Wer, und von wannen bist du? Wer gab dir diese Gewande? Sagtest du nicht, du kämest hieher vom Sturme verschlagen?
Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odüßeus: 240 Schwer, o Königin, ist es, dir alle Leiden von Anfang Herzunennen, die mir die himmlischen Götter gesendet. Dennoch will ich dir dieses, warum du mich fragest, erzählen. Fern auf dem Meere liegt Ogügia, eine der Inseln, Wo des Atlas Tochter, die listenreiche Kalüpso 245 Wohnet, die schöngelockte, die furchtbare Göttin. Es pfleget Keiner der Götter mit ihr, und keiner der Menschen, Gemeinschaft. Mich Unglücklichen nur, mich führte zu ihrer Behausung Irgend ein Dämon, nachdem mir der Gott hochrollender Donner Mitten im Meere mein Schiff mit dem dampfenden Strale zerschmettert! 250 Alle tapfern Gefährten versanken mir dort in den Abgrund. Aber ich, der den Kiel des zertrümmerten Schiffes umschlungen, Trieb neun Tage herum. In der zehnten der schrecklichen Nächte Führten die Himmlischen mich gen Ogügia, wo Kalüpso Wohnet, die schöngelockte, die furchtbare Göttin. Sie nahm mich 255 Freundlich und gastfrei auf, und reichte mir Nahrung, und sagte Mir Unsterblichkeit zu und nimmerverblühende Jugend. Dennoch vermochte sie nimmer mein standhaftes Herz zu bewegen. Sieben Jahre blieb ich bei ihr, und nezte mit Thränen Stets die ambrosischen Kleider, die mir Kalüpso geschenket. 260 Als nun endlich das achte der rollenden Jahre gekommen, Da gebot sie mir selber die Heimfahrt; weil es Kronion Ordnete, oder ihr Herz sich geändert hatte. Sie sandte Mich auf vielgebundenem Floß, und schenkte mir reichlich Speise und süßen Wein, und gab mir ambrosische Kleider; 265
Oduͤßee.
Wer, und von wannen biſt du? Wer gab dir dieſe Gewande? Sagteſt du nicht, du kaͤmeſt hieher vom Sturme verſchlagen?
Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: 240 Schwer, o Koͤnigin, iſt es, dir alle Leiden von Anfang Herzunennen, die mir die himmliſchen Goͤtter geſendet. Dennoch will ich dir dieſes, warum du mich frageſt, erzaͤhlen. Fern auf dem Meere liegt Oguͤgia, eine der Inſeln, Wo des Atlas Tochter, die liſtenreiche Kaluͤpſo 245 Wohnet, die ſchoͤngelockte, die furchtbare Goͤttin. Es pfleget Keiner der Goͤtter mit ihr, und keiner der Menſchen, Gemeinſchaft. Mich Ungluͤcklichen nur, mich fuͤhrte zu ihrer Behauſung Irgend ein Daͤmon, nachdem mir der Gott hochrollender Donner Mitten im Meere mein Schiff mit dem dampfenden Strale zerſchmettert! 250 Alle tapfern Gefaͤhrten verſanken mir dort in den Abgrund. Aber ich, der den Kiel des zertruͤmmerten Schiffes umſchlungen, Trieb neun Tage herum. In der zehnten der ſchrecklichen Naͤchte Fuͤhrten die Himmliſchen mich gen Oguͤgia, wo Kaluͤpſo Wohnet, die ſchoͤngelockte, die furchtbare Goͤttin. Sie nahm mich 255 Freundlich und gaſtfrei auf, und reichte mir Nahrung, und ſagte Mir Unſterblichkeit zu und nimmerverbluͤhende Jugend. Dennoch vermochte ſie nimmer mein ſtandhaftes Herz zu bewegen. Sieben Jahre blieb ich bei ihr, und nezte mit Thraͤnen Stets die ambroſiſchen Kleider, die mir Kaluͤpſo geſchenket. 260 Als nun endlich das achte der rollenden Jahre gekommen, Da gebot ſie mir ſelber die Heimfahrt; weil es Kronion Ordnete, oder ihr Herz ſich geaͤndert hatte. Sie ſandte Mich auf vielgebundenem Floß, und ſchenkte mir reichlich Speiſe und ſuͤßen Wein, und gab mir ambroſiſche Kleider; 265
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Oduͤßee.
Wer, und von wannen biſt du? Wer gab dir dieſe Gewande?
Sagteſt du nicht, du kaͤmeſt hieher vom Sturme verſchlagen?
Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:
Schwer, o Koͤnigin, iſt es, dir alle Leiden von Anfang
Herzunennen, die mir die himmliſchen Goͤtter geſendet.
Dennoch will ich dir dieſes, warum du mich frageſt, erzaͤhlen.
Fern auf dem Meere liegt Oguͤgia, eine der Inſeln,
Wo des Atlas Tochter, die liſtenreiche Kaluͤpſo
Wohnet, die ſchoͤngelockte, die furchtbare Goͤttin. Es pfleget
Keiner der Goͤtter mit ihr, und keiner der Menſchen, Gemeinſchaft.
Mich Ungluͤcklichen nur, mich fuͤhrte zu ihrer Behauſung
Irgend ein Daͤmon, nachdem mir der Gott hochrollender Donner
Mitten im Meere mein Schiff mit dem dampfenden Strale zerſchmettert!
Alle tapfern Gefaͤhrten verſanken mir dort in den Abgrund.
Aber ich, der den Kiel des zertruͤmmerten Schiffes umſchlungen,
Trieb neun Tage herum. In der zehnten der ſchrecklichen Naͤchte
Fuͤhrten die Himmliſchen mich gen Oguͤgia, wo Kaluͤpſo
Wohnet, die ſchoͤngelockte, die furchtbare Goͤttin. Sie nahm mich
Freundlich und gaſtfrei auf, und reichte mir Nahrung, und ſagte
Mir Unſterblichkeit zu und nimmerverbluͤhende Jugend.
Dennoch vermochte ſie nimmer mein ſtandhaftes Herz zu bewegen.
Sieben Jahre blieb ich bei ihr, und nezte mit Thraͤnen
Stets die ambroſiſchen Kleider, die mir Kaluͤpſo geſchenket.
Als nun endlich das achte der rollenden Jahre gekommen,
Da gebot ſie mir ſelber die Heimfahrt; weil es Kronion
Ordnete, oder ihr Herz ſich geaͤndert hatte. Sie ſandte
Mich auf vielgebundenem Floß, und ſchenkte mir reichlich
Speiſe und ſuͤßen Wein, und gab mir ambroſiſche Kleider;
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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/142>, abgerufen am 22.11.2024.
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