Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Vierzehnter Gesang. Mir zu kommen gebeut, wann Botschaft irgendwoher kam.Ringsum sizen sie dann, und fragen den Fremdling nach allem: 375 Einige grämen sich um den langabwesenden König, Andere freuen sich drob, die seine Habe verpraßen. Aber mir ward die Lust zu fragen gänzlich verbittert, Seit mich jüngst ein aitolischer Mann durch Mährchen geteuscht hat. V. 379. Dieser war Todschlages halber schon weit geflüchtet, und irrte 380 Endlich zu meiner Hütte, wo ich mit Freundschaft ihn aufnahm. Und er verkündigte mir: Bei Idomeneus unter den Krätern Hab' er ihn beßern gesehen die sturmzerschlagenen Schiffe, Und er käme gewiß, im Sommer oder im Herbste, Mit dem unendlichen Schaz und den göttergleichen Gefährten. 385 Drum, unglücklicher Greis, den mir ein Himmlischer zuführt, Trachte nicht meine Gunst durch Lügen dir zu erschmeicheln. Denn nicht darum werd' ich dich ehren oder bewirten, Sondern aus Furcht vor dem gastlichen Zeus, und weil du mich jammerst. Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odüßeus: 390 V. 379. Aitolien lag Ithaka gegen Morgen an der Mündung des korintischen
Busens, jenseits des Acheloos. Vierzehnter Geſang. Mir zu kommen gebeut, wann Botſchaft irgendwoher kam.Ringsum ſizen ſie dann, und fragen den Fremdling nach allem: 375 Einige graͤmen ſich um den langabweſenden Koͤnig, Andere freuen ſich drob, die ſeine Habe verpraßen. Aber mir ward die Luſt zu fragen gaͤnzlich verbittert, Seit mich juͤngſt ein aitoliſcher Mann durch Maͤhrchen geteuſcht hat. V. 379. Dieſer war Todſchlages halber ſchon weit gefluͤchtet, und irrte 380 Endlich zu meiner Huͤtte, wo ich mit Freundſchaft ihn aufnahm. Und er verkuͤndigte mir: Bei Idomeneus unter den Kraͤtern Hab' er ihn beßern geſehen die ſturmzerſchlagenen Schiffe, Und er kaͤme gewiß, im Sommer oder im Herbſte, Mit dem unendlichen Schaz und den goͤttergleichen Gefaͤhrten. 385 Drum, ungluͤcklicher Greis, den mir ein Himmliſcher zufuͤhrt, Trachte nicht meine Gunſt durch Luͤgen dir zu erſchmeicheln. Denn nicht darum werd' ich dich ehren oder bewirten, Sondern aus Furcht vor dem gaſtlichen Zeus, und weil du mich jammerſt. Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: 390 V. 379. Aitolien lag Ithaka gegen Morgen an der Muͤndung des korintiſchen
Buſens, jenſeits des Acheloos. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0283" n="277"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vierzehnter Geſang.</hi></fw><lb/> Mir zu kommen gebeut, wann Botſchaft irgendwoher kam.<lb/> Ringsum ſizen ſie dann, und fragen den Fremdling nach allem: <note place="right">375</note><lb/> Einige graͤmen ſich um den langabweſenden Koͤnig,<lb/> Andere freuen ſich drob, die ſeine Habe verpraßen.<lb/> Aber mir ward die Luſt zu fragen gaͤnzlich verbittert,<lb/> Seit mich juͤngſt ein aitoliſcher Mann durch Maͤhrchen geteuſcht hat. <note place="foot" n="V. 379.">Aitolien lag Ithaka gegen Morgen an der Muͤndung des korintiſchen<lb/> Buſens, jenſeits des Acheloos.</note><lb/> Dieſer war Todſchlages halber ſchon weit gefluͤchtet, und irrte <note place="right">380</note><lb/> Endlich zu meiner Huͤtte, wo ich mit Freundſchaft ihn aufnahm.<lb/> Und er verkuͤndigte mir: Bei Idomeneus unter den Kraͤtern<lb/> Hab' er ihn beßern geſehen die ſturmzerſchlagenen Schiffe,<lb/> Und er kaͤme gewiß, im Sommer oder im Herbſte,<lb/> Mit dem unendlichen Schaz und den goͤttergleichen Gefaͤhrten. <note place="right">385</note><lb/> Drum, ungluͤcklicher Greis, den mir ein Himmliſcher zufuͤhrt,<lb/> Trachte nicht meine Gunſt durch Luͤgen dir zu erſchmeicheln.<lb/> Denn nicht darum werd' ich dich ehren oder bewirten,<lb/> Sondern aus Furcht vor dem gaſtlichen Zeus, und weil du mich jammerſt.</p><lb/> <p>Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: <note place="right">390</note><lb/> Wahrlich, du traͤgſt ein ſehr unglaͤubiges Herz in dem Buſen,<lb/> Da mir der Eidſchwur ſelbſt nicht dein Zutrauen gewinnet!<lb/> Aber wohlan! wir wollen uns jezt vergleichen, und Zeugen<lb/> Sein die Unſterblichen uns, des hohen Oluͤmpos Bewohner!<lb/> Kehrt er wieder zuruͤck zu dieſem Hauſe, dein Koͤnig; <note place="right">395</note><lb/> Siehe dann ſollſt du mich, mit Rock und Mantel bekleidet,<lb/> Gen Dulichion ſenden: denn dort verlanget mein Herz hin.<lb/> Kehret er nicht zuruͤck, dein Koͤnig, wie ich verkuͤnde;<lb/> Alsdann reize die Knechte, vom Felſen herab mich zu ſtuͤrzen:<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [277/0283]
Vierzehnter Geſang.
Mir zu kommen gebeut, wann Botſchaft irgendwoher kam.
Ringsum ſizen ſie dann, und fragen den Fremdling nach allem:
Einige graͤmen ſich um den langabweſenden Koͤnig,
Andere freuen ſich drob, die ſeine Habe verpraßen.
Aber mir ward die Luſt zu fragen gaͤnzlich verbittert,
Seit mich juͤngſt ein aitoliſcher Mann durch Maͤhrchen geteuſcht hat. V. 379.
Dieſer war Todſchlages halber ſchon weit gefluͤchtet, und irrte
Endlich zu meiner Huͤtte, wo ich mit Freundſchaft ihn aufnahm.
Und er verkuͤndigte mir: Bei Idomeneus unter den Kraͤtern
Hab' er ihn beßern geſehen die ſturmzerſchlagenen Schiffe,
Und er kaͤme gewiß, im Sommer oder im Herbſte,
Mit dem unendlichen Schaz und den goͤttergleichen Gefaͤhrten.
Drum, ungluͤcklicher Greis, den mir ein Himmliſcher zufuͤhrt,
Trachte nicht meine Gunſt durch Luͤgen dir zu erſchmeicheln.
Denn nicht darum werd' ich dich ehren oder bewirten,
Sondern aus Furcht vor dem gaſtlichen Zeus, und weil du mich jammerſt.
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Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:
Wahrlich, du traͤgſt ein ſehr unglaͤubiges Herz in dem Buſen,
Da mir der Eidſchwur ſelbſt nicht dein Zutrauen gewinnet!
Aber wohlan! wir wollen uns jezt vergleichen, und Zeugen
Sein die Unſterblichen uns, des hohen Oluͤmpos Bewohner!
Kehrt er wieder zuruͤck zu dieſem Hauſe, dein Koͤnig;
Siehe dann ſollſt du mich, mit Rock und Mantel bekleidet,
Gen Dulichion ſenden: denn dort verlanget mein Herz hin.
Kehret er nicht zuruͤck, dein Koͤnig, wie ich verkuͤnde;
Alsdann reize die Knechte, vom Felſen herab mich zu ſtuͤrzen:
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Buſens, jenſeits des Acheloos.
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Zitationshilfe: | Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/283>, abgerufen am 16.02.2025. |