Unternahm sie: allein ihn hinderte Gottes Verhängniß, Seine grausamen Band', und die Hirten der weidenden Rinder. Aber nachdem die Monden und Tage waren vollendet, Und ein neues Jahr mit den kreisenden Horen herankam; 295 Siehe da löste den Seher der mächtige König Ifikläs, Weil er ihm profezeit. So geschah der Wille Kronions.
Jezo erblickt' ich Läda, Tündareos Ehegenoßin, Welche ihrem Gemahl zween mutige Söhne geboren: Kastor durch Roße berühmt, und Polüdeikäs im Faustkampf. 300 Diese leben noch beid' in der allernährenden Erde. Denn auch unter der Erde beehrte sie Zeus mit dem Vorrecht, Daß sie beid' abwechselnd den einen Tag um den andern Leben und wieder sterben, und göttlicher Ehre genießen.
Drauf kam Ifimedeia, die Ehegenoßin Aloeus, 305 Rühmend, sie habe geruht in Poseidaons Umarmung. Und sie gebar zween Söhne, wiewohl ihr Leben nur kurz war: Otos voll göttlicher Kraft, und den ruchtbaren Efialtäs. Diese waren die längsten von allen Erdebewohnern, Und bei weitem die schönsten, nach jenem berühmten Orion. 310 Denn im neunten Jahre, da maß neun Ellen die Breite Ihres Rumpfes, da maß neun Klaftern die Höhe des Hauptes. Und sie drohten sogar den Unsterblichen, ihren Olümpos Mit verheerendem Sturm und Schlachtengetümmel zu füllen. Oßa mühten sie sich auf Olümpos zu sezen, auf Oßa 315 Pelions Waldgebirg, um hinauf in den Himmel zu steigen. Und sie hättens vollbracht, wär' ihre Jugend gereifet. Aber sie traf Zeus Sohn, den die reizende Läto geboren, Beide mit Todesgeschoß, eh unter den Schläfen des Bartes
Oduͤßee.
Unternahm ſie: allein ihn hinderte Gottes Verhaͤngniß, Seine grauſamen Band', und die Hirten der weidenden Rinder. Aber nachdem die Monden und Tage waren vollendet, Und ein neues Jahr mit den kreiſenden Horen herankam; 295 Siehe da loͤſte den Seher der maͤchtige Koͤnig Ifiklaͤs, Weil er ihm profezeit. So geſchah der Wille Kronions.
Jezo erblickt' ich Laͤda, Tuͤndareos Ehegenoßin, Welche ihrem Gemahl zween mutige Soͤhne geboren: Kaſtor durch Roße beruͤhmt, und Poluͤdeikaͤs im Fauſtkampf. 300 Dieſe leben noch beid' in der allernaͤhrenden Erde. Denn auch unter der Erde beehrte ſie Zeus mit dem Vorrecht, Daß ſie beid' abwechſelnd den einen Tag um den andern Leben und wieder ſterben, und goͤttlicher Ehre genießen.
Drauf kam Ifimedeia, die Ehegenoßin Aloeus, 305 Ruͤhmend, ſie habe geruht in Poſeidaons Umarmung. Und ſie gebar zween Soͤhne, wiewohl ihr Leben nur kurz war: Otos voll goͤttlicher Kraft, und den ruchtbaren Efialtaͤs. Dieſe waren die laͤngſten von allen Erdebewohnern, Und bei weitem die ſchoͤnſten, nach jenem beruͤhmten Orion. 310 Denn im neunten Jahre, da maß neun Ellen die Breite Ihres Rumpfes, da maß neun Klaftern die Hoͤhe des Hauptes. Und ſie drohten ſogar den Unſterblichen, ihren Oluͤmpos Mit verheerendem Sturm und Schlachtengetuͤmmel zu fuͤllen. Oßa muͤhten ſie ſich auf Oluͤmpos zu ſezen, auf Oßa 315 Pelions Waldgebirg, um hinauf in den Himmel zu ſteigen. Und ſie haͤttens vollbracht, waͤr' ihre Jugend gereifet. Aber ſie traf Zeus Sohn, den die reizende Laͤto geboren, Beide mit Todesgeſchoß, eh unter den Schlaͤfen des Bartes
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Oduͤßee.
Unternahm ſie: allein ihn hinderte Gottes Verhaͤngniß,
Seine grauſamen Band', und die Hirten der weidenden Rinder.
Aber nachdem die Monden und Tage waren vollendet,
Und ein neues Jahr mit den kreiſenden Horen herankam;
Siehe da loͤſte den Seher der maͤchtige Koͤnig Ifiklaͤs,
Weil er ihm profezeit. So geſchah der Wille Kronions.
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Jezo erblickt' ich Laͤda, Tuͤndareos Ehegenoßin,
Welche ihrem Gemahl zween mutige Soͤhne geboren:
Kaſtor durch Roße beruͤhmt, und Poluͤdeikaͤs im Fauſtkampf.
Dieſe leben noch beid' in der allernaͤhrenden Erde.
Denn auch unter der Erde beehrte ſie Zeus mit dem Vorrecht,
Daß ſie beid' abwechſelnd den einen Tag um den andern
Leben und wieder ſterben, und goͤttlicher Ehre genießen.
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Drauf kam Ifimedeia, die Ehegenoßin Aloeus,
Ruͤhmend, ſie habe geruht in Poſeidaons Umarmung.
Und ſie gebar zween Soͤhne, wiewohl ihr Leben nur kurz war:
Otos voll goͤttlicher Kraft, und den ruchtbaren Efialtaͤs.
Dieſe waren die laͤngſten von allen Erdebewohnern,
Und bei weitem die ſchoͤnſten, nach jenem beruͤhmten Orion.
Denn im neunten Jahre, da maß neun Ellen die Breite
Ihres Rumpfes, da maß neun Klaftern die Hoͤhe des Hauptes.
Und ſie drohten ſogar den Unſterblichen, ihren Oluͤmpos
Mit verheerendem Sturm und Schlachtengetuͤmmel zu fuͤllen.
Oßa muͤhten ſie ſich auf Oluͤmpos zu ſezen, auf Oßa
Pelions Waldgebirg, um hinauf in den Himmel zu ſteigen.
Und ſie haͤttens vollbracht, waͤr' ihre Jugend gereifet.
Aber ſie traf Zeus Sohn, den die reizende Laͤto geboren,
Beide mit Todesgeſchoß, eh unter den Schlaͤfen des Bartes
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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/222>, abgerufen am 23.11.2024.
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