Alle mit Schwämmen rein; dann spült die künstlichgegoßnen Doppelbecher und Kelche mir aus! Ihr übrigen aber Holet Waßer vom Quell; doch daß ihr nur eilig zurückkommt! Heute zögern gewiß die Freier nicht lange, sie werden 155 Frühe sich hier versammlen; denn heut ist der heilige Neumond!
Also sprach sie; ihr hörten die Mägde mit Fleiß, und gehorchten. Zwanzig eileten schnell zum Waßer der schattichten Quelle, Und die andern im Saale vollendeten klüglich die Arbeit. Jezo kamen ins Haus der Freier mutige Diener, 160 Welche das Holz geschickt zerspalteten; und von der Quelle Kamen die Weiber zurück. Auch kam der trefliche Sauhirt, Der drei Schweine, die beßten der ganzen Heerde, hereintrieb. Diese ließ er weidend im schönen Hofe herumgehn, Trat dann selbst zu Odüßeus, und sprach die freundlichen Worte: 165
Fremdling, hast du anizt mehr Ansehn vor den Achaiern? Oder verschmähen sie dich, wie vormals, hier im Palaste?
Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odüßeus: Ach, Eumaios, bestraften doch einst die Götter den Frevel Dieser verruchten Empörer, die hier im fremden Palaste 170 Schändliche Gräuel verüben, und Scham und Ehre verachten!
Also besprachen diese sich jezo unter einander. Und es nahte sich ihnen der Ziegenhirte Melantheus, Welcher die treflichsten Ziegen der ganzen Heerde den Freiern Brachte zum Schmaus; es begleiteten ihn zween andere Hirten. 175 Diese banden sie fest dort unter der tönenden Halle, Aber Melanthios sprach zu Odüßeus die schmähenden Worte:
Fremdling, du willst noch jezo in diesem Hause die Männer Durch dein Betteln beschweren? und nie zur Thüre hinausgehn?
Oduͤßee.
Alle mit Schwaͤmmen rein; dann ſpuͤlt die kuͤnſtlichgegoßnen Doppelbecher und Kelche mir aus! Ihr uͤbrigen aber Holet Waßer vom Quell; doch daß ihr nur eilig zuruͤckkommt! Heute zoͤgern gewiß die Freier nicht lange, ſie werden 155 Fruͤhe ſich hier verſammlen; denn heut iſt der heilige Neumond!
Alſo ſprach ſie; ihr hoͤrten die Maͤgde mit Fleiß, und gehorchten. Zwanzig eileten ſchnell zum Waßer der ſchattichten Quelle, Und die andern im Saale vollendeten kluͤglich die Arbeit. Jezo kamen ins Haus der Freier mutige Diener, 160 Welche das Holz geſchickt zerſpalteten; und von der Quelle Kamen die Weiber zuruͤck. Auch kam der trefliche Sauhirt, Der drei Schweine, die beßten der ganzen Heerde, hereintrieb. Dieſe ließ er weidend im ſchoͤnen Hofe herumgehn, Trat dann ſelbſt zu Oduͤßeus, und ſprach die freundlichen Worte: 165
Fremdling, haſt du anizt mehr Anſehn vor den Achaiern? Oder verſchmaͤhen ſie dich, wie vormals, hier im Palaſte?
Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Ach, Eumaios, beſtraften doch einſt die Goͤtter den Frevel Dieſer verruchten Empoͤrer, die hier im fremden Palaſte 170 Schaͤndliche Graͤuel veruͤben, und Scham und Ehre verachten!
Alſo beſprachen dieſe ſich jezo unter einander. Und es nahte ſich ihnen der Ziegenhirte Melantheus, Welcher die treflichſten Ziegen der ganzen Heerde den Freiern Brachte zum Schmaus; es begleiteten ihn zween andere Hirten. 175 Dieſe banden ſie feſt dort unter der toͤnenden Halle, Aber Melanthios ſprach zu Oduͤßeus die ſchmaͤhenden Worte:
Fremdling, du willſt noch jezo in dieſem Hauſe die Maͤnner Durch dein Betteln beſchweren? und nie zur Thuͤre hinausgehn?
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Oduͤßee.
Alle mit Schwaͤmmen rein; dann ſpuͤlt die kuͤnſtlichgegoßnen
Doppelbecher und Kelche mir aus! Ihr uͤbrigen aber
Holet Waßer vom Quell; doch daß ihr nur eilig zuruͤckkommt!
Heute zoͤgern gewiß die Freier nicht lange, ſie werden
Fruͤhe ſich hier verſammlen; denn heut iſt der heilige Neumond!
155
Alſo ſprach ſie; ihr hoͤrten die Maͤgde mit Fleiß, und gehorchten.
Zwanzig eileten ſchnell zum Waßer der ſchattichten Quelle,
Und die andern im Saale vollendeten kluͤglich die Arbeit.
Jezo kamen ins Haus der Freier mutige Diener,
Welche das Holz geſchickt zerſpalteten; und von der Quelle
Kamen die Weiber zuruͤck. Auch kam der trefliche Sauhirt,
Der drei Schweine, die beßten der ganzen Heerde, hereintrieb.
Dieſe ließ er weidend im ſchoͤnen Hofe herumgehn,
Trat dann ſelbſt zu Oduͤßeus, und ſprach die freundlichen Worte:
160
165
Fremdling, haſt du anizt mehr Anſehn vor den Achaiern?
Oder verſchmaͤhen ſie dich, wie vormals, hier im Palaſte?
Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:
Ach, Eumaios, beſtraften doch einſt die Goͤtter den Frevel
Dieſer verruchten Empoͤrer, die hier im fremden Palaſte
Schaͤndliche Graͤuel veruͤben, und Scham und Ehre verachten!
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Alſo beſprachen dieſe ſich jezo unter einander.
Und es nahte ſich ihnen der Ziegenhirte Melantheus,
Welcher die treflichſten Ziegen der ganzen Heerde den Freiern
Brachte zum Schmaus; es begleiteten ihn zween andere Hirten.
Dieſe banden ſie feſt dort unter der toͤnenden Halle,
Aber Melanthios ſprach zu Oduͤßeus die ſchmaͤhenden Worte:
175
Fremdling, du willſt noch jezo in dieſem Hauſe die Maͤnner
Durch dein Betteln beſchweren? und nie zur Thuͤre hinausgehn?
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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/396>, abgerufen am 23.11.2024.
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