Fremder Vater, hier ist das Haus, wohin du verlangtest, Daß ich dich führte. Du wirst die göttergesegneten Fürsten Hier am festlichen Schmause versammelt finden; doch gehe 50 Dreist hinein, und fürchte dich nicht! Dem Kühnen gelinget Jedes Beginnen am beßten, und käm' er auch aus der Fremde. Aber suche zuerst die Königin drinnen im Saale. Diese heißt Arätä mit Namen, und ward von denselben Eltern gezeugt, von welchen der König Alkinoos herstammt. 55 Denn Nausithoos war des Erdumstürmers Poseidon Und Periböens Sohn, der schönsten unter den Weibern, Und des hochgesinnten Eurümedons jüngsten Tochter. Dieser beherschte vordem die ungeheuren Giganten; Aber er stürzte sich selbst und sein frevelndes Volk ins Verderben. 60 Seine Tochter bezwang der Gott, und aus ihrer Gemeinschaft Wuchs Nausithoos auf, der edle Faiakenbeherscher. Und Nausithoos zeugte Alkinoos und Räxänor. Dieser starb ohne Söhne vom silbernen Bogen Apollons, Neuvermählt im Palast; die einzige Tochter Arätä 65 Seines Bruders nahm Alkinoos drauf zur Gemahlin: Welcher sie ehrt, wie nirgends ein Weib auf Erden geehrt wird, Keines von allen, die jezo das Haus der Männer verwalten. Also wird Arätä mit herzlicher Liebe geehret Von Alkinoos selbst, und ihren blühenden Kindern, 70 Und dem Volke, das sie wie eine Göttin betrachtet, Und mit Segen begrüßt, so oft sie die Gaßen durchwandelt. Denn es fehlet ihr nicht an königlichem Verstande,
J
Siebenter Geſang.
Siehe da redete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ:
Fremder Vater, hier iſt das Haus, wohin du verlangteſt, Daß ich dich fuͤhrte. Du wirſt die goͤttergeſegneten Fuͤrſten Hier am feſtlichen Schmauſe verſammelt finden; doch gehe 50 Dreiſt hinein, und fuͤrchte dich nicht! Dem Kuͤhnen gelinget Jedes Beginnen am beßten, und kaͤm' er auch aus der Fremde. Aber ſuche zuerſt die Koͤnigin drinnen im Saale. Dieſe heißt Araͤtaͤ mit Namen, und ward von denſelben Eltern gezeugt, von welchen der Koͤnig Alkinoos herſtammt. 55 Denn Nauſithoos war des Erdumſtuͤrmers Poſeidon Und Periboͤens Sohn, der ſchoͤnſten unter den Weibern, Und des hochgeſinnten Euruͤmedons juͤngſten Tochter. Dieſer beherſchte vordem die ungeheuren Giganten; Aber er ſtuͤrzte ſich ſelbſt und ſein frevelndes Volk ins Verderben. 60 Seine Tochter bezwang der Gott, und aus ihrer Gemeinſchaft Wuchs Nauſithoos auf, der edle Faiakenbeherſcher. Und Nauſithoos zeugte Alkinoos und Raͤxaͤnor. Dieſer ſtarb ohne Soͤhne vom ſilbernen Bogen Apollons, Neuvermaͤhlt im Palaſt; die einzige Tochter Araͤtaͤ 65 Seines Bruders nahm Alkinoos drauf zur Gemahlin: Welcher ſie ehrt, wie nirgends ein Weib auf Erden geehrt wird, Keines von allen, die jezo das Haus der Maͤnner verwalten. Alſo wird Araͤtaͤ mit herzlicher Liebe geehret Von Alkinoos ſelbſt, und ihren bluͤhenden Kindern, 70 Und dem Volke, das ſie wie eine Goͤttin betrachtet, Und mit Segen begruͤßt, ſo oft ſie die Gaßen durchwandelt. Denn es fehlet ihr nicht an koͤniglichem Verſtande,
J
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0135"n="129"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Siebenter Geſang.</hi></fw><lb/>
Siehe da redete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ:</p><lb/><p>Fremder Vater, hier iſt das Haus, wohin du verlangteſt,<lb/>
Daß ich dich fuͤhrte. Du wirſt die goͤttergeſegneten Fuͤrſten<lb/>
Hier am feſtlichen Schmauſe verſammelt finden; doch gehe <noteplace="right">50</note><lb/>
Dreiſt hinein, und fuͤrchte dich nicht! Dem Kuͤhnen gelinget<lb/>
Jedes Beginnen am beßten, und kaͤm' er auch aus der Fremde.<lb/>
Aber ſuche zuerſt die Koͤnigin drinnen im Saale.<lb/>
Dieſe heißt Araͤtaͤ mit Namen, und ward von denſelben<lb/>
Eltern gezeugt, von welchen der Koͤnig Alkinoos herſtammt. <noteplace="right">55</note><lb/>
Denn Nauſithoos war des Erdumſtuͤrmers Poſeidon<lb/>
Und Periboͤens Sohn, der ſchoͤnſten unter den Weibern,<lb/>
Und des hochgeſinnten Euruͤmedons juͤngſten Tochter.<lb/>
Dieſer beherſchte vordem die ungeheuren Giganten;<lb/>
Aber er ſtuͤrzte ſich ſelbſt und ſein frevelndes Volk ins Verderben. <noteplace="right">60</note><lb/>
Seine Tochter bezwang der Gott, und aus ihrer Gemeinſchaft<lb/>
Wuchs Nauſithoos auf, der edle Faiakenbeherſcher.<lb/>
Und Nauſithoos zeugte Alkinoos und Raͤxaͤnor.<lb/>
Dieſer ſtarb ohne Soͤhne vom ſilbernen Bogen Apollons,<lb/>
Neuvermaͤhlt im Palaſt; die einzige Tochter Araͤtaͤ<noteplace="right">65</note><lb/>
Seines Bruders nahm Alkinoos drauf zur Gemahlin:<lb/>
Welcher ſie ehrt, wie nirgends ein Weib auf Erden geehrt wird,<lb/>
Keines von allen, die jezo das Haus der Maͤnner verwalten.<lb/>
Alſo wird Araͤtaͤ mit herzlicher Liebe geehret<lb/>
Von Alkinoos ſelbſt, und ihren bluͤhenden Kindern, <noteplace="right">70</note><lb/>
Und dem Volke, das ſie wie eine Goͤttin betrachtet,<lb/>
Und mit Segen begruͤßt, ſo oft ſie die Gaßen durchwandelt.<lb/>
Denn es fehlet ihr nicht an koͤniglichem Verſtande,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">J</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[129/0135]
Siebenter Geſang.
Siehe da redete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ:
Fremder Vater, hier iſt das Haus, wohin du verlangteſt,
Daß ich dich fuͤhrte. Du wirſt die goͤttergeſegneten Fuͤrſten
Hier am feſtlichen Schmauſe verſammelt finden; doch gehe
Dreiſt hinein, und fuͤrchte dich nicht! Dem Kuͤhnen gelinget
Jedes Beginnen am beßten, und kaͤm' er auch aus der Fremde.
Aber ſuche zuerſt die Koͤnigin drinnen im Saale.
Dieſe heißt Araͤtaͤ mit Namen, und ward von denſelben
Eltern gezeugt, von welchen der Koͤnig Alkinoos herſtammt.
Denn Nauſithoos war des Erdumſtuͤrmers Poſeidon
Und Periboͤens Sohn, der ſchoͤnſten unter den Weibern,
Und des hochgeſinnten Euruͤmedons juͤngſten Tochter.
Dieſer beherſchte vordem die ungeheuren Giganten;
Aber er ſtuͤrzte ſich ſelbſt und ſein frevelndes Volk ins Verderben.
Seine Tochter bezwang der Gott, und aus ihrer Gemeinſchaft
Wuchs Nauſithoos auf, der edle Faiakenbeherſcher.
Und Nauſithoos zeugte Alkinoos und Raͤxaͤnor.
Dieſer ſtarb ohne Soͤhne vom ſilbernen Bogen Apollons,
Neuvermaͤhlt im Palaſt; die einzige Tochter Araͤtaͤ
Seines Bruders nahm Alkinoos drauf zur Gemahlin:
Welcher ſie ehrt, wie nirgends ein Weib auf Erden geehrt wird,
Keines von allen, die jezo das Haus der Maͤnner verwalten.
Alſo wird Araͤtaͤ mit herzlicher Liebe geehret
Von Alkinoos ſelbſt, und ihren bluͤhenden Kindern,
Und dem Volke, das ſie wie eine Goͤttin betrachtet,
Und mit Segen begruͤßt, ſo oft ſie die Gaßen durchwandelt.
Denn es fehlet ihr nicht an koͤniglichem Verſtande,
50
55
60
65
70
J
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/135>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.