd über den Tisch, und warf die Speisen zur Erde85
Samt dem doppelten Becher, und schlug mit der Stirne den Boden,
In der entsezlichen Angst; mit beiden zappelnden Füßen
Stürzt' er den Seßel herum, und die brechenden Augen umschloß Nacht.

Aber Amsinomos sprang zu dem hochberühmten Odüßeus
Stürmend hinan, und schwung das blinkende Schwert in der Rechten,90
Ihn von der Pforte zu treiben. Doch mitten im stürmenden Angriff
Rannte Tälemachos ihm von hinten die eherne Lanze
Zwischen die Schultern hinein, daß vorn die Spize hervordrang.
Tönend stürzt' er dahin, und schlug mit der Stirne den Boden.
Aber Tälemachos floh, und ließ in Amsinomos Schulter95
Seinen gewaltigen Speer; denn er fürchtete, daß ein Achaier,
Wenn er die Lanze herausarbeitete, gegen ihn stürzend,
Ihn mit geschliffenem Schwert durchstäche, oder zerhaute.
Eilend lief er, und floh zu dem lieben Vater Odüßeus,
Stellte sich nahe bei ihn, und sprach die geflügelten Worte:100

Vater, ich hole geschwinde dir einen Schild und zwo Lanzen,
Und den ehernen Helm, der deiner Schläfe gerecht ist;
Rüste mich selber alsdann, und bringe den Hirten Eumaios

Zweiundzwanzigſter Geſang.
Gegen ihn an! Denn vertrieben wir ihn von der Schwell' und der Pforte,
Und durchliefen die Stadt; dann erhuͤbe ſich ploͤzlich ein Aufruhr,
Und bald haͤtte der Mann die lezten Pfeile verſendet!

Als er dieſes geſagt, da zog er das eherne ſcharfe
Und zweiſchneidige Schwert, und ſprang mit graͤßlichem Schreien80
Gegen Oduͤßeus empor. Allein der edle Oduͤßeus
Schnellte zugleich den Pfeil, und traf ihm die Mitte des Buſens:
Tief in die Leber fuhr der gefiederte Pfeil; aus der Rechten
Fiel ihm das Schwert; und er ſtuͤrzte, mit ſtroͤmendem Blute beſudelt,
Taumelnd uͤber den Tiſch, und warf die Speiſen zur Erde85
Samt dem doppelten Becher, und ſchlug mit der Stirne den Boden,
In der entſezlichen Angſt; mit beiden zappelnden Fuͤßen
Stuͤrzt' er den Seßel herum, und die brechenden Augen umſchloß Nacht.

Aber Amſinomos ſprang zu dem hochberuͤhmten Oduͤßeus
Stuͤrmend hinan, und ſchwung das blinkende Schwert in der Rechten,90
Ihn von der Pforte zu treiben. Doch mitten im ſtuͤrmenden Angriff
Rannte Taͤlemachos ihm von hinten die eherne Lanze
Zwiſchen die Schultern hinein, daß vorn die Spize hervordrang.
Toͤnend ſtuͤrzt' er dahin, und ſchlug mit der Stirne den Boden.
Aber Taͤlemachos floh, und ließ in Amſinomos Schulter95
Seinen gewaltigen Speer; denn er fuͤrchtete, daß ein Achaier,
Wenn er die Lanze herausarbeitete, gegen ihn ſtuͤrzend,
Ihn mit geſchliffenem Schwert durchſtaͤche, oder zerhaute.
Eilend lief er, und floh zu dem lieben Vater Oduͤßeus,
Stellte ſich nahe bei ihn, und ſprach die gefluͤgelten Worte:100

Vater, ich hole geſchwinde dir einen Schild und zwo Lanzen,
Und den ehernen Helm, der deiner Schlaͤfe gerecht iſt;
Ruͤſte mich ſelber alsdann, und bringe den Hirten Eumaios

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0425" n="419"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiundzwanzig&#x017F;ter Ge&#x017F;ang.</hi></fw><lb/>
Gegen ihn an! Denn vertrieben wir ihn von der Schwell' und der Pforte,<lb/>
Und durchliefen die Stadt; dann erhu&#x0364;be &#x017F;ich plo&#x0364;zlich ein Aufruhr,<lb/>
Und bald ha&#x0364;tte der Mann die lezten Pfeile ver&#x017F;endet!</p><lb/>
        <p>Als er die&#x017F;es ge&#x017F;agt, da zog er das eherne &#x017F;charfe<lb/>
Und zwei&#x017F;chneidige Schwert, und &#x017F;prang mit gra&#x0364;ßlichem Schreien<note place="right">80</note><lb/>
Gegen Odu&#x0364;ßeus empor. Allein der edle Odu&#x0364;ßeus<lb/>
Schnellte zugleich den Pfeil, und traf ihm die Mitte des Bu&#x017F;ens:<lb/>
Tief in die Leber fuhr der gefiederte Pfeil; aus der Rechten<lb/>
Fiel ihm das Schwert; und er &#x017F;tu&#x0364;rzte, mit &#x017F;tro&#x0364;mendem Blute be&#x017F;udelt,<lb/>
Taumelnd u&#x0364;ber den Ti&#x017F;ch, und warf die Spei&#x017F;en zur Erde<note place="right">85</note><lb/>
Samt dem doppelten Becher, und &#x017F;chlug mit der Stirne den Boden,<lb/>
In der ent&#x017F;ezlichen Ang&#x017F;t; mit beiden zappelnden Fu&#x0364;ßen<lb/>
Stu&#x0364;rzt' er den Seßel herum, und die brechenden Augen um&#x017F;chloß Nacht.</p><lb/>
        <p>Aber Am&#x017F;inomos &#x017F;prang zu dem hochberu&#x0364;hmten Odu&#x0364;ßeus<lb/>
Stu&#x0364;rmend hinan, und &#x017F;chwung das blinkende Schwert in der Rechten,<note place="right">90</note><lb/>
Ihn von der Pforte zu treiben. Doch mitten im &#x017F;tu&#x0364;rmenden Angriff<lb/>
Rannte Ta&#x0364;lemachos ihm von hinten die eherne Lanze<lb/>
Zwi&#x017F;chen die Schultern hinein, daß vorn die Spize hervordrang.<lb/>
To&#x0364;nend &#x017F;tu&#x0364;rzt' er dahin, und &#x017F;chlug mit der Stirne den Boden.<lb/>
Aber Ta&#x0364;lemachos floh, und ließ in Am&#x017F;inomos Schulter<note place="right">95</note><lb/>
Seinen gewaltigen Speer; denn er fu&#x0364;rchtete, daß ein Achaier,<lb/>
Wenn er die Lanze herausarbeitete, gegen ihn &#x017F;tu&#x0364;rzend,<lb/>
Ihn mit ge&#x017F;chliffenem Schwert durch&#x017F;ta&#x0364;che, oder zerhaute.<lb/>
Eilend lief er, und floh zu dem lieben Vater Odu&#x0364;ßeus,<lb/>
Stellte &#x017F;ich nahe bei ihn, und &#x017F;prach die geflu&#x0364;gelten Worte:<note place="right">100</note></p><lb/>
        <p>Vater, ich hole ge&#x017F;chwinde dir einen Schild und zwo Lanzen,<lb/>
Und den ehernen Helm, der deiner Schla&#x0364;fe gerecht i&#x017F;t;<lb/>
Ru&#x0364;&#x017F;te mich &#x017F;elber alsdann, und bringe den Hirten Eumaios<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[419/0425] Zweiundzwanzigſter Geſang. Gegen ihn an! Denn vertrieben wir ihn von der Schwell' und der Pforte, Und durchliefen die Stadt; dann erhuͤbe ſich ploͤzlich ein Aufruhr, Und bald haͤtte der Mann die lezten Pfeile verſendet! Als er dieſes geſagt, da zog er das eherne ſcharfe Und zweiſchneidige Schwert, und ſprang mit graͤßlichem Schreien Gegen Oduͤßeus empor. Allein der edle Oduͤßeus Schnellte zugleich den Pfeil, und traf ihm die Mitte des Buſens: Tief in die Leber fuhr der gefiederte Pfeil; aus der Rechten Fiel ihm das Schwert; und er ſtuͤrzte, mit ſtroͤmendem Blute beſudelt, Taumelnd uͤber den Tiſch, und warf die Speiſen zur Erde Samt dem doppelten Becher, und ſchlug mit der Stirne den Boden, In der entſezlichen Angſt; mit beiden zappelnden Fuͤßen Stuͤrzt' er den Seßel herum, und die brechenden Augen umſchloß Nacht. 80 85 Aber Amſinomos ſprang zu dem hochberuͤhmten Oduͤßeus Stuͤrmend hinan, und ſchwung das blinkende Schwert in der Rechten, Ihn von der Pforte zu treiben. Doch mitten im ſtuͤrmenden Angriff Rannte Taͤlemachos ihm von hinten die eherne Lanze Zwiſchen die Schultern hinein, daß vorn die Spize hervordrang. Toͤnend ſtuͤrzt' er dahin, und ſchlug mit der Stirne den Boden. Aber Taͤlemachos floh, und ließ in Amſinomos Schulter Seinen gewaltigen Speer; denn er fuͤrchtete, daß ein Achaier, Wenn er die Lanze herausarbeitete, gegen ihn ſtuͤrzend, Ihn mit geſchliffenem Schwert durchſtaͤche, oder zerhaute. Eilend lief er, und floh zu dem lieben Vater Oduͤßeus, Stellte ſich nahe bei ihn, und ſprach die gefluͤgelten Worte: 90 95 100 Vater, ich hole geſchwinde dir einen Schild und zwo Lanzen, Und den ehernen Helm, der deiner Schlaͤfe gerecht iſt; Ruͤſte mich ſelber alsdann, und bringe den Hirten Eumaios

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/425
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/425>, abgerufen am 22.11.2024.