Schüttelte zürnend sein Haupt, und sprach in der Tiefe des Herzens:
So, durchirre mir jezo, mit Jammer behäuft, die Gewäßer, Bis du die Menschen erreichst, die Zeus vor allen beseligt! Aber ich hoffe, du sollst mir dein Leiden nimmer vergessen!
Also sprach er, und trieb die Roße mit fliegender Mähne, 380 Bis er gen Aigai kam, zu seiner glänzenden Wohnung. V. 381.
Aber ein neues ersann Athänä, die Tochter Kronions. Eilend feßelte sie den Lauf der übrigen Winde, Daß sie alle verstummten, und hin zur Ruhe sich legten; Und ließ stürmen den Nord, und brach vor ihm die Gewäßer: 385 Bis er zu den Faiaken, den ruderliebenden Männern, Käme, der edle Odüßeus, entflohn dem Todesverhängniß.
Schon zween Tage trieb er und zwo entsezliche Nächte In dem Getümmel der Wogen, und ahndete stets sein Verderben. Als nun die Morgenröthe des dritten Tages emporstieg, 390 Siehe da ruhte der Wind; von heiterer Bläue des Himmels Glänzte die stille See. Und nahe sah er das Ufer, Als er mit forschendem Blick von der steigenden Welle dahinsah.
So erfreulich den Kindern des lieben Vaters Genesung Kommt, der lange schon an brennenden Schmerzen der Krankheit 395 Niederlag und verging, vom feindlichen Dämon gemartert; Aber ihn heilen nun zu ihrer Freude die Götter: So erfreulich war ihm der Anblick des Landes und Waldes. Und er strebte mit Händen und Füßen, das Land zu erreichen. Aber so weit entfernt, wie die Stimme des Rufenden schallet, 400 Hört' er ein dumpfes Getöse des Meers, das die Felsen bestürmte.
V. 381. Aigai, wo Poseidon verehrt wurde, lag an der Küste von Eüb[ö]a.
Fuͤnfter Geſang.
Schuͤttelte zuͤrnend ſein Haupt, und ſprach in der Tiefe des Herzens:
So, durchirre mir jezo, mit Jammer behaͤuft, die Gewaͤßer, Bis du die Menſchen erreichſt, die Zeus vor allen beſeligt! Aber ich hoffe, du ſollſt mir dein Leiden nimmer vergeſſen!
Alſo ſprach er, und trieb die Roße mit fliegender Maͤhne, 380 Bis er gen Aigai kam, zu ſeiner glaͤnzenden Wohnung. V. 381.
Aber ein neues erſann Athaͤnaͤ, die Tochter Kronions. Eilend feßelte ſie den Lauf der uͤbrigen Winde, Daß ſie alle verſtummten, und hin zur Ruhe ſich legten; Und ließ ſtuͤrmen den Nord, und brach vor ihm die Gewaͤßer: 385 Bis er zu den Faiaken, den ruderliebenden Maͤnnern, Kaͤme, der edle Oduͤßeus, entflohn dem Todesverhaͤngniß.
Schon zween Tage trieb er und zwo entſezliche Naͤchte In dem Getuͤmmel der Wogen, und ahndete ſtets ſein Verderben. Als nun die Morgenroͤthe des dritten Tages emporſtieg, 390 Siehe da ruhte der Wind; von heiterer Blaͤue des Himmels Glaͤnzte die ſtille See. Und nahe ſah er das Ufer, Als er mit forſchendem Blick von der ſteigenden Welle dahinſah.
So erfreulich den Kindern des lieben Vaters Geneſung Kommt, der lange ſchon an brennenden Schmerzen der Krankheit 395 Niederlag und verging, vom feindlichen Daͤmon gemartert; Aber ihn heilen nun zu ihrer Freude die Goͤtter: So erfreulich war ihm der Anblick des Landes und Waldes. Und er ſtrebte mit Haͤnden und Fuͤßen, das Land zu erreichen. Aber ſo weit entfernt, wie die Stimme des Rufenden ſchallet, 400 Hoͤrt' er ein dumpfes Getoͤſe des Meers, das die Felſen beſtuͤrmte.
V. 381. Aigai, wo Poſeidon verehrt wurde, lag an der Kuͤſte von Euͤb[oͤ]a.
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Fuͤnfter Geſang.
Schuͤttelte zuͤrnend ſein Haupt, und ſprach in der Tiefe des Herzens:
So, durchirre mir jezo, mit Jammer behaͤuft, die Gewaͤßer,
Bis du die Menſchen erreichſt, die Zeus vor allen beſeligt!
Aber ich hoffe, du ſollſt mir dein Leiden nimmer vergeſſen!
Alſo ſprach er, und trieb die Roße mit fliegender Maͤhne,
Bis er gen Aigai kam, zu ſeiner glaͤnzenden Wohnung. V. 381.
380
Aber ein neues erſann Athaͤnaͤ, die Tochter Kronions.
Eilend feßelte ſie den Lauf der uͤbrigen Winde,
Daß ſie alle verſtummten, und hin zur Ruhe ſich legten;
Und ließ ſtuͤrmen den Nord, und brach vor ihm die Gewaͤßer:
Bis er zu den Faiaken, den ruderliebenden Maͤnnern,
Kaͤme, der edle Oduͤßeus, entflohn dem Todesverhaͤngniß.
385
Schon zween Tage trieb er und zwo entſezliche Naͤchte
In dem Getuͤmmel der Wogen, und ahndete ſtets ſein Verderben.
Als nun die Morgenroͤthe des dritten Tages emporſtieg,
Siehe da ruhte der Wind; von heiterer Blaͤue des Himmels
Glaͤnzte die ſtille See. Und nahe ſah er das Ufer,
Als er mit forſchendem Blick von der ſteigenden Welle dahinſah.
390
So erfreulich den Kindern des lieben Vaters Geneſung
Kommt, der lange ſchon an brennenden Schmerzen der Krankheit
Niederlag und verging, vom feindlichen Daͤmon gemartert;
Aber ihn heilen nun zu ihrer Freude die Goͤtter:
So erfreulich war ihm der Anblick des Landes und Waldes.
Und er ſtrebte mit Haͤnden und Fuͤßen, das Land zu erreichen.
Aber ſo weit entfernt, wie die Stimme des Rufenden ſchallet,
Hoͤrt' er ein dumpfes Getoͤſe des Meers, das die Felſen beſtuͤrmte.
395
400
V. 381. Aigai, wo Poſeidon verehrt wurde, lag an der Kuͤſte von Euͤboͤa.
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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/115>, abgerufen am 24.11.2024.
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