Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Odüßee.
Alda sezten sie sich auf prächtige Seßel und Throne.
Eine Dienerin trug in der schönen goldenen Kanne
Ueber dem silbernen Becken das Waßer, beströmte zum Waschen 135
Ihnen die Händ', und stellte vor sie die geglättete Tafel.
Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tischte das Brot auf,
Und der Gerichte viel aus ihrem gesammelten Vorrat.
Aber das Fleisch zerschnitt und vertheilte der Sohn des Boäthos,
Und des Königes Sohn vertheilte die Becher voll Weines. 140
Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.

Jezo war die Begierde des Tranks und der Speise gestillet,
Und Tälemachos spannte mit Nestors blühendem Sohne
Hurtig die Roße vor; sie bestiegen den künstlichen Wagen,
Lenkten darauf aus dem Thore des Hofs, und der tönenden Halle. 145
Ihnen zur Seite ging Menelaos der bräunlichgelockte;
Einen goldenen Becher voll herzerfreuendes Weines
Trug er in seiner Rechten, um noch vor der Reise zu opfern,
Stand vor den Roßen, und trank, reicht' ihnen den Becher, und sagte:

Lebt, ihr Jünglinge, wohl, und grüßt den Hirten der Völker 150
Nestor von mir; denn wahrlich er liebte mich stets, wie ein Vater,
Als wir Achaier noch die Stadt der Troer bekriegten!

Und der verständige Jüngling Tälemachos sagte dagegen:
Gerne wollen wir ihm, du Göttlicher, wie du befiehlest,
Dieses alles verkünden, sobald wir kommen. O fänd' ich, 155
Heim gen Ithaka kehrend, auch meinen Vater zu Hause;
Daß ich ihm sagte, wie ich von dir so gütig bewirtet
Wiederkomm', und so viel' und köstliche Kleinode bringe!

Sprachs; und zur Rechten flog ein heilweißagender Adler,
Welcher die ungeheure, im Hofe gemästete, weiße 160

Oduͤßee.
Alda ſezten ſie ſich auf praͤchtige Seßel und Throne.
Eine Dienerin trug in der ſchoͤnen goldenen Kanne
Ueber dem ſilbernen Becken das Waßer, beſtroͤmte zum Waſchen 135
Ihnen die Haͤnd', und ſtellte vor ſie die geglaͤttete Tafel.
Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tiſchte das Brot auf,
Und der Gerichte viel aus ihrem geſammelten Vorrat.
Aber das Fleiſch zerſchnitt und vertheilte der Sohn des Boaͤthos,
Und des Koͤniges Sohn vertheilte die Becher voll Weines. 140
Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereiteten Mahle.

Jezo war die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillet,
Und Taͤlemachos ſpannte mit Neſtors bluͤhendem Sohne
Hurtig die Roße vor; ſie beſtiegen den kuͤnſtlichen Wagen,
Lenkten darauf aus dem Thore des Hofs, und der toͤnenden Halle. 145
Ihnen zur Seite ging Menelaos der braͤunlichgelockte;
Einen goldenen Becher voll herzerfreuendes Weines
Trug er in ſeiner Rechten, um noch vor der Reiſe zu opfern,
Stand vor den Roßen, und trank, reicht' ihnen den Becher, und ſagte:

Lebt, ihr Juͤnglinge, wohl, und gruͤßt den Hirten der Voͤlker 150
Neſtor von mir; denn wahrlich er liebte mich ſtets, wie ein Vater,
Als wir Achaier noch die Stadt der Troer bekriegten!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:
Gerne wollen wir ihm, du Goͤttlicher, wie du befiehleſt,
Dieſes alles verkuͤnden, ſobald wir kommen. O faͤnd' ich, 155
Heim gen Ithaka kehrend, auch meinen Vater zu Hauſe;
Daß ich ihm ſagte, wie ich von dir ſo guͤtig bewirtet
Wiederkomm', und ſo viel' und koͤſtliche Kleinode bringe!

Sprachs; und zur Rechten flog ein heilweißagender Adler,
Welcher die ungeheure, im Hofe gemaͤſtete, weiße 160

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0294" n="288"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Odu&#x0364;ßee.</hi></fw><lb/>
Alda &#x017F;ezten &#x017F;ie &#x017F;ich auf pra&#x0364;chtige Seßel und Throne.<lb/>
Eine Dienerin trug in der &#x017F;cho&#x0364;nen goldenen Kanne<lb/>
Ueber dem &#x017F;ilbernen Becken das Waßer, be&#x017F;tro&#x0364;mte zum Wa&#x017F;chen <note place="right">135</note><lb/>
Ihnen die Ha&#x0364;nd', und &#x017F;tellte vor &#x017F;ie die gegla&#x0364;ttete Tafel.<lb/>
Und die ehrbare Schaffnerin kam, und ti&#x017F;chte das Brot auf,<lb/>
Und der Gerichte viel aus ihrem ge&#x017F;ammelten Vorrat.<lb/>
Aber das Flei&#x017F;ch zer&#x017F;chnitt und vertheilte der Sohn des Boa&#x0364;thos,<lb/>
Und des Ko&#x0364;niges Sohn vertheilte die Becher voll Weines. <note place="right">140</note><lb/>
Und &#x017F;ie erhoben die Ha&#x0364;nde zum leckerbereiteten Mahle.</p><lb/>
        <p>Jezo war die Begierde des Tranks und der Spei&#x017F;e ge&#x017F;tillet,<lb/>
Und Ta&#x0364;lemachos &#x017F;pannte mit Ne&#x017F;tors blu&#x0364;hendem Sohne<lb/>
Hurtig die Roße vor; &#x017F;ie be&#x017F;tiegen den ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Wagen,<lb/>
Lenkten darauf aus dem Thore des Hofs, und der to&#x0364;nenden Halle. <note place="right">145</note><lb/>
Ihnen zur Seite ging Menelaos der bra&#x0364;unlichgelockte;<lb/>
Einen goldenen Becher voll herzerfreuendes Weines<lb/>
Trug er in &#x017F;einer Rechten, um noch vor der Rei&#x017F;e zu opfern,<lb/>
Stand vor den Roßen, und trank, reicht' ihnen den Becher, und &#x017F;agte:</p><lb/>
        <p>Lebt, ihr Ju&#x0364;nglinge, wohl, und gru&#x0364;ßt den Hirten der Vo&#x0364;lker <note place="right">150</note><lb/>
Ne&#x017F;tor von mir; denn wahrlich er liebte mich &#x017F;tets, wie ein Vater,<lb/>
Als wir Achaier noch die Stadt der Troer bekriegten!</p><lb/>
        <p>Und der ver&#x017F;ta&#x0364;ndige Ju&#x0364;ngling Ta&#x0364;lemachos &#x017F;agte dagegen:<lb/>
Gerne wollen wir ihm, du Go&#x0364;ttlicher, wie du befiehle&#x017F;t,<lb/>
Die&#x017F;es alles verku&#x0364;nden, &#x017F;obald wir kommen. O fa&#x0364;nd' ich, <note place="right">155</note><lb/>
Heim gen Ithaka kehrend, auch meinen Vater zu Hau&#x017F;e;<lb/>
Daß ich ihm &#x017F;agte, wie ich von dir &#x017F;o gu&#x0364;tig bewirtet<lb/>
Wiederkomm', und &#x017F;o viel' und ko&#x0364;&#x017F;tliche Kleinode bringe!</p><lb/>
        <p>Sprachs; und zur Rechten flog ein heilweißagender Adler,<lb/>
Welcher die ungeheure, im Hofe gema&#x0364;&#x017F;tete, weiße <note place="right">160</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[288/0294] Oduͤßee. Alda ſezten ſie ſich auf praͤchtige Seßel und Throne. Eine Dienerin trug in der ſchoͤnen goldenen Kanne Ueber dem ſilbernen Becken das Waßer, beſtroͤmte zum Waſchen Ihnen die Haͤnd', und ſtellte vor ſie die geglaͤttete Tafel. Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tiſchte das Brot auf, Und der Gerichte viel aus ihrem geſammelten Vorrat. Aber das Fleiſch zerſchnitt und vertheilte der Sohn des Boaͤthos, Und des Koͤniges Sohn vertheilte die Becher voll Weines. Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereiteten Mahle. 135 140 Jezo war die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillet, Und Taͤlemachos ſpannte mit Neſtors bluͤhendem Sohne Hurtig die Roße vor; ſie beſtiegen den kuͤnſtlichen Wagen, Lenkten darauf aus dem Thore des Hofs, und der toͤnenden Halle. Ihnen zur Seite ging Menelaos der braͤunlichgelockte; Einen goldenen Becher voll herzerfreuendes Weines Trug er in ſeiner Rechten, um noch vor der Reiſe zu opfern, Stand vor den Roßen, und trank, reicht' ihnen den Becher, und ſagte: 145 Lebt, ihr Juͤnglinge, wohl, und gruͤßt den Hirten der Voͤlker Neſtor von mir; denn wahrlich er liebte mich ſtets, wie ein Vater, Als wir Achaier noch die Stadt der Troer bekriegten! 150 Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Gerne wollen wir ihm, du Goͤttlicher, wie du befiehleſt, Dieſes alles verkuͤnden, ſobald wir kommen. O faͤnd' ich, Heim gen Ithaka kehrend, auch meinen Vater zu Hauſe; Daß ich ihm ſagte, wie ich von dir ſo guͤtig bewirtet Wiederkomm', und ſo viel' und koͤſtliche Kleinode bringe! 155 Sprachs; und zur Rechten flog ein heilweißagender Adler, Welcher die ungeheure, im Hofe gemaͤſtete, weiße 160

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/294
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/294>, abgerufen am 25.11.2024.