Daß ich nicht zürn', und dir, troz meines Alters, mit Blute Brust und Lippen besudle! Dann säß' ich morgen vermutlich Noch geruhiger hier; denn schwerlich kehrtest du jemals Wieder zurück in das Haus des Laertiaden Odüßeus!
Und mit zürnendem Blick antwortete Iros der Bettler: 25 All' ihr Götter, wie rasch der verhungerte Bettler da plappert; Recht wie ein Heizerweib! Ich möcht' es ihm übel gedenken, Rechts und links ihn zerdröschen, und alle Zähn' aus dem Maul' ihm Schlagen, wie einer Sau, die fremde Saaten verwüstet! Auf, und gürte dich jezo, damit sie alle des Kampfes 30 Zeugen sein! Wie willst du des Jüngeren Stärke bestehen?
Also zankten sie sich vor der hohen Pforte des Saales, Auf der geglätteten Schwelle, mit heftig erbitterten Worten, Ihre Worte vernahm Antinoos heilige Stärke, Und mit herzlicher Lache begann er unter den Freiern: 35
So was, ihr Lieben, ist uns bisher noch nimmer begegnet! Welche Freude beschert uns Gott in diesem Palaste! Jener Fremdling und Iros, die fodern sich jezo einander Zum Faustkampfe heraus. Kommt eilig, wir wollen sie hezen!
Also sprach er; und schnell erhuben sich alle mit Lachen, 40 Und versammelten sich um die schlechtgekleideten Bettler. Aber Eupeithäs Sohn Antinoos sprach zur Versammlung:
Höret, was ich euch sage, ihr edelmütigen Freier! Hier sind Ziegenmagen, mit Fett und Blute gefüllet, Die wir zum Abendschmaus' auf glühende Kohlen geleget. 45 Wer nun am tapfersten kämpft, und seinen Gegner besieget; Dieser wähle sich selbst die beßte der bratenden Würste. Künftig find' er auch immer an unserem Mahle sein Antheil,
Oduͤßee.
Daß ich nicht zuͤrn', und dir, troz meines Alters, mit Blute Bruſt und Lippen beſudle! Dann ſaͤß' ich morgen vermutlich Noch geruhiger hier; denn ſchwerlich kehrteſt du jemals Wieder zuruͤck in das Haus des Laertiaden Oduͤßeus!
Und mit zuͤrnendem Blick antwortete Iros der Bettler: 25 All' ihr Goͤtter, wie raſch der verhungerte Bettler da plappert; Recht wie ein Heizerweib! Ich moͤcht' es ihm uͤbel gedenken, Rechts und links ihn zerdroͤſchen, und alle Zaͤhn' aus dem Maul' ihm Schlagen, wie einer Sau, die fremde Saaten verwuͤſtet! Auf, und guͤrte dich jezo, damit ſie alle des Kampfes 30 Zeugen ſein! Wie willſt du des Juͤngeren Staͤrke beſtehen?
Alſo zankten ſie ſich vor der hohen Pforte des Saales, Auf der geglaͤtteten Schwelle, mit heftig erbitterten Worten, Ihre Worte vernahm Antinoos heilige Staͤrke, Und mit herzlicher Lache begann er unter den Freiern: 35
So was, ihr Lieben, iſt uns bisher noch nimmer begegnet! Welche Freude beſchert uns Gott in dieſem Palaſte! Jener Fremdling und Iros, die fodern ſich jezo einander Zum Fauſtkampfe heraus. Kommt eilig, wir wollen ſie hezen!
Alſo ſprach er; und ſchnell erhuben ſich alle mit Lachen, 40 Und verſammelten ſich um die ſchlechtgekleideten Bettler. Aber Eupeithaͤs Sohn Antinoos ſprach zur Verſammlung:
Hoͤret, was ich euch ſage, ihr edelmuͤtigen Freier! Hier ſind Ziegenmagen, mit Fett und Blute gefuͤllet, Die wir zum Abendſchmauſ' auf gluͤhende Kohlen geleget. 45 Wer nun am tapferſten kaͤmpft, und ſeinen Gegner beſieget; Dieſer waͤhle ſich ſelbſt die beßte der bratenden Wuͤrſte. Kuͤnftig find' er auch immer an unſerem Mahle ſein Antheil,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0352"n="346"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Oduͤßee.</hi></fw><lb/>
Daß ich nicht zuͤrn', und dir, troz meines Alters, mit Blute<lb/>
Bruſt und Lippen beſudle! Dann ſaͤß' ich morgen vermutlich<lb/>
Noch geruhiger hier; denn ſchwerlich kehrteſt du jemals<lb/>
Wieder zuruͤck in das Haus des Laertiaden Oduͤßeus!</p><lb/><p>Und mit zuͤrnendem Blick antwortete Iros der Bettler: <noteplace="right">25</note><lb/>
All' ihr Goͤtter, wie raſch der verhungerte Bettler da plappert;<lb/>
Recht wie ein Heizerweib! Ich moͤcht' es ihm uͤbel gedenken,<lb/>
Rechts und links ihn zerdroͤſchen, und alle Zaͤhn' aus dem Maul' ihm<lb/>
Schlagen, wie einer Sau, die fremde Saaten verwuͤſtet!<lb/>
Auf, und guͤrte dich jezo, damit ſie alle des Kampfes <noteplace="right">30</note><lb/>
Zeugen ſein! Wie willſt du des Juͤngeren Staͤrke beſtehen?</p><lb/><p>Alſo zankten ſie ſich vor der hohen Pforte des Saales,<lb/>
Auf der geglaͤtteten Schwelle, mit heftig erbitterten Worten,<lb/>
Ihre Worte vernahm Antinoos heilige Staͤrke,<lb/>
Und mit herzlicher Lache begann er unter den Freiern: <noteplace="right">35</note></p><lb/><p>So was, ihr Lieben, iſt uns bisher noch nimmer begegnet!<lb/>
Welche Freude beſchert uns Gott in dieſem Palaſte!<lb/>
Jener Fremdling und Iros, die fodern ſich jezo einander<lb/>
Zum Fauſtkampfe heraus. Kommt eilig, wir wollen ſie hezen!</p><lb/><p>Alſo ſprach er; und ſchnell erhuben ſich alle mit Lachen, <noteplace="right">40</note><lb/>
Und verſammelten ſich um die ſchlechtgekleideten Bettler.<lb/>
Aber Eupeithaͤs Sohn Antinoos ſprach zur Verſammlung:</p><lb/><p>Hoͤret, was ich euch ſage, ihr edelmuͤtigen Freier!<lb/>
Hier ſind Ziegenmagen, mit Fett und Blute gefuͤllet,<lb/>
Die wir zum Abendſchmauſ' auf gluͤhende Kohlen geleget. <noteplace="right">45</note><lb/>
Wer nun am tapferſten kaͤmpft, und ſeinen Gegner beſieget;<lb/>
Dieſer waͤhle ſich ſelbſt die beßte der bratenden Wuͤrſte.<lb/>
Kuͤnftig find' er auch immer an unſerem Mahle ſein Antheil,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[346/0352]
Oduͤßee.
Daß ich nicht zuͤrn', und dir, troz meines Alters, mit Blute
Bruſt und Lippen beſudle! Dann ſaͤß' ich morgen vermutlich
Noch geruhiger hier; denn ſchwerlich kehrteſt du jemals
Wieder zuruͤck in das Haus des Laertiaden Oduͤßeus!
Und mit zuͤrnendem Blick antwortete Iros der Bettler:
All' ihr Goͤtter, wie raſch der verhungerte Bettler da plappert;
Recht wie ein Heizerweib! Ich moͤcht' es ihm uͤbel gedenken,
Rechts und links ihn zerdroͤſchen, und alle Zaͤhn' aus dem Maul' ihm
Schlagen, wie einer Sau, die fremde Saaten verwuͤſtet!
Auf, und guͤrte dich jezo, damit ſie alle des Kampfes
Zeugen ſein! Wie willſt du des Juͤngeren Staͤrke beſtehen?
25
30
Alſo zankten ſie ſich vor der hohen Pforte des Saales,
Auf der geglaͤtteten Schwelle, mit heftig erbitterten Worten,
Ihre Worte vernahm Antinoos heilige Staͤrke,
Und mit herzlicher Lache begann er unter den Freiern:
35
So was, ihr Lieben, iſt uns bisher noch nimmer begegnet!
Welche Freude beſchert uns Gott in dieſem Palaſte!
Jener Fremdling und Iros, die fodern ſich jezo einander
Zum Fauſtkampfe heraus. Kommt eilig, wir wollen ſie hezen!
Alſo ſprach er; und ſchnell erhuben ſich alle mit Lachen,
Und verſammelten ſich um die ſchlechtgekleideten Bettler.
Aber Eupeithaͤs Sohn Antinoos ſprach zur Verſammlung:
40
Hoͤret, was ich euch ſage, ihr edelmuͤtigen Freier!
Hier ſind Ziegenmagen, mit Fett und Blute gefuͤllet,
Die wir zum Abendſchmauſ' auf gluͤhende Kohlen geleget.
Wer nun am tapferſten kaͤmpft, und ſeinen Gegner beſieget;
Dieſer waͤhle ſich ſelbſt die beßte der bratenden Wuͤrſte.
Kuͤnftig find' er auch immer an unſerem Mahle ſein Antheil,
45
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/352>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.