Blume wuchs, und den Kinn die zarten Sprößlinge bräunten. 320
Drauf kam Faidra und Prokris, und Ariadnä die schöne, Jene Tochter Minos des allerfahrnen, die Thäseus Einst aus Kräta entführte zur heiligen Flur von Athänai. Aber er brachte sie nicht; denn in der umfloßenen Dia Hielt sie Artemis an, auf Dionüsos Verkündung. 325
Maira und Klümenä kam, und das schändliche Weib Erifülä, Welche den theuren Gemahl um ein goldenes Kleinod verkaufte.
Aber ich kann unmöglich sie alle beschreiben und nennen, Welche Weiber und Töchter berühmter Helden ich schaute. Sonst vergeht die ambrosische Nacht; und die Stunde gebeut mir, 330 Schlafen zu gehn, bei den Freunden in unserm gerüsteten Schiffe, Oder auch hier. Die Reise befehl' ich euch und den Göttern.
Also sprach er; und alle verstummten umher, und schwiegen, Horchten noch, wie entzückt, im großen schattigen Saale. Endlich begann Arätä, die lilienarmige Fürstin: 335
Sagt mir doch, ihr Faiaken, was haltet ihr von dem Manne, Seiner Gestalt und Größe, mit solchem Geiste vereinigt? Seht, das ist mein Gast! Doch jeder hat Theil an der Ehre. Darum sendet ihn nicht so eilend, und spart die Geschenke Bei dem darbenden Manne nicht alzu kärglich; ihr habt ja 340 Reiche Schäze daheim, durch die Gnade der Götter, verwahret!
Hierauf sprach zur Versammlung der graue Held Echäneos, Welcher der älteste war von allen faiakischen Männern:
Freunde, nicht unserem Wunsch, noch unsrer Erwartung entgegen, Redete jezt voll Weisheit die Königin; darum gehorchet! 345 Aber Alkinoos selber gebührt es zu reden und handeln.
Ihm antwortete drauf Alkinoos wieder, und sagte:
Elfter Geſang.
Blume wuchs, und den Kinn die zarten Sproͤßlinge braͤunten. 320
Drauf kam Faidra und Prokris, und Ariadnaͤ die ſchoͤne, Jene Tochter Minos des allerfahrnen, die Thaͤſeus Einſt aus Kraͤta entfuͤhrte zur heiligen Flur von Athaͤnai. Aber er brachte ſie nicht; denn in der umfloßenen Dia Hielt ſie Artemis an, auf Dionuͤſos Verkuͤndung. 325
Maira und Kluͤmenaͤ kam, und das ſchaͤndliche Weib Erifuͤlaͤ, Welche den theuren Gemahl um ein goldenes Kleinod verkaufte.
Aber ich kann unmoͤglich ſie alle beſchreiben und nennen, Welche Weiber und Toͤchter beruͤhmter Helden ich ſchaute. Sonſt vergeht die ambroſiſche Nacht; und die Stunde gebeut mir, 330 Schlafen zu gehn, bei den Freunden in unſerm geruͤſteten Schiffe, Oder auch hier. Die Reiſe befehl' ich euch und den Goͤttern.
Alſo ſprach er; und alle verſtummten umher, und ſchwiegen, Horchten noch, wie entzuͤckt, im großen ſchattigen Saale. Endlich begann Araͤtaͤ, die lilienarmige Fuͤrſtin: 335
Sagt mir doch, ihr Faiaken, was haltet ihr von dem Manne, Seiner Geſtalt und Groͤße, mit ſolchem Geiſte vereinigt? Seht, das iſt mein Gaſt! Doch jeder hat Theil an der Ehre. Darum ſendet ihn nicht ſo eilend, und ſpart die Geſchenke Bei dem darbenden Manne nicht alzu kaͤrglich; ihr habt ja 340 Reiche Schaͤze daheim, durch die Gnade der Goͤtter, verwahret!
Hierauf ſprach zur Verſammlung der graue Held Echaͤneos, Welcher der aͤlteſte war von allen faiakiſchen Maͤnnern:
Freunde, nicht unſerem Wunſch, noch unſrer Erwartung entgegen, Redete jezt voll Weisheit die Koͤnigin; darum gehorchet! 345 Aber Alkinoos ſelber gebuͤhrt es zu reden und handeln.
Ihm antwortete drauf Alkinoos wieder, und ſagte:
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Blume wuchs, und den Kinn die zarten Sproͤßlinge braͤunten.
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Drauf kam Faidra und Prokris, und Ariadnaͤ die ſchoͤne,
Jene Tochter Minos des allerfahrnen, die Thaͤſeus
Einſt aus Kraͤta entfuͤhrte zur heiligen Flur von Athaͤnai.
Aber er brachte ſie nicht; denn in der umfloßenen Dia
Hielt ſie Artemis an, auf Dionuͤſos Verkuͤndung.
325
Maira und Kluͤmenaͤ kam, und das ſchaͤndliche Weib Erifuͤlaͤ,
Welche den theuren Gemahl um ein goldenes Kleinod verkaufte.
Aber ich kann unmoͤglich ſie alle beſchreiben und nennen,
Welche Weiber und Toͤchter beruͤhmter Helden ich ſchaute.
Sonſt vergeht die ambroſiſche Nacht; und die Stunde gebeut mir,
Schlafen zu gehn, bei den Freunden in unſerm geruͤſteten Schiffe,
Oder auch hier. Die Reiſe befehl' ich euch und den Goͤttern.
330
Alſo ſprach er; und alle verſtummten umher, und ſchwiegen,
Horchten noch, wie entzuͤckt, im großen ſchattigen Saale.
Endlich begann Araͤtaͤ, die lilienarmige Fuͤrſtin:
335
Sagt mir doch, ihr Faiaken, was haltet ihr von dem Manne,
Seiner Geſtalt und Groͤße, mit ſolchem Geiſte vereinigt?
Seht, das iſt mein Gaſt! Doch jeder hat Theil an der Ehre.
Darum ſendet ihn nicht ſo eilend, und ſpart die Geſchenke
Bei dem darbenden Manne nicht alzu kaͤrglich; ihr habt ja
Reiche Schaͤze daheim, durch die Gnade der Goͤtter, verwahret!
340
Hierauf ſprach zur Verſammlung der graue Held Echaͤneos,
Welcher der aͤlteſte war von allen faiakiſchen Maͤnnern:
Freunde, nicht unſerem Wunſch, noch unſrer Erwartung entgegen,
Redete jezt voll Weisheit die Koͤnigin; darum gehorchet!
Aber Alkinoos ſelber gebuͤhrt es zu reden und handeln.
345
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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/223>, abgerufen am 23.11.2024.
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