Diesen ergriff ich schnell beim Rücken, wälzte mich nieder Unter den wollichten Bauch, und lag mit duldendem Herzen, Beide Hände fest im Gekräusel der Flocken verwickelt. 435 Also erwarteten wir mit Seufzen die heilige Frühe.
Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte, Eilten die Männer der Heerde mit Ungestüm auf die Weide. Aber es blöckten am Stalle die ungemelkten Mütter; Denn die Euter strozten von Milch. Der grausame Wütrich 440 Saß von Schmerzen gefoltert, und tastete sorgsam die Rücken Aller steigenden Widder, und ahndete nicht in der Dummheit, Daß ich sie unter die Brust der wollichten Böcke gebunden. Langsam folgte nun der übrigen Heerde mein Widder, Schwerbeladen mit Wolle, und mir, der mancherlei dachte. 445 Streichelnd betastet' auch ihn das Ungeheuer, und sagte:
Süßes Böckchen, wie gehts? Du kommst zulezt aus der Höhle? Ei du pflegst mir ja sonst nicht hinter der Heerde zu bleiben! Trabst ja so hurtig voran, und pflückst dir zuerst auf der Weide Gräschen und Blümelein; eilst auch zuerst in die Wellen der Flüße; 450 Trachtest auch immer zuerst in den Stall zu kommen des Abends! Nun der lezte von allen? Ach geht dir etwa das Auge Deines Herren so nah? Der Bösewicht hat mirs entrißen, Er samt seinem Gesindel, indem er mit Wein mich berauschte, Niemand! Ich mein', er ist mir noch nicht dem Verderben entronnen! 455 Hättest du nur Gedanken wie ich, und verstündest die Sprache; Daß du mir sagtest, wo jener vor meiner Stärke sich hinbirgt! Ha! auf den Boden geschmettert, wie sollte sein Hirn durch die Höhle Hiehin und dahin zersprizen! Wie würde mein Herz von dem Jammer Sich erlaben, den mir der Taugenicht machte, der Niemand! 460
Oduͤßee.
Dieſen ergriff ich ſchnell beim Ruͤcken, waͤlzte mich nieder Unter den wollichten Bauch, und lag mit duldendem Herzen, Beide Haͤnde feſt im Gekraͤuſel der Flocken verwickelt. 435 Alſo erwarteten wir mit Seufzen die heilige Fruͤhe.
Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, Eilten die Maͤnner der Heerde mit Ungeſtuͤm auf die Weide. Aber es bloͤckten am Stalle die ungemelkten Muͤtter; Denn die Euter ſtrozten von Milch. Der grauſame Wuͤtrich 440 Saß von Schmerzen gefoltert, und taſtete ſorgſam die Ruͤcken Aller ſteigenden Widder, und ahndete nicht in der Dummheit, Daß ich ſie unter die Bruſt der wollichten Boͤcke gebunden. Langſam folgte nun der uͤbrigen Heerde mein Widder, Schwerbeladen mit Wolle, und mir, der mancherlei dachte. 445 Streichelnd betaſtet' auch ihn das Ungeheuer, und ſagte:
Suͤßes Boͤckchen, wie gehts? Du kommſt zulezt aus der Hoͤhle? Ei du pflegſt mir ja ſonſt nicht hinter der Heerde zu bleiben! Trabſt ja ſo hurtig voran, und pfluͤckſt dir zuerſt auf der Weide Graͤschen und Bluͤmelein; eilſt auch zuerſt in die Wellen der Fluͤße; 450 Trachteſt auch immer zuerſt in den Stall zu kommen des Abends! Nun der lezte von allen? Ach geht dir etwa das Auge Deines Herren ſo nah? Der Boͤſewicht hat mirs entrißen, Er ſamt ſeinem Geſindel, indem er mit Wein mich berauſchte, Niemand! Ich mein', er iſt mir noch nicht dem Verderben entronnen! 455 Haͤtteſt du nur Gedanken wie ich, und verſtuͤndeſt die Sprache; Daß du mir ſagteſt, wo jener vor meiner Staͤrke ſich hinbirgt! Ha! auf den Boden geſchmettert, wie ſollte ſein Hirn durch die Hoͤhle Hiehin und dahin zerſprizen! Wie wuͤrde mein Herz von dem Jammer Sich erlaben, den mir der Taugenicht machte, der Niemand! 460
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Oduͤßee.
Dieſen ergriff ich ſchnell beim Ruͤcken, waͤlzte mich nieder
Unter den wollichten Bauch, und lag mit duldendem Herzen,
Beide Haͤnde feſt im Gekraͤuſel der Flocken verwickelt.
Alſo erwarteten wir mit Seufzen die heilige Fruͤhe.
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Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte,
Eilten die Maͤnner der Heerde mit Ungeſtuͤm auf die Weide.
Aber es bloͤckten am Stalle die ungemelkten Muͤtter;
Denn die Euter ſtrozten von Milch. Der grauſame Wuͤtrich
Saß von Schmerzen gefoltert, und taſtete ſorgſam die Ruͤcken
Aller ſteigenden Widder, und ahndete nicht in der Dummheit,
Daß ich ſie unter die Bruſt der wollichten Boͤcke gebunden.
Langſam folgte nun der uͤbrigen Heerde mein Widder,
Schwerbeladen mit Wolle, und mir, der mancherlei dachte.
Streichelnd betaſtet' auch ihn das Ungeheuer, und ſagte:
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Suͤßes Boͤckchen, wie gehts? Du kommſt zulezt aus der Hoͤhle?
Ei du pflegſt mir ja ſonſt nicht hinter der Heerde zu bleiben!
Trabſt ja ſo hurtig voran, und pfluͤckſt dir zuerſt auf der Weide
Graͤschen und Bluͤmelein; eilſt auch zuerſt in die Wellen der Fluͤße;
Trachteſt auch immer zuerſt in den Stall zu kommen des Abends!
Nun der lezte von allen? Ach geht dir etwa das Auge
Deines Herren ſo nah? Der Boͤſewicht hat mirs entrißen,
Er ſamt ſeinem Geſindel, indem er mit Wein mich berauſchte,
Niemand! Ich mein', er iſt mir noch nicht dem Verderben entronnen!
Haͤtteſt du nur Gedanken wie ich, und verſtuͤndeſt die Sprache;
Daß du mir ſagteſt, wo jener vor meiner Staͤrke ſich hinbirgt!
Ha! auf den Boden geſchmettert, wie ſollte ſein Hirn durch die Hoͤhle
Hiehin und dahin zerſprizen! Wie wuͤrde mein Herz von dem Jammer
Sich erlaben, den mir der Taugenicht machte, der Niemand!
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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/184>, abgerufen am 18.12.2024.
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