Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Dreizehnter Gesang.
Jenes hohe Gebirg ist Näritons waldichter Gipfel.

Sprachs, und zerstreute den Nebel; und hell lag vor ihm die Gegend. 350
Siehe da freuete sich der edle Dulder Odüßeus
Herzlich des Vaterlandes, und küßte die fruchtbare Erde.
Und nun fleht' er den Nümfen mit aufgehobenen Händen:

Zeus unsterbliche Töchter, ihr hohen Najaden, ich hoffte
Nimmer, euch wieder zu sehn; seid nun in frommem Gebete 355
Mir gegrüßt: bald bringen wir euch Geschenke, wie ehmals,
Wenn mir anders die Gnade von Zeus siegprangender Tochter
Jezo das Leben erhält, und den lieben Sohn mir gesegnet!

Drauf antwortete Zeus blauäugichte Tochter Athänä:
Sei getrost, und laß dich diese Gedanken nicht kümmern! 360
Aber wohlan, wir wollen im Winkel der heiligen Grotte
Gleich verbergen das Gut, damit es in Sicherheit liege,
Und uns dann berathen, was jezo das beßte zu thun sei.

Also sprach die Göttin, und ging in die dämmernde Grotte,
Heimliche Winkel umher ausspähend. Aber Odüßeus 365
Brachte das Gut hinein, die schöngewebeten Kleider,
Gold und daurendes Erz, das ihm die Faiaken geschenket,
Und verbarg es behende; dann sezte Pallas Athänä
Einen Stein vor die Thüre, des Wetterleuchtenden Tochter.

Hierauf sezten sie sich am Stamme des heiligen Oelbaums, 370
Und beschloßen den Tod der übermütigen Freier.
Also redete Zeus blauäugichte Tochter Athänä:

Edler Laertiad', erfindungsreicher Odüßeus,
Denk izt nach, wie dein Arm die schamlosen Freier bestrafe,
Welche nun schon drei Jahr' obwalten in deinem Palaste, 375
Und dein göttliches Weib mit Brautgeschenken umwerben.

Dreizehnter Geſang.
Jenes hohe Gebirg iſt Naͤritons waldichter Gipfel.

Sprachs, und zerſtreute den Nebel; und hell lag vor ihm die Gegend. 350
Siehe da freuete ſich der edle Dulder Oduͤßeus
Herzlich des Vaterlandes, und kuͤßte die fruchtbare Erde.
Und nun fleht' er den Nuͤmfen mit aufgehobenen Haͤnden:

Zeus unſterbliche Toͤchter, ihr hohen Najaden, ich hoffte
Nimmer, euch wieder zu ſehn; ſeid nun in frommem Gebete 355
Mir gegruͤßt: bald bringen wir euch Geſchenke, wie ehmals,
Wenn mir anders die Gnade von Zeus ſiegprangender Tochter
Jezo das Leben erhaͤlt, und den lieben Sohn mir geſegnet!

Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ:
Sei getroſt, und laß dich dieſe Gedanken nicht kuͤmmern! 360
Aber wohlan, wir wollen im Winkel der heiligen Grotte
Gleich verbergen das Gut, damit es in Sicherheit liege,
Und uns dann berathen, was jezo das beßte zu thun ſei.

Alſo ſprach die Goͤttin, und ging in die daͤmmernde Grotte,
Heimliche Winkel umher ausſpaͤhend. Aber Oduͤßeus 365
Brachte das Gut hinein, die ſchoͤngewebeten Kleider,
Gold und daurendes Erz, das ihm die Faiaken geſchenket,
Und verbarg es behende; dann ſezte Pallas Athaͤnaͤ
Einen Stein vor die Thuͤre, des Wetterleuchtenden Tochter.

Hierauf ſezten ſie ſich am Stamme des heiligen Oelbaums, 370
Und beſchloßen den Tod der uͤbermuͤtigen Freier.
Alſo redete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ:

Edler Laertiad', erfindungsreicher Oduͤßeus,
Denk izt nach, wie dein Arm die ſchamloſen Freier beſtrafe,
Welche nun ſchon drei Jahr' obwalten in deinem Palaſte, 375
Und dein goͤttliches Weib mit Brautgeſchenken umwerben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0265" n="259"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dreizehnter Ge&#x017F;ang.</hi></fw><lb/>
Jenes hohe Gebirg i&#x017F;t Na&#x0364;ritons waldichter Gipfel.</p><lb/>
        <p>Sprachs, und zer&#x017F;treute den Nebel; und hell lag vor ihm die Gegend. <note place="right">350</note><lb/>
Siehe da freuete &#x017F;ich der edle Dulder Odu&#x0364;ßeus<lb/>
Herzlich des Vaterlandes, und ku&#x0364;ßte die fruchtbare Erde.<lb/>
Und nun fleht' er den Nu&#x0364;mfen mit aufgehobenen Ha&#x0364;nden:</p><lb/>
        <p>Zeus un&#x017F;terbliche To&#x0364;chter, ihr hohen Najaden, ich hoffte<lb/>
Nimmer, euch wieder zu &#x017F;ehn; &#x017F;eid nun in frommem Gebete <note place="right">355</note><lb/>
Mir gegru&#x0364;ßt: bald bringen wir euch Ge&#x017F;chenke, wie ehmals,<lb/>
Wenn mir anders die Gnade von Zeus &#x017F;iegprangender Tochter<lb/>
Jezo das Leben erha&#x0364;lt, und den lieben Sohn mir ge&#x017F;egnet!</p><lb/>
        <p>Drauf antwortete Zeus blaua&#x0364;ugichte Tochter Atha&#x0364;na&#x0364;:<lb/>
Sei getro&#x017F;t, und laß dich die&#x017F;e Gedanken nicht ku&#x0364;mmern! <note place="right">360</note><lb/>
Aber wohlan, wir wollen im Winkel der heiligen Grotte<lb/>
Gleich verbergen das Gut, damit es in Sicherheit liege,<lb/>
Und uns dann berathen, was jezo das beßte zu thun &#x017F;ei.</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o &#x017F;prach die Go&#x0364;ttin, und ging in die da&#x0364;mmernde Grotte,<lb/>
Heimliche Winkel umher aus&#x017F;pa&#x0364;hend. Aber Odu&#x0364;ßeus <note place="right">365</note><lb/>
Brachte das Gut hinein, die &#x017F;cho&#x0364;ngewebeten Kleider,<lb/>
Gold und daurendes Erz, das ihm die Faiaken ge&#x017F;chenket,<lb/>
Und verbarg es behende; dann &#x017F;ezte Pallas Atha&#x0364;na&#x0364;<lb/>
Einen Stein vor die Thu&#x0364;re, des Wetterleuchtenden Tochter.</p><lb/>
        <p>Hierauf &#x017F;ezten &#x017F;ie &#x017F;ich am Stamme des heiligen Oelbaums, <note place="right">370</note><lb/>
Und be&#x017F;chloßen den Tod der u&#x0364;bermu&#x0364;tigen Freier.<lb/>
Al&#x017F;o redete Zeus blaua&#x0364;ugichte Tochter Atha&#x0364;na&#x0364;:</p><lb/>
        <p>Edler Laertiad', erfindungsreicher Odu&#x0364;ßeus,<lb/>
Denk izt nach, wie dein Arm die &#x017F;chamlo&#x017F;en Freier be&#x017F;trafe,<lb/>
Welche nun &#x017F;chon drei Jahr' obwalten in deinem Pala&#x017F;te, <note place="right">375</note><lb/>
Und dein go&#x0364;ttliches Weib mit Brautge&#x017F;chenken umwerben.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0265] Dreizehnter Geſang. Jenes hohe Gebirg iſt Naͤritons waldichter Gipfel. Sprachs, und zerſtreute den Nebel; und hell lag vor ihm die Gegend. Siehe da freuete ſich der edle Dulder Oduͤßeus Herzlich des Vaterlandes, und kuͤßte die fruchtbare Erde. Und nun fleht' er den Nuͤmfen mit aufgehobenen Haͤnden: 350 Zeus unſterbliche Toͤchter, ihr hohen Najaden, ich hoffte Nimmer, euch wieder zu ſehn; ſeid nun in frommem Gebete Mir gegruͤßt: bald bringen wir euch Geſchenke, wie ehmals, Wenn mir anders die Gnade von Zeus ſiegprangender Tochter Jezo das Leben erhaͤlt, und den lieben Sohn mir geſegnet! 355 Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ: Sei getroſt, und laß dich dieſe Gedanken nicht kuͤmmern! Aber wohlan, wir wollen im Winkel der heiligen Grotte Gleich verbergen das Gut, damit es in Sicherheit liege, Und uns dann berathen, was jezo das beßte zu thun ſei. 360 Alſo ſprach die Goͤttin, und ging in die daͤmmernde Grotte, Heimliche Winkel umher ausſpaͤhend. Aber Oduͤßeus Brachte das Gut hinein, die ſchoͤngewebeten Kleider, Gold und daurendes Erz, das ihm die Faiaken geſchenket, Und verbarg es behende; dann ſezte Pallas Athaͤnaͤ Einen Stein vor die Thuͤre, des Wetterleuchtenden Tochter. 365 Hierauf ſezten ſie ſich am Stamme des heiligen Oelbaums, Und beſchloßen den Tod der uͤbermuͤtigen Freier. Alſo redete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ: 370 Edler Laertiad', erfindungsreicher Oduͤßeus, Denk izt nach, wie dein Arm die ſchamloſen Freier beſtrafe, Welche nun ſchon drei Jahr' obwalten in deinem Palaſte, Und dein goͤttliches Weib mit Brautgeſchenken umwerben. 375

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/265
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/265>, abgerufen am 22.11.2024.