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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Sechster Gesang.

Höret mich an, weißarmige Mädchen, was ich euch sage!
Nicht von allen Göttern verfolgt, die den Himmel bewohnen, 240
Kam der Mann in das Land der göttergleichen Faiaken!
Anfangs schien er gering' und unbedeutend von Ansehn;
Jezo gleicht er den Göttern, des weiten Himmels Bewohnern.
Würde mir doch ein Gemahl von solcher Bildung bescheret,
Unter den Fürsten des Volks; und gefiel es ihm selber zu bleiben! 245
Aber, ihr Mädchen, gebt dem Manne zu eßen und trinken.

Also sprach sie; ihr hörten die Mägde mit Fleiß, und gehorchten:
Nahmen des Tranks und der Speis', und brachtens dem Fremdling am Ufer.
Und nun aß er und trank, der herliche Dulder Odüßeus,
Voller Begier, denn er hatte schon lange nicht Speise gekostet. 250

Und ein Neues ersann die lilienarmige Jungfrau:
Lud auf den zierlichen Wagen die wohlgefalteten Kleider,
Spannte davor die Mäuler mit starken Hufen, bestieg ihn,
Und ermunterte dann Odüßeus, rief ihm und sagte:

Fremdling, mache dich auf, in die Stadt zu gehen! Ich will dich 255
Führen zu meines Vaters, des weisen Helden, Palaste,
Wo du auch sehen wirst die edelsten aller Faiaken.
Thu nur, was ich dir sage; du scheinst mir nicht unverständig.
Siehe, so lange der Weg durch Felder und Saaten dahingeht,
Folge mit meinen Mägden dem mäulerbespanneten Wagen 260
Hurtig zu Fuße nach, wie ich im Wagen euch führe.
Aber sobald wir die Stadt erreichen, welche die hohe
Mauer umringt: (An jeglicher Seit' ist ein treflicher Hafen,
Und die Einfahrt schmal; denn gleichgezimmerte Schiffe
Engen den Weg, und ruhn, ein jedes auf seinem Gestelle. 265
Alda ist auch ein Markt um den schönen Tempel Poseidons,

Sechſter Geſang.

Hoͤret mich an, weißarmige Maͤdchen, was ich euch ſage!
Nicht von allen Goͤttern verfolgt, die den Himmel bewohnen, 240
Kam der Mann in das Land der goͤttergleichen Faiaken!
Anfangs ſchien er gering' und unbedeutend von Anſehn;
Jezo gleicht er den Goͤttern, des weiten Himmels Bewohnern.
Wuͤrde mir doch ein Gemahl von ſolcher Bildung beſcheret,
Unter den Fuͤrſten des Volks; und gefiel es ihm ſelber zu bleiben! 245
Aber, ihr Maͤdchen, gebt dem Manne zu eßen und trinken.

Alſo ſprach ſie; ihr hoͤrten die Maͤgde mit Fleiß, und gehorchten:
Nahmen des Tranks und der Speiſ', und brachtens dem Fremdling am Ufer.
Und nun aß er und trank, der herliche Dulder Oduͤßeus,
Voller Begier, denn er hatte ſchon lange nicht Speiſe gekoſtet. 250

Und ein Neues erſann die lilienarmige Jungfrau:
Lud auf den zierlichen Wagen die wohlgefalteten Kleider,
Spannte davor die Maͤuler mit ſtarken Hufen, beſtieg ihn,
Und ermunterte dann Oduͤßeus, rief ihm und ſagte:

Fremdling, mache dich auf, in die Stadt zu gehen! Ich will dich 255
Fuͤhren zu meines Vaters, des weiſen Helden, Palaſte,
Wo du auch ſehen wirſt die edelſten aller Faiaken.
Thu nur, was ich dir ſage; du ſcheinſt mir nicht unverſtaͤndig.
Siehe, ſo lange der Weg durch Felder und Saaten dahingeht,
Folge mit meinen Maͤgden dem maͤulerbeſpanneten Wagen 260
Hurtig zu Fuße nach, wie ich im Wagen euch fuͤhre.
Aber ſobald wir die Stadt erreichen, welche die hohe
Mauer umringt: (An jeglicher Seit' iſt ein treflicher Hafen,
Und die Einfahrt ſchmal; denn gleichgezimmerte Schiffe
Engen den Weg, und ruhn, ein jedes auf ſeinem Geſtelle. 265
Alda iſt auch ein Markt um den ſchoͤnen Tempel Poſeidons,

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[123/0129] Sechſter Geſang. Hoͤret mich an, weißarmige Maͤdchen, was ich euch ſage! Nicht von allen Goͤttern verfolgt, die den Himmel bewohnen, Kam der Mann in das Land der goͤttergleichen Faiaken! Anfangs ſchien er gering' und unbedeutend von Anſehn; Jezo gleicht er den Goͤttern, des weiten Himmels Bewohnern. Wuͤrde mir doch ein Gemahl von ſolcher Bildung beſcheret, Unter den Fuͤrſten des Volks; und gefiel es ihm ſelber zu bleiben! Aber, ihr Maͤdchen, gebt dem Manne zu eßen und trinken. 240 245 Alſo ſprach ſie; ihr hoͤrten die Maͤgde mit Fleiß, und gehorchten: Nahmen des Tranks und der Speiſ', und brachtens dem Fremdling am Ufer. Und nun aß er und trank, der herliche Dulder Oduͤßeus, Voller Begier, denn er hatte ſchon lange nicht Speiſe gekoſtet. 250 Und ein Neues erſann die lilienarmige Jungfrau: Lud auf den zierlichen Wagen die wohlgefalteten Kleider, Spannte davor die Maͤuler mit ſtarken Hufen, beſtieg ihn, Und ermunterte dann Oduͤßeus, rief ihm und ſagte: Fremdling, mache dich auf, in die Stadt zu gehen! Ich will dich Fuͤhren zu meines Vaters, des weiſen Helden, Palaſte, Wo du auch ſehen wirſt die edelſten aller Faiaken. Thu nur, was ich dir ſage; du ſcheinſt mir nicht unverſtaͤndig. Siehe, ſo lange der Weg durch Felder und Saaten dahingeht, Folge mit meinen Maͤgden dem maͤulerbeſpanneten Wagen Hurtig zu Fuße nach, wie ich im Wagen euch fuͤhre. Aber ſobald wir die Stadt erreichen, welche die hohe Mauer umringt: (An jeglicher Seit' iſt ein treflicher Hafen, Und die Einfahrt ſchmal; denn gleichgezimmerte Schiffe Engen den Weg, und ruhn, ein jedes auf ſeinem Geſtelle. Alda iſt auch ein Markt um den ſchoͤnen Tempel Poſeidons, 255 260 265

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/129>, abgerufen am 24.11.2024.