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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Neunzehnter Gesang.
Halt es geheim, damit es im Hause keiner erfahre!
Denn ich sage dir sonst, und das wird wahrlich erfüllet!
Wenn mir Gott die Vertilgung der stolzen Freier gewähret,
Siehe dann werd' ich auch deiner, die mich gesäuget, nicht schonen;
Sondern ich tödte dich selbst mit den übrigen Weibern im Hause! 490

Ihm antwortete drauf die verständige Eurükleia:
Welche Rede, mein Kind, ist deinen Lippen entflohen?
Weißt du nicht selbst, wie stark und unerschüttert mein Herz ist?
Fest, wie Eisen und Stein, will ich das Geheimniß bewahren!
Eins verkünd' ich dir noch, und du nim solches zu Herzen: 495
Wann dir Gott die Vertilgung der stolzen Freier gewähret,
Siehe, dann will ich selbst die Weiber im Hause dir nennen,
Alle, die dich verrathen, und die unsträflich geblieben.

Ihr antwortete drauf der erfindungreiche Odüßeus:
Mütterchen, warum willst du sie nennen? Es ist ja nicht nöthig. 500
Kann ich nicht selbst aufmerken, und ihre Gesinnungen prüfen?
Aber verschweig die Sache, und überlaß sie den Göttern.

Also sprach er. Da eilte die Pflegerin aus dem Gemache,
Anderes Waßer zu holen; das erste war alles verschüttet.
Als sie ihn jezo gewaschen, und drauf mit Oele gesalbet; 505
Nahm Odüßeus den Stuhl, und zog ihn näher ans Feuer,
Sich zu wärmen, und bedeckte mit seinen Lumpen die Narbe.
Drauf begann das Gespräch die verständige Pänelopeia:

Fremdling, ich will dich jezo nur noch ein weniges fragen;
Denn es nahet bereits die Stunde der lieblichen Ruhe, 510
Wem sein Leiden vergönnt, in süßem Schlummer zu ruhen.
Aber mich Arme belastet ein unermeßlicher Jammer!
Meine Freude des Tags ist, unter Thränen und Seufzern

Neunzehnter Geſang.
Halt es geheim, damit es im Hauſe keiner erfahre!
Denn ich ſage dir ſonſt, und das wird wahrlich erfuͤllet!
Wenn mir Gott die Vertilgung der ſtolzen Freier gewaͤhret,
Siehe dann werd' ich auch deiner, die mich geſaͤuget, nicht ſchonen;
Sondern ich toͤdte dich ſelbſt mit den uͤbrigen Weibern im Hauſe! 490

Ihm antwortete drauf die verſtaͤndige Euruͤkleia:
Welche Rede, mein Kind, iſt deinen Lippen entflohen?
Weißt du nicht ſelbſt, wie ſtark und unerſchuͤttert mein Herz iſt?
Feſt, wie Eiſen und Stein, will ich das Geheimniß bewahren!
Eins verkuͤnd' ich dir noch, und du nim ſolches zu Herzen: 495
Wann dir Gott die Vertilgung der ſtolzen Freier gewaͤhret,
Siehe, dann will ich ſelbſt die Weiber im Hauſe dir nennen,
Alle, die dich verrathen, und die unſtraͤflich geblieben.

Ihr antwortete drauf der erfindungreiche Oduͤßeus:
Muͤtterchen, warum willſt du ſie nennen? Es iſt ja nicht noͤthig. 500
Kann ich nicht ſelbſt aufmerken, und ihre Geſinnungen pruͤfen?
Aber verſchweig die Sache, und uͤberlaß ſie den Goͤttern.

Alſo ſprach er. Da eilte die Pflegerin aus dem Gemache,
Anderes Waßer zu holen; das erſte war alles verſchuͤttet.
Als ſie ihn jezo gewaſchen, und drauf mit Oele geſalbet; 505
Nahm Oduͤßeus den Stuhl, und zog ihn naͤher ans Feuer,
Sich zu waͤrmen, und bedeckte mit ſeinen Lumpen die Narbe.
Drauf begann das Geſpraͤch die verſtaͤndige Paͤnelopeia:

Fremdling, ich will dich jezo nur noch ein weniges fragen;
Denn es nahet bereits die Stunde der lieblichen Ruhe, 510
Wem ſein Leiden vergoͤnnt, in ſuͤßem Schlummer zu ruhen.
Aber mich Arme belaſtet ein unermeßlicher Jammer!
Meine Freude des Tags iſt, unter Thraͤnen und Seufzern

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[379/0385] Neunzehnter Geſang. Halt es geheim, damit es im Hauſe keiner erfahre! Denn ich ſage dir ſonſt, und das wird wahrlich erfuͤllet! Wenn mir Gott die Vertilgung der ſtolzen Freier gewaͤhret, Siehe dann werd' ich auch deiner, die mich geſaͤuget, nicht ſchonen; Sondern ich toͤdte dich ſelbſt mit den uͤbrigen Weibern im Hauſe! 490 Ihm antwortete drauf die verſtaͤndige Euruͤkleia: Welche Rede, mein Kind, iſt deinen Lippen entflohen? Weißt du nicht ſelbſt, wie ſtark und unerſchuͤttert mein Herz iſt? Feſt, wie Eiſen und Stein, will ich das Geheimniß bewahren! Eins verkuͤnd' ich dir noch, und du nim ſolches zu Herzen: Wann dir Gott die Vertilgung der ſtolzen Freier gewaͤhret, Siehe, dann will ich ſelbſt die Weiber im Hauſe dir nennen, Alle, die dich verrathen, und die unſtraͤflich geblieben. 495 Ihr antwortete drauf der erfindungreiche Oduͤßeus: Muͤtterchen, warum willſt du ſie nennen? Es iſt ja nicht noͤthig. Kann ich nicht ſelbſt aufmerken, und ihre Geſinnungen pruͤfen? Aber verſchweig die Sache, und uͤberlaß ſie den Goͤttern. 500 Alſo ſprach er. Da eilte die Pflegerin aus dem Gemache, Anderes Waßer zu holen; das erſte war alles verſchuͤttet. Als ſie ihn jezo gewaſchen, und drauf mit Oele geſalbet; Nahm Oduͤßeus den Stuhl, und zog ihn naͤher ans Feuer, Sich zu waͤrmen, und bedeckte mit ſeinen Lumpen die Narbe. Drauf begann das Geſpraͤch die verſtaͤndige Paͤnelopeia: 505 Fremdling, ich will dich jezo nur noch ein weniges fragen; Denn es nahet bereits die Stunde der lieblichen Ruhe, Wem ſein Leiden vergoͤnnt, in ſuͤßem Schlummer zu ruhen. Aber mich Arme belaſtet ein unermeßlicher Jammer! Meine Freude des Tags iſt, unter Thraͤnen und Seufzern 510

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/385>, abgerufen am 24.11.2024.