Aber im Vorsaal lagerte sich der edle Odüßeus. Ueber die rohe Haut des Stieres breitet' er viele Wollichte Felle der Schafe vom üppigen Schmause der Freier; Und Eurünomä deckte den Ruhenden zu mit dem Mantel. Alda lag Odüßeus, und sann dem Verderben der Freier 5 Wachend nach. Nun gingen die Weiber aus dem Palaste, Welche schon ehemals mit den Freiern hatten geschaltet, Und belustigten sich, und lachten unter einander. Aber dem Könige ward sein Herz im Busen erreget; Und er bedachte sich hin und her, mit wankendem Vorsaz: 10 Ob er sich plözlich erhübe, die Frechen alle zu tödten; Oder ihnen noch Einmal zum allerlezten erlaubte, Mit den Freiern zu schalten. Im Innersten bellte sein Herz ihm: So wie die mutige Hündin, die zarten Jungen umwandelnd, Jemand, den sie nicht kennt, anbellt, und zum Kampfe hervorspringt. 15 Also bellte sein Herz, durch die schändlichen Gräuel erbittert. Aber er schlug an die Brust, und sprach die zürnenden Worte:
Dulde, mein Herz! Du hast noch härtere Kränkung erduldet, Damals, als der Küklop, das Ungeheuer! die lieben Tapfern Freunde dir fraß. Du duldest, bis dich ein Anschlag 20
Oduͤßee. Zwanzigſter Geſang.
Aber im Vorſaal lagerte ſich der edle Oduͤßeus. Ueber die rohe Haut des Stieres breitet' er viele Wollichte Felle der Schafe vom uͤppigen Schmauſe der Freier; Und Euruͤnomaͤ deckte den Ruhenden zu mit dem Mantel. Alda lag Oduͤßeus, und ſann dem Verderben der Freier 5 Wachend nach. Nun gingen die Weiber aus dem Palaſte, Welche ſchon ehemals mit den Freiern hatten geſchaltet, Und beluſtigten ſich, und lachten unter einander. Aber dem Koͤnige ward ſein Herz im Buſen erreget; Und er bedachte ſich hin und her, mit wankendem Vorſaz: 10 Ob er ſich ploͤzlich erhuͤbe, die Frechen alle zu toͤdten; Oder ihnen noch Einmal zum allerlezten erlaubte, Mit den Freiern zu ſchalten. Im Innerſten bellte ſein Herz ihm: So wie die mutige Huͤndin, die zarten Jungen umwandelnd, Jemand, den ſie nicht kennt, anbellt, und zum Kampfe hervorſpringt. 15 Alſo bellte ſein Herz, durch die ſchaͤndlichen Graͤuel erbittert. Aber er ſchlug an die Bruſt, und ſprach die zuͤrnenden Worte:
Dulde, mein Herz! Du haſt noch haͤrtere Kraͤnkung erduldet, Damals, als der Kuͤklop, das Ungeheuer! die lieben Tapfern Freunde dir fraß. Du duldeſt, bis dich ein Anſchlag 20
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Oduͤßee.
Zwanzigſter Geſang.
Aber im Vorſaal lagerte ſich der edle Oduͤßeus.
Ueber die rohe Haut des Stieres breitet' er viele
Wollichte Felle der Schafe vom uͤppigen Schmauſe der Freier;
Und Euruͤnomaͤ deckte den Ruhenden zu mit dem Mantel.
Alda lag Oduͤßeus, und ſann dem Verderben der Freier
Wachend nach. Nun gingen die Weiber aus dem Palaſte,
Welche ſchon ehemals mit den Freiern hatten geſchaltet,
Und beluſtigten ſich, und lachten unter einander.
Aber dem Koͤnige ward ſein Herz im Buſen erreget;
Und er bedachte ſich hin und her, mit wankendem Vorſaz:
Ob er ſich ploͤzlich erhuͤbe, die Frechen alle zu toͤdten;
Oder ihnen noch Einmal zum allerlezten erlaubte,
Mit den Freiern zu ſchalten. Im Innerſten bellte ſein Herz ihm:
So wie die mutige Huͤndin, die zarten Jungen umwandelnd,
Jemand, den ſie nicht kennt, anbellt, und zum Kampfe hervorſpringt.
Alſo bellte ſein Herz, durch die ſchaͤndlichen Graͤuel erbittert.
Aber er ſchlug an die Bruſt, und ſprach die zuͤrnenden Worte:
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Dulde, mein Herz! Du haſt noch haͤrtere Kraͤnkung erduldet,
Damals, als der Kuͤklop, das Ungeheuer! die lieben
Tapfern Freunde dir fraß. Du duldeſt, bis dich ein Anſchlag
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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/390>, abgerufen am 24.11.2024.
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