Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Achter Gesang.
Aber verkündige mir, und sage die lautere Wahrheit:
Welche Länder bist du auf deinen Irren durchwandert,
Und wie fandest du dort die Völker und prächtigen Städte?
Welche schwärmten noch wild als sittenlose Barbaren? 575
Welche dienten den Göttern, und liebten das heilige Gastrecht?
Sage mir auch, was weinst du, und warum traurst du so herzlich,
Wenn du von der Achaier und Ilions Schicksale hörest?
Dieses beschloß der Unsterblichen Rath, und bestimmte der Menschen
Untergang; daß er würd' ein Gesang der Enkelgeschlechter. 580
Sank vielleicht auch dir in Ilions blutigen Schlachten
Irgend ein edler Verwandter, ein Eidam oder ein Schwäher,
Welche die nächsten uns sind, nach unserem Blut und Geschlechte?
Oder etwa ein tapferer Freund von gefälligem Herzen?
Denn fürwahr nicht geringer, als selbst ein leiblicher Bruder, 585
Ist ein treuer Freund, verständig und edler Gesinnung.



L

Achter Geſang.
Aber verkuͤndige mir, und ſage die lautere Wahrheit:
Welche Laͤnder biſt du auf deinen Irren durchwandert,
Und wie fandeſt du dort die Voͤlker und praͤchtigen Staͤdte?
Welche ſchwaͤrmten noch wild als ſittenloſe Barbaren? 575
Welche dienten den Goͤttern, und liebten das heilige Gaſtrecht?
Sage mir auch, was weinſt du, und warum traurſt du ſo herzlich,
Wenn du von der Achaier und Ilions Schickſale hoͤreſt?
Dieſes beſchloß der Unſterblichen Rath, und beſtimmte der Menſchen
Untergang; daß er wuͤrd' ein Geſang der Enkelgeſchlechter. 580
Sank vielleicht auch dir in Ilions blutigen Schlachten
Irgend ein edler Verwandter, ein Eidam oder ein Schwaͤher,
Welche die naͤchſten uns ſind, nach unſerem Blut und Geſchlechte?
Oder etwa ein tapferer Freund von gefaͤlligem Herzen?
Denn fuͤrwahr nicht geringer, als ſelbſt ein leiblicher Bruder, 585
Iſt ein treuer Freund, verſtaͤndig und edler Geſinnung.



L
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0167" n="161"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Achter Ge&#x017F;ang.</hi></fw><lb/>
Aber verku&#x0364;ndige mir, und &#x017F;age die lautere Wahrheit:<lb/>
Welche La&#x0364;nder bi&#x017F;t du auf deinen Irren durchwandert,<lb/>
Und wie fande&#x017F;t du dort die Vo&#x0364;lker und pra&#x0364;chtigen Sta&#x0364;dte?<lb/>
Welche &#x017F;chwa&#x0364;rmten noch wild als &#x017F;ittenlo&#x017F;e Barbaren? <note place="right">575</note><lb/>
Welche dienten den Go&#x0364;ttern, und liebten das heilige Ga&#x017F;trecht?<lb/>
Sage mir auch, was wein&#x017F;t du, und warum traur&#x017F;t du &#x017F;o herzlich,<lb/>
Wenn du von der Achaier und Ilions Schick&#x017F;ale ho&#x0364;re&#x017F;t?<lb/>
Die&#x017F;es be&#x017F;chloß der Un&#x017F;terblichen Rath, und be&#x017F;timmte der Men&#x017F;chen<lb/>
Untergang; daß er wu&#x0364;rd' ein Ge&#x017F;ang der Enkelge&#x017F;chlechter. <note place="right">580</note><lb/>
Sank vielleicht auch dir in Ilions blutigen Schlachten<lb/>
Irgend ein edler Verwandter, ein Eidam oder ein Schwa&#x0364;her,<lb/>
Welche die na&#x0364;ch&#x017F;ten uns &#x017F;ind, nach un&#x017F;erem Blut und Ge&#x017F;chlechte?<lb/>
Oder etwa ein tapferer Freund von gefa&#x0364;lligem Herzen?<lb/>
Denn fu&#x0364;rwahr nicht geringer, als &#x017F;elb&#x017F;t ein leiblicher Bruder, <note place="right">585</note><lb/>
I&#x017F;t ein treuer Freund, ver&#x017F;ta&#x0364;ndig und edler Ge&#x017F;innung.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">L</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0167] Achter Geſang. Aber verkuͤndige mir, und ſage die lautere Wahrheit: Welche Laͤnder biſt du auf deinen Irren durchwandert, Und wie fandeſt du dort die Voͤlker und praͤchtigen Staͤdte? Welche ſchwaͤrmten noch wild als ſittenloſe Barbaren? Welche dienten den Goͤttern, und liebten das heilige Gaſtrecht? Sage mir auch, was weinſt du, und warum traurſt du ſo herzlich, Wenn du von der Achaier und Ilions Schickſale hoͤreſt? Dieſes beſchloß der Unſterblichen Rath, und beſtimmte der Menſchen Untergang; daß er wuͤrd' ein Geſang der Enkelgeſchlechter. Sank vielleicht auch dir in Ilions blutigen Schlachten Irgend ein edler Verwandter, ein Eidam oder ein Schwaͤher, Welche die naͤchſten uns ſind, nach unſerem Blut und Geſchlechte? Oder etwa ein tapferer Freund von gefaͤlligem Herzen? Denn fuͤrwahr nicht geringer, als ſelbſt ein leiblicher Bruder, Iſt ein treuer Freund, verſtaͤndig und edler Geſinnung. 575 580 585 L

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/167
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/167>, abgerufen am 24.11.2024.