Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Odüßee.
Kein Erbarmen für ihn, Olümpier? Brachte Odüßeus 60
Nicht bey den Schiffen der Griechen in Troja's weitem Gefilde
Sühnender Opfer genung? Warum denn zürnest du so, Zeus?

Ihr antwortete drauf der Wolkenversammler Kronion:
Welche Rede, mein Kind, ist deinen Lippen entflohen?
O wie könnte doch ich des edlen Odüßeus vergessen? 65
Sein, des weisesten Mannes, und der die reichlichsten Opfer
Uns Unsterblichen brachte, des weiten Himmels Bewohnern?
Poseidaon verfolgt ihn, der Erdumgürter, mit heißer
Unaufhörlicher Rache; weil er den Küklopen geblendet,
Polüfämos, den Riesen, der unter allen Küklopen, 70
Stark wie ein Gott, sich erhebt. Ihn gebar die Nümfe Thoosa,
Forküns Tochter, des Herschers im wüsten Reiche der Wasser, V. 72.
Welche Poseidon einst in dämmernder Grotte bezwungen.
Darum trachtet den Helden der Erderschüttrer Poseidon,
Nicht zu tödten, allein von der Heimat irre zu treiben. 75
Aber wir wollen uns alle zum Rath vereinen, die Heimkehr
Dieses Verfolgten zu fördern; und Poseidaon entsage
Seinem Zorn: denn nichts vermag er doch wider uns alle,
Uns unsterblichen Göttern allein entgegen zu kämpfen!

Drauf antwortete Zeus blauäugichte Tochter Athänä: 80
Unser Vater Kronion, der herschenden Könige Herscher,
Ist denn dieses im Rathe der seligen Götter beschlossen,
Daß in sein Vaterland heimkehre der weise Odüßeus;
Auf! so laßt uns Hermeias, den rüstigen Argosbesieger,
Senden hinab zu der Insel Ogügia: daß er der Nümfe 85
Mit schönwallenden Locken verkünde den heiligen Rathschluß,

V. 72. Forkün, einer von den Untergöttern des Meers

Oduͤßee.
Kein Erbarmen fuͤr ihn, Oluͤmpier? Brachte Oduͤßeus 60
Nicht bey den Schiffen der Griechen in Troja's weitem Gefilde
Suͤhnender Opfer genung? Warum denn zuͤrneſt du ſo, Zeus?

Ihr antwortete drauf der Wolkenverſammler Kronion:
Welche Rede, mein Kind, iſt deinen Lippen entflohen?
O wie koͤnnte doch ich des edlen Oduͤßeus vergeſſen? 65
Sein, des weiſeſten Mannes, und der die reichlichſten Opfer
Uns Unſterblichen brachte, des weiten Himmels Bewohnern?
Poſeidaon verfolgt ihn, der Erdumguͤrter, mit heißer
Unaufhoͤrlicher Rache; weil er den Kuͤklopen geblendet,
Poluͤfaͤmos, den Rieſen, der unter allen Kuͤklopen, 70
Stark wie ein Gott, ſich erhebt. Ihn gebar die Nuͤmfe Thooſa,
Forkuͤns Tochter, des Herſchers im wuͤſten Reiche der Waſſer, V. 72.
Welche Poſeidon einſt in daͤmmernder Grotte bezwungen.
Darum trachtet den Helden der Erderſchuͤttrer Poſeidon,
Nicht zu toͤdten, allein von der Heimat irre zu treiben. 75
Aber wir wollen uns alle zum Rath vereinen, die Heimkehr
Dieſes Verfolgten zu foͤrdern; und Poſeidaon entſage
Seinem Zorn: denn nichts vermag er doch wider uns alle,
Uns unſterblichen Goͤttern allein entgegen zu kaͤmpfen!

Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ: 80
Unſer Vater Kronion, der herſchenden Koͤnige Herſcher,
Iſt denn dieſes im Rathe der ſeligen Goͤtter beſchloſſen,
Daß in ſein Vaterland heimkehre der weiſe Oduͤßeus;
Auf! ſo laßt uns Hermeias, den ruͤſtigen Argosbeſieger,
Senden hinab zu der Inſel Oguͤgia: daß er der Nuͤmfe 85
Mit ſchoͤnwallenden Locken verkuͤnde den heiligen Rathſchluß,

V. 72. Forkuͤn, einer von den Untergoͤttern des Meers
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0018" n="12"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Odu&#x0364;ßee.</hi></fw><lb/>
Kein Erbarmen fu&#x0364;r ihn, Olu&#x0364;mpier? Brachte Odu&#x0364;ßeus <note place="right">60</note><lb/>
Nicht bey den Schiffen der Griechen in Troja's weitem Gefilde<lb/>
Su&#x0364;hnender Opfer genung? Warum denn zu&#x0364;rne&#x017F;t du &#x017F;o, Zeus?</p><lb/>
        <p>Ihr antwortete drauf der Wolkenver&#x017F;ammler Kronion:<lb/>
Welche Rede, mein Kind, i&#x017F;t deinen Lippen entflohen?<lb/>
O wie ko&#x0364;nnte doch ich des edlen Odu&#x0364;ßeus verge&#x017F;&#x017F;en? <note place="right">65</note><lb/>
Sein, des wei&#x017F;e&#x017F;ten Mannes, und der die reichlich&#x017F;ten Opfer<lb/>
Uns Un&#x017F;terblichen brachte, des weiten Himmels Bewohnern?<lb/>
Po&#x017F;eidaon verfolgt ihn, der Erdumgu&#x0364;rter, mit heißer<lb/>
Unaufho&#x0364;rlicher Rache; weil er den Ku&#x0364;klopen geblendet,<lb/>
Polu&#x0364;fa&#x0364;mos, den Rie&#x017F;en, der unter allen Ku&#x0364;klopen, <note place="right">70</note><lb/>
Stark wie ein Gott, &#x017F;ich erhebt. Ihn gebar die Nu&#x0364;mfe Thoo&#x017F;a,<lb/>
Forku&#x0364;ns Tochter, des Her&#x017F;chers im wu&#x0364;&#x017F;ten Reiche der Wa&#x017F;&#x017F;er, <note place="foot" n="V. 72.">Forku&#x0364;n, einer von den Untergo&#x0364;ttern des Meers</note><lb/>
Welche Po&#x017F;eidon ein&#x017F;t in da&#x0364;mmernder Grotte bezwungen.<lb/>
Darum trachtet den Helden der Erder&#x017F;chu&#x0364;ttrer Po&#x017F;eidon,<lb/>
Nicht zu to&#x0364;dten, allein von der Heimat irre zu treiben. <note place="right">75</note><lb/>
Aber wir wollen uns alle zum Rath vereinen, die Heimkehr<lb/>
Die&#x017F;es Verfolgten zu fo&#x0364;rdern; und Po&#x017F;eidaon ent&#x017F;age<lb/>
Seinem Zorn: denn nichts vermag er doch wider uns alle,<lb/>
Uns un&#x017F;terblichen Go&#x0364;ttern allein entgegen zu ka&#x0364;mpfen!</p><lb/>
        <p>Drauf antwortete Zeus blaua&#x0364;ugichte Tochter Atha&#x0364;na&#x0364;: <note place="right">80</note><lb/>
Un&#x017F;er Vater Kronion, der her&#x017F;chenden Ko&#x0364;nige Her&#x017F;cher,<lb/>
I&#x017F;t denn die&#x017F;es im Rathe der &#x017F;eligen Go&#x0364;tter be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
Daß in &#x017F;ein Vaterland heimkehre der wei&#x017F;e Odu&#x0364;ßeus;<lb/>
Auf! &#x017F;o laßt uns Hermeias, den ru&#x0364;&#x017F;tigen Argosbe&#x017F;ieger,<lb/>
Senden hinab zu der In&#x017F;el Ogu&#x0364;gia: daß er der Nu&#x0364;mfe <note place="right">85</note><lb/>
Mit &#x017F;cho&#x0364;nwallenden Locken verku&#x0364;nde den heiligen Rath&#x017F;chluß,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0018] Oduͤßee. Kein Erbarmen fuͤr ihn, Oluͤmpier? Brachte Oduͤßeus Nicht bey den Schiffen der Griechen in Troja's weitem Gefilde Suͤhnender Opfer genung? Warum denn zuͤrneſt du ſo, Zeus? 60 Ihr antwortete drauf der Wolkenverſammler Kronion: Welche Rede, mein Kind, iſt deinen Lippen entflohen? O wie koͤnnte doch ich des edlen Oduͤßeus vergeſſen? Sein, des weiſeſten Mannes, und der die reichlichſten Opfer Uns Unſterblichen brachte, des weiten Himmels Bewohnern? Poſeidaon verfolgt ihn, der Erdumguͤrter, mit heißer Unaufhoͤrlicher Rache; weil er den Kuͤklopen geblendet, Poluͤfaͤmos, den Rieſen, der unter allen Kuͤklopen, Stark wie ein Gott, ſich erhebt. Ihn gebar die Nuͤmfe Thooſa, Forkuͤns Tochter, des Herſchers im wuͤſten Reiche der Waſſer, V. 72. Welche Poſeidon einſt in daͤmmernder Grotte bezwungen. Darum trachtet den Helden der Erderſchuͤttrer Poſeidon, Nicht zu toͤdten, allein von der Heimat irre zu treiben. Aber wir wollen uns alle zum Rath vereinen, die Heimkehr Dieſes Verfolgten zu foͤrdern; und Poſeidaon entſage Seinem Zorn: denn nichts vermag er doch wider uns alle, Uns unſterblichen Goͤttern allein entgegen zu kaͤmpfen! 65 70 75 Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ: Unſer Vater Kronion, der herſchenden Koͤnige Herſcher, Iſt denn dieſes im Rathe der ſeligen Goͤtter beſchloſſen, Daß in ſein Vaterland heimkehre der weiſe Oduͤßeus; Auf! ſo laßt uns Hermeias, den ruͤſtigen Argosbeſieger, Senden hinab zu der Inſel Oguͤgia: daß er der Nuͤmfe Mit ſchoͤnwallenden Locken verkuͤnde den heiligen Rathſchluß, 80 85 V. 72. Forkuͤn, einer von den Untergoͤttern des Meers

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/18
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/18>, abgerufen am 21.11.2024.