Ihm antwortete drauf die kluge Pänelopeia: Lieber Gast! denn nie ist solch ein verständiger Fremdling, 350 Nie ein wehrterer Gast in meine Wohnung gekommen: So verständig und klug ist alles, was du auch sagest! Ja, ich hab' eine alte und sehr vernünftige Frau hier, Welche die Pflegerin war des unglückseligen Mannes, Und in die Arme ihn nahm, sobald ihn die Mutter geboren: 355 Diese wird, so schwach sie auch ist, die Füße dir waschen. Auf denn, und wasche den Greis, du redliche Eurükleia! Er ist gleiches Alters mit deinem Herren. Vielleicht sind Jezt Odüßeus Händ' und Füße schon eben so kraftlos. Denn im Unglück altern die armen Sterblichen frühe. 360
Also sprach sie. Die Alte verbarg mit den Händen ihr Antliz, Heiße Thränen vergießend, und sprach mit jammernder Stimme:
Wehe mir, wehe, mein Sohn! Ich Verlaßene! Also verwarf dich Zeus vor allen Menschen, so gottesfürchtig dein Herz ist? Denn kein Sterblicher hat dem Gotte des Donners so viele 365 Fette Lenden verbrannt und erlesene Heka[t]omben, Als du jenem geweiht, im Vertraun, ein ruhiges Alter Einst zu erreichen, und selber den edlen Sohn zu erziehen! Und nun raubt er dir gänzlich den Tag der fröhlichen Heimkehr! Ach! es höhnten vielleicht auch ihn in der Fremde die Weiber, 370 Wann er hülfeflehend der Mächtigen Häuser besuchte; Eben wie dich, o Fremdling, die Hündinnen alle verhöhnen, Deren Schimpf und Spott zu vermeiden du jezo dich weigerst, Daß sie die Füße dir waschen. Doch mich, die willig gehorchet, Heißt es Ikarios Tochter, die kluge Pänelopeia. 375 Und nicht Pänelopeiens, auch deinenthalben, o Fremdling,
Oduͤßee.
Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: Lieber Gaſt! denn nie iſt ſolch ein verſtaͤndiger Fremdling, 350 Nie ein wehrterer Gaſt in meine Wohnung gekommen: So verſtaͤndig und klug iſt alles, was du auch ſageſt! Ja, ich hab' eine alte und ſehr vernuͤnftige Frau hier, Welche die Pflegerin war des ungluͤckſeligen Mannes, Und in die Arme ihn nahm, ſobald ihn die Mutter geboren: 355 Dieſe wird, ſo ſchwach ſie auch iſt, die Fuͤße dir waſchen. Auf denn, und waſche den Greis, du redliche Euruͤkleia! Er iſt gleiches Alters mit deinem Herren. Vielleicht ſind Jezt Oduͤßeus Haͤnd' und Fuͤße ſchon eben ſo kraftlos. Denn im Ungluͤck altern die armen Sterblichen fruͤhe. 360
Alſo ſprach ſie. Die Alte verbarg mit den Haͤnden ihr Antliz, Heiße Thraͤnen vergießend, und ſprach mit jammernder Stimme:
Wehe mir, wehe, mein Sohn! Ich Verlaßene! Alſo verwarf dich Zeus vor allen Menſchen, ſo gottesfuͤrchtig dein Herz iſt? Denn kein Sterblicher hat dem Gotte des Donners ſo viele 365 Fette Lenden verbrannt und erleſene Heka[t]omben, Als du jenem geweiht, im Vertraun, ein ruhiges Alter Einſt zu erreichen, und ſelber den edlen Sohn zu erziehen! Und nun raubt er dir gaͤnzlich den Tag der froͤhlichen Heimkehr! Ach! es hoͤhnten vielleicht auch ihn in der Fremde die Weiber, 370 Wann er huͤlfeflehend der Maͤchtigen Haͤuſer beſuchte; Eben wie dich, o Fremdling, die Huͤndinnen alle verhoͤhnen, Deren Schimpf und Spott zu vermeiden du jezo dich weigerſt, Daß ſie die Fuͤße dir waſchen. Doch mich, die willig gehorchet, Heißt es Ikarios Tochter, die kluge Paͤnelopeia. 375 Und nicht Paͤnelopeiens, auch deinenthalben, o Fremdling,
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Oduͤßee.
Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia:
Lieber Gaſt! denn nie iſt ſolch ein verſtaͤndiger Fremdling,
Nie ein wehrterer Gaſt in meine Wohnung gekommen:
So verſtaͤndig und klug iſt alles, was du auch ſageſt!
Ja, ich hab' eine alte und ſehr vernuͤnftige Frau hier,
Welche die Pflegerin war des ungluͤckſeligen Mannes,
Und in die Arme ihn nahm, ſobald ihn die Mutter geboren:
Dieſe wird, ſo ſchwach ſie auch iſt, die Fuͤße dir waſchen.
Auf denn, und waſche den Greis, du redliche Euruͤkleia!
Er iſt gleiches Alters mit deinem Herren. Vielleicht ſind
Jezt Oduͤßeus Haͤnd' und Fuͤße ſchon eben ſo kraftlos.
Denn im Ungluͤck altern die armen Sterblichen fruͤhe.
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Alſo ſprach ſie. Die Alte verbarg mit den Haͤnden ihr Antliz,
Heiße Thraͤnen vergießend, und ſprach mit jammernder Stimme:
Wehe mir, wehe, mein Sohn! Ich Verlaßene! Alſo verwarf dich
Zeus vor allen Menſchen, ſo gottesfuͤrchtig dein Herz iſt?
Denn kein Sterblicher hat dem Gotte des Donners ſo viele
Fette Lenden verbrannt und erleſene Hekatomben,
Als du jenem geweiht, im Vertraun, ein ruhiges Alter
Einſt zu erreichen, und ſelber den edlen Sohn zu erziehen!
Und nun raubt er dir gaͤnzlich den Tag der froͤhlichen Heimkehr!
Ach! es hoͤhnten vielleicht auch ihn in der Fremde die Weiber,
Wann er huͤlfeflehend der Maͤchtigen Haͤuſer beſuchte;
Eben wie dich, o Fremdling, die Huͤndinnen alle verhoͤhnen,
Deren Schimpf und Spott zu vermeiden du jezo dich weigerſt,
Daß ſie die Fuͤße dir waſchen. Doch mich, die willig gehorchet,
Heißt es Ikarios Tochter, die kluge Paͤnelopeia.
Und nicht Paͤnelopeiens, auch deinenthalben, o Fremdling,
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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/380>, abgerufen am 25.11.2024.
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