Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Odüßee. Sondern im heftigen Zorn aufstehen, und allen verkünden,Wie wir ihn zu ermorden gesucht, und wie er entflohn sei. Diese werden die That nicht loben, wann sie ihn hören; 380 Ja sie könnten uns gar mishandeln, und aus dem Lande Unserer Väter uns alle zu fremden Völkern verjagen. Darum laßt uns zuvor ihn tödten, fern auf dem Lande, Oder auch auf dem Wege! Die Güter behalten wir selber, Alles unter uns theilend nach Billigkeit; aber die Häuser 385 Geben wir seiner Mutter, und wen sie zum Bräutigam wählet. Misfällt aber mein Rath der Versammlung, und wünschet ihr lieber, Daß Tälemachos leb', und des Vaters Erbe behalte; Nun so laßt uns nicht länger in solcher großen Versammlung Seine köstlichen Schäze verpraßen; sondern es werbe 390 Jeder außer dem Hause mit Brautgeschenken; sie aber Wähle den Mann, der am meisten ihr schenkt, und dem sie beschert ist. Also sprach er; und alle verstummten umher, und schwiegen. Lieben, ich wünschte nicht, daß wir Tälemachos heimlich 400 Oduͤßee. Sondern im heftigen Zorn aufſtehen, und allen verkuͤnden,Wie wir ihn zu ermorden geſucht, und wie er entflohn ſei. Dieſe werden die That nicht loben, wann ſie ihn hoͤren; 380 Ja ſie koͤnnten uns gar mishandeln, und aus dem Lande Unſerer Vaͤter uns alle zu fremden Voͤlkern verjagen. Darum laßt uns zuvor ihn toͤdten, fern auf dem Lande, Oder auch auf dem Wege! Die Guͤter behalten wir ſelber, Alles unter uns theilend nach Billigkeit; aber die Haͤuſer 385 Geben wir ſeiner Mutter, und wen ſie zum Braͤutigam waͤhlet. Misfaͤllt aber mein Rath der Verſammlung, und wuͤnſchet ihr lieber, Daß Taͤlemachos leb', und des Vaters Erbe behalte; Nun ſo laßt uns nicht laͤnger in ſolcher großen Verſammlung Seine koͤſtlichen Schaͤze verpraßen; ſondern es werbe 390 Jeder außer dem Hauſe mit Brautgeſchenken; ſie aber Waͤhle den Mann, der am meiſten ihr ſchenkt, und dem ſie beſchert iſt. Alſo ſprach er; und alle verſtummten umher, und ſchwiegen. Lieben, ich wuͤnſchte nicht, daß wir Taͤlemachos heimlich 400 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0324" n="318"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Oduͤßee.</hi></fw><lb/> Sondern im heftigen Zorn aufſtehen, und allen verkuͤnden,<lb/> Wie wir ihn zu ermorden geſucht, und wie er entflohn ſei.<lb/> Dieſe werden die That nicht loben, wann ſie ihn hoͤren; <note place="right">380</note><lb/> Ja ſie koͤnnten uns gar mishandeln, und aus dem Lande<lb/> Unſerer Vaͤter uns alle zu fremden Voͤlkern verjagen.<lb/> Darum laßt uns zuvor ihn toͤdten, fern auf dem Lande,<lb/> Oder auch auf dem Wege! Die Guͤter behalten wir ſelber,<lb/> Alles unter uns theilend nach Billigkeit; aber die Haͤuſer <note place="right">385</note><lb/> Geben wir ſeiner Mutter, und wen ſie zum Braͤutigam waͤhlet.<lb/> Misfaͤllt aber mein Rath der Verſammlung, und wuͤnſchet ihr lieber,<lb/> Daß Taͤlemachos leb', und des Vaters Erbe behalte;<lb/> Nun ſo laßt uns nicht laͤnger in ſolcher großen Verſammlung<lb/> Seine koͤſtlichen Schaͤze verpraßen; ſondern es werbe <note place="right">390</note><lb/> Jeder außer dem Hauſe mit Brautgeſchenken; ſie aber<lb/> Waͤhle den Mann, der am meiſten ihr ſchenkt, und dem ſie beſchert iſt.</p><lb/> <p>Alſo ſprach er; und alle verſtummten umher, und ſchwiegen.<lb/> Endlich erhub ſich und ſprach Amfinomos vor der Verſammlung,<lb/> Niſos ruͤhmlicher Sohn, des araͤtiadiſchen Koͤnigs; <note place="right">395</note><lb/> Der aus des weizenreichen Dulichions gruͤnen Gefilden<lb/> War der erſte der Freier, und deßen Rede der Fuͤrſtin<lb/> Noch am meiſten gefiel; denn edel war ſeine Geſinnung:<lb/> Dieſer erhub ſich, und ſprach wohlmeinend zu der Verſammlung:</p><lb/> <p>Lieben, ich wuͤnſchte nicht, daß wir Taͤlemachos heimlich <note place="right">400</note><lb/> Toͤdteten; fuͤrchterlich iſt es, ein Koͤnigsgeſchlecht zu ermorden!<lb/> Aber laßt uns zuvor der Goͤtter Willen erforſchen.<lb/> Wann der ewige Rath des großen Kronions es billigt,<lb/> Dann ermord' ich ihn ſelber, und rath' es jedem der andern:<lb/> Aber verbieten es uns die Goͤtter, dann rath' ich zu ruhen. <note place="right">405</note></p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [318/0324]
Oduͤßee.
Sondern im heftigen Zorn aufſtehen, und allen verkuͤnden,
Wie wir ihn zu ermorden geſucht, und wie er entflohn ſei.
Dieſe werden die That nicht loben, wann ſie ihn hoͤren;
Ja ſie koͤnnten uns gar mishandeln, und aus dem Lande
Unſerer Vaͤter uns alle zu fremden Voͤlkern verjagen.
Darum laßt uns zuvor ihn toͤdten, fern auf dem Lande,
Oder auch auf dem Wege! Die Guͤter behalten wir ſelber,
Alles unter uns theilend nach Billigkeit; aber die Haͤuſer
Geben wir ſeiner Mutter, und wen ſie zum Braͤutigam waͤhlet.
Misfaͤllt aber mein Rath der Verſammlung, und wuͤnſchet ihr lieber,
Daß Taͤlemachos leb', und des Vaters Erbe behalte;
Nun ſo laßt uns nicht laͤnger in ſolcher großen Verſammlung
Seine koͤſtlichen Schaͤze verpraßen; ſondern es werbe
Jeder außer dem Hauſe mit Brautgeſchenken; ſie aber
Waͤhle den Mann, der am meiſten ihr ſchenkt, und dem ſie beſchert iſt.
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Alſo ſprach er; und alle verſtummten umher, und ſchwiegen.
Endlich erhub ſich und ſprach Amfinomos vor der Verſammlung,
Niſos ruͤhmlicher Sohn, des araͤtiadiſchen Koͤnigs;
Der aus des weizenreichen Dulichions gruͤnen Gefilden
War der erſte der Freier, und deßen Rede der Fuͤrſtin
Noch am meiſten gefiel; denn edel war ſeine Geſinnung:
Dieſer erhub ſich, und ſprach wohlmeinend zu der Verſammlung:
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Lieben, ich wuͤnſchte nicht, daß wir Taͤlemachos heimlich
Toͤdteten; fuͤrchterlich iſt es, ein Koͤnigsgeſchlecht zu ermorden!
Aber laßt uns zuvor der Goͤtter Willen erforſchen.
Wann der ewige Rath des großen Kronions es billigt,
Dann ermord' ich ihn ſelber, und rath' es jedem der andern:
Aber verbieten es uns die Goͤtter, dann rath' ich zu ruhen.
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