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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Zwanzigster Gesang.
In dem Palaste zurück; da nährte sie Afroditä
Mit geronnener Milch und süßem Honig und Weine.
Ihnen schenkte dann Härä vor allen sterblichen Weibern 70
Schönheit und klugen Verstand, die keusche Artemis Größe,
Und Athänä die Kunde des Webestuhls und der Nadel.
Aber da einst Afroditä zum großen Olümpos emporstieg,
Daß der Donnerer Zeus den lieblichen Tag der Hochzeit
Ihren Mädchen gewährte; (denn deßen ewige Vorsicht 75
Lenkt allwißend das Glück und Unglück sterblicher Menschen:)
Raubten indeß die Harpüen Pandareos Töchter, und schenkten
Sie den verhaßten Erinnen zu harter sklavischer Arbeit.
Führten die Himmlischen so auch mich aus der Kunde der Menschen!
Oder entseelte mich Artemis Pfeil! damit ich, Odüßeus 80
Bild im Herzen, nur unter die traurige Erde versänke,
Eh ich die schnöde Begierd' eines schlechteren Mannes gesättigt!
Ach! zu erdulden ist noch immer das Leiden, wenn jemand
Zwar die Tage durchweint und jammert, aber die Nächte
Ruhiger Schlummer beherscht; denn dieser tilgt aus dem Herzen 85
Alles, Gutes und Böses, sobald er die Augen umschattet:
Doch mir sendet auch Nachts ein Dämon schreckende Träume!
Eben schlief es wieder bei mir, ganz ähnlich ihm selber,
Wie er gen Ilion fuhr; und ich Arme freute mich herzlich,
Denn ich hielt es nicht für ein Traumbild, sondern für Wahrheit. 90

Also sprach sie; da kam die goldenthronende Aeos.
Und der Weinenden Stimme vernahm der edle Odüßeus.
Aengstlich sann er umher; ihn daucht' im Herzen, sie stünde
Ihn erkennend bereits zu seinem Haupte. Da nahm er
Hurtig Mantel und Felle, worauf er ruhte, zusammen, 95

Zwanzigſter Geſang.
In dem Palaſte zuruͤck; da naͤhrte ſie Afroditaͤ
Mit geronnener Milch und ſuͤßem Honig und Weine.
Ihnen ſchenkte dann Haͤraͤ vor allen ſterblichen Weibern 70
Schoͤnheit und klugen Verſtand, die keuſche Artemis Groͤße,
Und Athaͤnaͤ die Kunde des Webeſtuhls und der Nadel.
Aber da einſt Afroditaͤ zum großen Oluͤmpos emporſtieg,
Daß der Donnerer Zeus den lieblichen Tag der Hochzeit
Ihren Maͤdchen gewaͤhrte; (denn deßen ewige Vorſicht 75
Lenkt allwißend das Gluͤck und Ungluͤck ſterblicher Menſchen:)
Raubten indeß die Harpuͤen Pandareos Toͤchter, und ſchenkten
Sie den verhaßten Erinnen zu harter ſklaviſcher Arbeit.
Fuͤhrten die Himmliſchen ſo auch mich aus der Kunde der Menſchen!
Oder entſeelte mich Artemis Pfeil! damit ich, Oduͤßeus 80
Bild im Herzen, nur unter die traurige Erde verſaͤnke,
Eh ich die ſchnoͤde Begierd' eines ſchlechteren Mannes geſaͤttigt!
Ach! zu erdulden iſt noch immer das Leiden, wenn jemand
Zwar die Tage durchweint und jammert, aber die Naͤchte
Ruhiger Schlummer beherſcht; denn dieſer tilgt aus dem Herzen 85
Alles, Gutes und Boͤſes, ſobald er die Augen umſchattet:
Doch mir ſendet auch Nachts ein Daͤmon ſchreckende Traͤume!
Eben ſchlief es wieder bei mir, ganz aͤhnlich ihm ſelber,
Wie er gen Ilion fuhr; und ich Arme freute mich herzlich,
Denn ich hielt es nicht fuͤr ein Traumbild, ſondern fuͤr Wahrheit. 90

Alſo ſprach ſie; da kam die goldenthronende Aeos.
Und der Weinenden Stimme vernahm der edle Oduͤßeus.
Aengſtlich ſann er umher; ihn daucht' im Herzen, ſie ſtuͤnde
Ihn erkennend bereits zu ſeinem Haupte. Da nahm er
Hurtig Mantel und Felle, worauf er ruhte, zuſammen, 95

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[387/0393] Zwanzigſter Geſang. In dem Palaſte zuruͤck; da naͤhrte ſie Afroditaͤ Mit geronnener Milch und ſuͤßem Honig und Weine. Ihnen ſchenkte dann Haͤraͤ vor allen ſterblichen Weibern Schoͤnheit und klugen Verſtand, die keuſche Artemis Groͤße, Und Athaͤnaͤ die Kunde des Webeſtuhls und der Nadel. Aber da einſt Afroditaͤ zum großen Oluͤmpos emporſtieg, Daß der Donnerer Zeus den lieblichen Tag der Hochzeit Ihren Maͤdchen gewaͤhrte; (denn deßen ewige Vorſicht Lenkt allwißend das Gluͤck und Ungluͤck ſterblicher Menſchen:) Raubten indeß die Harpuͤen Pandareos Toͤchter, und ſchenkten Sie den verhaßten Erinnen zu harter ſklaviſcher Arbeit. Fuͤhrten die Himmliſchen ſo auch mich aus der Kunde der Menſchen! Oder entſeelte mich Artemis Pfeil! damit ich, Oduͤßeus Bild im Herzen, nur unter die traurige Erde verſaͤnke, Eh ich die ſchnoͤde Begierd' eines ſchlechteren Mannes geſaͤttigt! Ach! zu erdulden iſt noch immer das Leiden, wenn jemand Zwar die Tage durchweint und jammert, aber die Naͤchte Ruhiger Schlummer beherſcht; denn dieſer tilgt aus dem Herzen Alles, Gutes und Boͤſes, ſobald er die Augen umſchattet: Doch mir ſendet auch Nachts ein Daͤmon ſchreckende Traͤume! Eben ſchlief es wieder bei mir, ganz aͤhnlich ihm ſelber, Wie er gen Ilion fuhr; und ich Arme freute mich herzlich, Denn ich hielt es nicht fuͤr ein Traumbild, ſondern fuͤr Wahrheit. 70 75 80 85 90 Alſo ſprach ſie; da kam die goldenthronende Aeos. Und der Weinenden Stimme vernahm der edle Oduͤßeus. Aengſtlich ſann er umher; ihn daucht' im Herzen, ſie ſtuͤnde Ihn erkennend bereits zu ſeinem Haupte. Da nahm er Hurtig Mantel und Felle, worauf er ruhte, zuſammen, 95

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/393>, abgerufen am 22.11.2024.