Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebzehnter Gesang.
Schalt ihn ins Antliz, und betete laut mit erhobenen Händen:

Nümfen des heiligen Quells, Zeus Töchter! Hat jemals Odüßens 240
Lenden mit Fette bedeckt von jungen Ziegen und Lämmern
Euch zur Ehre verbrannt; so erfüllt mein heißes Verlangen:
Daß heimkehre der Held, und ihn ein Himmlischer führe!
O dann würd' er dir bald die hohen Gedanken vertreiben,
Welche du Troziger jezo hegst, da du immer die Stadt durch 245
Irrst, indeß die Heerde von bösen Hirten verderbt wird!

Und der Ziegenhirte Melanthios gab ihm zur Antwort!
Götter, was plaudert er da, der Hund voll hämischer Tücke!
Ha! ich werd' ihn noch einst im schwarzen gerüsteten Schiffe
Fern von Ithaka bringen, damit ich ihn theuer verkaufe! 250
Tödtete doch so gewiß der silberne Bogen Apollons,
Oder der Freier Gewalt, Tälemachos heut im Palaste;
Als Odüßeus ferne von seiner Heimat dahinsank!

Also sprach er, und eilte voran; sie folgten ihm langsam.
Und mit hurtigen Schritten erreicht' er des Königes Wohnung, 255
Ging gerade hinein, und sezte sich unter die Freier,
Gegen Eurümachos über; denn diesen liebt' er am meisten.
Vor ihn legten ein Theil des Fleisches die hurtigen Diener;
Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tischte das Brot auf;
Und er aß. Nun kam mit Odüßeus der trefliche Sauhirt 260
Nahe; sie standen still. Der hohlen Harfe Getön scholl
Ihnen melodisch entgegen; denn Fämios hub den Gesang an.
Und Odüßeus faßte die Hand des Hirten, und sagte:

Wahrlich, Eumaios, dies ist die prächtige Wohnung Odüßeus!
Diese würde man leicht auch unter vielen erkennen! 265
Zimmer stehen auf Zimmern; den Hof umschließet die schöne

Siebzehnter Geſang.
Schalt ihn ins Antliz, und betete laut mit erhobenen Haͤnden:

Nuͤmfen des heiligen Quells, Zeus Toͤchter! Hat jemals Oduͤßens 240
Lenden mit Fette bedeckt von jungen Ziegen und Laͤmmern
Euch zur Ehre verbrannt; ſo erfuͤllt mein heißes Verlangen:
Daß heimkehre der Held, und ihn ein Himmliſcher fuͤhre!
O dann wuͤrd' er dir bald die hohen Gedanken vertreiben,
Welche du Troziger jezo hegſt, da du immer die Stadt durch 245
Irrſt, indeß die Heerde von boͤſen Hirten verderbt wird!

Und der Ziegenhirte Melanthios gab ihm zur Antwort!
Goͤtter, was plaudert er da, der Hund voll haͤmiſcher Tuͤcke!
Ha! ich werd' ihn noch einſt im ſchwarzen geruͤſteten Schiffe
Fern von Ithaka bringen, damit ich ihn theuer verkaufe! 250
Toͤdtete doch ſo gewiß der ſilberne Bogen Apollons,
Oder der Freier Gewalt, Taͤlemachos heut im Palaſte;
Als Oduͤßeus ferne von ſeiner Heimat dahinſank!

Alſo ſprach er, und eilte voran; ſie folgten ihm langſam.
Und mit hurtigen Schritten erreicht' er des Koͤniges Wohnung, 255
Ging gerade hinein, und ſezte ſich unter die Freier,
Gegen Euruͤmachos uͤber; denn dieſen liebt' er am meiſten.
Vor ihn legten ein Theil des Fleiſches die hurtigen Diener;
Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tiſchte das Brot auf;
Und er aß. Nun kam mit Oduͤßeus der trefliche Sauhirt 260
Nahe; ſie ſtanden ſtill. Der hohlen Harfe Getoͤn ſcholl
Ihnen melodiſch entgegen; denn Faͤmios hub den Geſang an.
Und Oduͤßeus faßte die Hand des Hirten, und ſagte:

Wahrlich, Eumaios, dies iſt die praͤchtige Wohnung Oduͤßeus!
Dieſe wuͤrde man leicht auch unter vielen erkennen! 265
Zimmer ſtehen auf Zimmern; den Hof umſchließet die ſchoͤne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0337" n="331"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebzehnter Ge&#x017F;ang.</hi></fw><lb/>
Schalt ihn ins Antliz, und betete laut mit erhobenen Ha&#x0364;nden:</p><lb/>
        <p>Nu&#x0364;mfen des heiligen Quells, Zeus To&#x0364;chter! Hat jemals Odu&#x0364;ßens <note place="right">240</note><lb/>
Lenden mit Fette bedeckt von jungen Ziegen und La&#x0364;mmern<lb/>
Euch zur Ehre verbrannt; &#x017F;o erfu&#x0364;llt mein heißes Verlangen:<lb/>
Daß heimkehre der Held, und ihn ein Himmli&#x017F;cher fu&#x0364;hre!<lb/>
O dann wu&#x0364;rd' er dir bald die hohen Gedanken vertreiben,<lb/>
Welche du Troziger jezo heg&#x017F;t, da du immer die Stadt durch <note place="right">245</note><lb/>
Irr&#x017F;t, indeß die Heerde von bo&#x0364;&#x017F;en Hirten verderbt wird!</p><lb/>
        <p>Und der Ziegenhirte Melanthios gab ihm zur Antwort!<lb/>
Go&#x0364;tter, was plaudert er da, der Hund voll ha&#x0364;mi&#x017F;cher Tu&#x0364;cke!<lb/>
Ha! ich werd' ihn noch ein&#x017F;t im &#x017F;chwarzen geru&#x0364;&#x017F;teten Schiffe<lb/>
Fern von Ithaka bringen, damit ich ihn theuer verkaufe! <note place="right">250</note><lb/>
To&#x0364;dtete doch &#x017F;o gewiß der &#x017F;ilberne Bogen Apollons,<lb/>
Oder der Freier Gewalt, Ta&#x0364;lemachos heut im Pala&#x017F;te;<lb/>
Als Odu&#x0364;ßeus ferne von &#x017F;einer Heimat dahin&#x017F;ank!</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o &#x017F;prach er, und eilte voran; &#x017F;ie folgten ihm lang&#x017F;am.<lb/>
Und mit hurtigen Schritten erreicht' er des Ko&#x0364;niges Wohnung, <note place="right">255</note><lb/>
Ging gerade hinein, und &#x017F;ezte &#x017F;ich unter die Freier,<lb/>
Gegen Euru&#x0364;machos u&#x0364;ber; denn die&#x017F;en liebt' er am mei&#x017F;ten.<lb/>
Vor ihn legten ein Theil des Flei&#x017F;ches die hurtigen Diener;<lb/>
Und die ehrbare Schaffnerin kam, und ti&#x017F;chte das Brot auf;<lb/>
Und er aß. Nun kam mit Odu&#x0364;ßeus der trefliche Sauhirt <note place="right">260</note><lb/>
Nahe; &#x017F;ie &#x017F;tanden &#x017F;till. Der hohlen Harfe Geto&#x0364;n &#x017F;choll<lb/>
Ihnen melodi&#x017F;ch entgegen; denn Fa&#x0364;mios hub den Ge&#x017F;ang an.<lb/>
Und Odu&#x0364;ßeus faßte die Hand des Hirten, und &#x017F;agte:</p><lb/>
        <p>Wahrlich, Eumaios, dies i&#x017F;t die pra&#x0364;chtige Wohnung Odu&#x0364;ßeus!<lb/>
Die&#x017F;e wu&#x0364;rde man leicht auch unter vielen erkennen! <note place="right">265</note><lb/>
Zimmer &#x017F;tehen auf Zimmern; den Hof um&#x017F;chließet die &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[331/0337] Siebzehnter Geſang. Schalt ihn ins Antliz, und betete laut mit erhobenen Haͤnden: Nuͤmfen des heiligen Quells, Zeus Toͤchter! Hat jemals Oduͤßens Lenden mit Fette bedeckt von jungen Ziegen und Laͤmmern Euch zur Ehre verbrannt; ſo erfuͤllt mein heißes Verlangen: Daß heimkehre der Held, und ihn ein Himmliſcher fuͤhre! O dann wuͤrd' er dir bald die hohen Gedanken vertreiben, Welche du Troziger jezo hegſt, da du immer die Stadt durch Irrſt, indeß die Heerde von boͤſen Hirten verderbt wird! 240 245 Und der Ziegenhirte Melanthios gab ihm zur Antwort! Goͤtter, was plaudert er da, der Hund voll haͤmiſcher Tuͤcke! Ha! ich werd' ihn noch einſt im ſchwarzen geruͤſteten Schiffe Fern von Ithaka bringen, damit ich ihn theuer verkaufe! Toͤdtete doch ſo gewiß der ſilberne Bogen Apollons, Oder der Freier Gewalt, Taͤlemachos heut im Palaſte; Als Oduͤßeus ferne von ſeiner Heimat dahinſank! 250 Alſo ſprach er, und eilte voran; ſie folgten ihm langſam. Und mit hurtigen Schritten erreicht' er des Koͤniges Wohnung, Ging gerade hinein, und ſezte ſich unter die Freier, Gegen Euruͤmachos uͤber; denn dieſen liebt' er am meiſten. Vor ihn legten ein Theil des Fleiſches die hurtigen Diener; Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tiſchte das Brot auf; Und er aß. Nun kam mit Oduͤßeus der trefliche Sauhirt Nahe; ſie ſtanden ſtill. Der hohlen Harfe Getoͤn ſcholl Ihnen melodiſch entgegen; denn Faͤmios hub den Geſang an. Und Oduͤßeus faßte die Hand des Hirten, und ſagte: 255 260 Wahrlich, Eumaios, dies iſt die praͤchtige Wohnung Oduͤßeus! Dieſe wuͤrde man leicht auch unter vielen erkennen! Zimmer ſtehen auf Zimmern; den Hof umſchließet die ſchoͤne 265

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/337
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/337>, abgerufen am 24.11.2024.