Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Odüßee. Sicher weiß ich es nicht: ob Odüßeus die Kleider daheim trug;Oder ob sie ein Freund ihm mit zu Schiffe gegeben, Oder irgend ein Fremdling, der ihn bewirtet. Denn viele Waren Odüßeus hold, ihm glichen wenig Achaier. 240 Ich auch schenkt' ihm ein ehernes Schwert, ein gefuttertes schönes Purpurfarbnes Gewand, und einen paßenden Leibrock, Und entließ ihn mit Ehren zum schöngebordeten Schiffe. Endlich folgte dem Helden ein etwas älterer Herold Nach; auch deßen Gestalt will ich dir jezo beschreiben. 245 Pucklicht war er, und schwarz sein Gesicht, und lockicht sein Haupthaar; Und Eurübatäs hieß er; Odüßeus schäzte vor allen Uebrigen Freunden ihn hoch, denn er suchte sein Beßtes mit Klugheit. Also sprach er; da hub sie noch heftiger an zu weinen, Nun du sollst mir, o Fremdling, so jammervoll du vorhin warst, Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odüßeus: Oduͤßee. Sicher weiß ich es nicht: ob Oduͤßeus die Kleider daheim trug;Oder ob ſie ein Freund ihm mit zu Schiffe gegeben, Oder irgend ein Fremdling, der ihn bewirtet. Denn viele Waren Oduͤßeus hold, ihm glichen wenig Achaier. 240 Ich auch ſchenkt' ihm ein ehernes Schwert, ein gefuttertes ſchoͤnes Purpurfarbnes Gewand, und einen paßenden Leibrock, Und entließ ihn mit Ehren zum ſchoͤngebordeten Schiffe. Endlich folgte dem Helden ein etwas aͤlterer Herold Nach; auch deßen Geſtalt will ich dir jezo beſchreiben. 245 Pucklicht war er, und ſchwarz ſein Geſicht, und lockicht ſein Haupthaar; Und Euruͤbataͤs hieß er; Oduͤßeus ſchaͤzte vor allen Uebrigen Freunden ihn hoch, denn er ſuchte ſein Beßtes mit Klugheit. Alſo ſprach er; da hub ſie noch heftiger an zu weinen, Nun du ſollſt mir, o Fremdling, ſo jammervoll du vorhin warſt, Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0376" n="370"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Oduͤßee.</hi></fw><lb/> Sicher weiß ich es nicht: ob Oduͤßeus die Kleider daheim trug;<lb/> Oder ob ſie ein Freund ihm mit zu Schiffe gegeben,<lb/> Oder irgend ein Fremdling, der ihn bewirtet. Denn viele<lb/> Waren Oduͤßeus hold, ihm glichen wenig Achaier. <note place="right">240</note><lb/> Ich auch ſchenkt' ihm ein ehernes Schwert, ein gefuttertes ſchoͤnes<lb/> Purpurfarbnes Gewand, und einen paßenden Leibrock,<lb/> Und entließ ihn mit Ehren zum ſchoͤngebordeten Schiffe.<lb/> Endlich folgte dem Helden ein etwas aͤlterer Herold<lb/> Nach; auch deßen Geſtalt will ich dir jezo beſchreiben. <note place="right">245</note><lb/> Pucklicht war er, und ſchwarz ſein Geſicht, und lockicht ſein Haupthaar;<lb/> Und Euruͤbataͤs hieß er; Oduͤßeus ſchaͤzte vor allen<lb/> Uebrigen Freunden ihn hoch, denn er ſuchte ſein Beßtes mit Klugheit.</p><lb/> <p>Alſo ſprach er; da hub ſie noch heftiger an zu weinen,<lb/> Als ſie die Zeichen erkannte, die ihr Oduͤßens beſchrieben. <note place="right">250</note><lb/> Und nachdem ſie ihr Herz mit vielen Thraͤnen erleichtert,<lb/> Da begann ſie von neuem, und gab ihm dieſes zur Antwort:</p><lb/> <p>Nun du ſollſt mir, o Fremdling, ſo jammervoll du vorhin warſt,<lb/> Jezo in meinem Hauſ' auch Lieb' und Ehre genießen!<lb/> Denn ich ſelber gab ihm die Kleider, wovon du erzaͤhleſt, <note place="right">255</note><lb/> Wohlgefuͤgt aus der Kammer, und ſezte die goldene Spange<lb/> Ihm zur Zierde daran. Doch niemals werd' ich ihn wieder<lb/> Hier im Hauſe begruͤßen, wann er zur Heimat zuruͤckkehrt!<lb/> Zur unſeligen Stund' entſchiffte mein trauter Oduͤßeus,<lb/> Troja zu ſehn, die verwuͤnſchte, die keiner nennet ohn Abſcheu! <note place="right">260</note></p><lb/> <p>Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:<lb/> Du ehrwuͤrdiges Weib des Laertiaden Oduͤßeus,<lb/> Schone der holden Geſtalt und deines Lebens, und jammre<lb/> Um den Gemahl nicht laͤnger! Zwar tadeln kann ich den Schmerz nicht;<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [370/0376]
Oduͤßee.
Sicher weiß ich es nicht: ob Oduͤßeus die Kleider daheim trug;
Oder ob ſie ein Freund ihm mit zu Schiffe gegeben,
Oder irgend ein Fremdling, der ihn bewirtet. Denn viele
Waren Oduͤßeus hold, ihm glichen wenig Achaier.
Ich auch ſchenkt' ihm ein ehernes Schwert, ein gefuttertes ſchoͤnes
Purpurfarbnes Gewand, und einen paßenden Leibrock,
Und entließ ihn mit Ehren zum ſchoͤngebordeten Schiffe.
Endlich folgte dem Helden ein etwas aͤlterer Herold
Nach; auch deßen Geſtalt will ich dir jezo beſchreiben.
Pucklicht war er, und ſchwarz ſein Geſicht, und lockicht ſein Haupthaar;
Und Euruͤbataͤs hieß er; Oduͤßeus ſchaͤzte vor allen
Uebrigen Freunden ihn hoch, denn er ſuchte ſein Beßtes mit Klugheit.
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Alſo ſprach er; da hub ſie noch heftiger an zu weinen,
Als ſie die Zeichen erkannte, die ihr Oduͤßens beſchrieben.
Und nachdem ſie ihr Herz mit vielen Thraͤnen erleichtert,
Da begann ſie von neuem, und gab ihm dieſes zur Antwort:
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Nun du ſollſt mir, o Fremdling, ſo jammervoll du vorhin warſt,
Jezo in meinem Hauſ' auch Lieb' und Ehre genießen!
Denn ich ſelber gab ihm die Kleider, wovon du erzaͤhleſt,
Wohlgefuͤgt aus der Kammer, und ſezte die goldene Spange
Ihm zur Zierde daran. Doch niemals werd' ich ihn wieder
Hier im Hauſe begruͤßen, wann er zur Heimat zuruͤckkehrt!
Zur unſeligen Stund' entſchiffte mein trauter Oduͤßeus,
Troja zu ſehn, die verwuͤnſchte, die keiner nennet ohn Abſcheu!
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Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:
Du ehrwuͤrdiges Weib des Laertiaden Oduͤßeus,
Schone der holden Geſtalt und deines Lebens, und jammre
Um den Gemahl nicht laͤnger! Zwar tadeln kann ich den Schmerz nicht;
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