Daß er mich dann heimführe, und zur Gemahlin bekomme? Schwerlich heget er selbst im Herzen solche Gedanken! Und auch keinen von euch bekümmere diese Vermutung Unter den Freuden des Mahls! Unmöglich ist es, unmöglich!
Aber Polübos Sohn Eurümachos sagte dagegen: 320 O Ikarios Tochter, du kluge Pänelopeia, Daß du ihn nehmest, besorgt wohl keiner; es wäre nicht möglich! Sondern wir fürchten nur das Gerede der Männer und Weiber. Künftig spräche vielleicht der schlechteste aller Achaier: Weichliche Männer werben um jenes gewaltigen Mannes 325 Gattin; denn keiner vermag den glatten Bogen zu spannen: Aber ein Anderer kam, ein armer irrender Fremdling, Spannte den Bogen leicht, und schnellte den Pfeil durch die Aexte! Also sprächen sie dann, und es wär' uns ewige Schande!
Ihm antwortete drauf die kluge Pänelopeia: 330 Ganz unmöglich ist es, Eurümachos, daß man im Volke Gutes rede von Leuten, die jenes treflichen Mannes Haus durch Schwelgen entweihn! Doch was achtet ihr Jenes für Schande? Seht den Fremdling nur an, wie groß und stark er gebaut ist; Und er stammt, wie er sagt, aus einem edlen Geschlechte. 335 Aber wohlan! gebt ihm den schöngeglätteten Bogen! Denn ich verkündige jezt, und das wird wahrlich erfüllet: Spannt der Fremdling den Bogen, und schenkt Apollon ihm Ehre; Will ich mit schönen Gewanden, mit Rock und Mantel, ihn kleiden, Einen Speer ihm verehren, den Schrecken der Menschen und Hunde, 340 Ein zweischneidiges Schwert, und Solen unter die Füße, Und ihn senden, wohin es seinem Herzen gelüstet.
Und der verständige Jüngling Tälemachos sagte dagegen:
Einundzwanzigſter Geſang.
Daß er mich dann heimfuͤhre, und zur Gemahlin bekomme? Schwerlich heget er ſelbſt im Herzen ſolche Gedanken! Und auch keinen von euch bekuͤmmere dieſe Vermutung Unter den Freuden des Mahls! Unmoͤglich iſt es, unmoͤglich!
Aber Poluͤbos Sohn Euruͤmachos ſagte dagegen: 320 O Ikarios Tochter, du kluge Paͤnelopeia, Daß du ihn nehmeſt, beſorgt wohl keiner; es waͤre nicht moͤglich! Sondern wir fuͤrchten nur das Gerede der Maͤnner und Weiber. Kuͤnftig ſpraͤche vielleicht der ſchlechteſte aller Achaier: Weichliche Maͤnner werben um jenes gewaltigen Mannes 325 Gattin; denn keiner vermag den glatten Bogen zu ſpannen: Aber ein Anderer kam, ein armer irrender Fremdling, Spannte den Bogen leicht, und ſchnellte den Pfeil durch die Aexte! Alſo ſpraͤchen ſie dann, und es waͤr' uns ewige Schande!
Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: 330 Ganz unmoͤglich iſt es, Euruͤmachos, daß man im Volke Gutes rede von Leuten, die jenes treflichen Mannes Haus durch Schwelgen entweihn! Doch was achtet ihr Jenes fuͤr Schande? Seht den Fremdling nur an, wie groß und ſtark er gebaut iſt; Und er ſtammt, wie er ſagt, aus einem edlen Geſchlechte. 335 Aber wohlan! gebt ihm den ſchoͤngeglaͤtteten Bogen! Denn ich verkuͤndige jezt, und das wird wahrlich erfuͤllet: Spannt der Fremdling den Bogen, und ſchenkt Apollon ihm Ehre; Will ich mit ſchoͤnen Gewanden, mit Rock und Mantel, ihn kleiden, Einen Speer ihm verehren, den Schrecken der Menſchen und Hunde, 340 Ein zweiſchneidiges Schwert, und Solen unter die Fuͤße, Und ihn ſenden, wohin es ſeinem Herzen geluͤſtet.
Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:
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Einundzwanzigſter Geſang.
Daß er mich dann heimfuͤhre, und zur Gemahlin bekomme?
Schwerlich heget er ſelbſt im Herzen ſolche Gedanken!
Und auch keinen von euch bekuͤmmere dieſe Vermutung
Unter den Freuden des Mahls! Unmoͤglich iſt es, unmoͤglich!
Aber Poluͤbos Sohn Euruͤmachos ſagte dagegen:
O Ikarios Tochter, du kluge Paͤnelopeia,
Daß du ihn nehmeſt, beſorgt wohl keiner; es waͤre nicht moͤglich!
Sondern wir fuͤrchten nur das Gerede der Maͤnner und Weiber.
Kuͤnftig ſpraͤche vielleicht der ſchlechteſte aller Achaier:
Weichliche Maͤnner werben um jenes gewaltigen Mannes
Gattin; denn keiner vermag den glatten Bogen zu ſpannen:
Aber ein Anderer kam, ein armer irrender Fremdling,
Spannte den Bogen leicht, und ſchnellte den Pfeil durch die Aexte!
Alſo ſpraͤchen ſie dann, und es waͤr' uns ewige Schande!
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Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia:
Ganz unmoͤglich iſt es, Euruͤmachos, daß man im Volke
Gutes rede von Leuten, die jenes treflichen Mannes
Haus durch Schwelgen entweihn! Doch was achtet ihr Jenes fuͤr Schande?
Seht den Fremdling nur an, wie groß und ſtark er gebaut iſt;
Und er ſtammt, wie er ſagt, aus einem edlen Geſchlechte.
Aber wohlan! gebt ihm den ſchoͤngeglaͤtteten Bogen!
Denn ich verkuͤndige jezt, und das wird wahrlich erfuͤllet:
Spannt der Fremdling den Bogen, und ſchenkt Apollon ihm Ehre;
Will ich mit ſchoͤnen Gewanden, mit Rock und Mantel, ihn kleiden,
Einen Speer ihm verehren, den Schrecken der Menſchen und Hunde,
Ein zweiſchneidiges Schwert, und Solen unter die Fuͤße,
Und ihn ſenden, wohin es ſeinem Herzen geluͤſtet.
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Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:
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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/417>, abgerufen am 22.11.2024.
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