Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795.LUISE Aber der fröhliche Karl, der voranlief,wandte sich rufend: Hurtig! da seh' ich den Kahn! Nun gleitet er hinter das Schilfrohr! Und mit geflügelten Schritten enteilten sie; kühlender Seewind Hauchte zurück das Gewand, das die trip- pelnden Füsse des Mägdleins 225 Rauschend umwallt', und es weht' ihr ge- ringeltes Haar von den Schultern. Laut nun rief und winkt' aus dem schwe- benden Kahne der Pfarrer: Ehrbar, Kinder, und sacht! Ihr lauft ja so rasch, wie die Hühnlein Über den Hof, wenn die Magd an der Hausthür Futter umherstreut! Töchterchen, geh vorsichtig, und strauchle mir nicht an den Wurzeln! 230 LUISE Aber der fröhliche Karl, der voranlief,wandte ſich rufend: Hurtig! da ſeh’ ich den Kahn! Nun gleitet er hinter das Schilfrohr! Und mit geflügelten Schritten enteilten ſie; kühlender Seewind Hauchte zurück das Gewand, das die trip- pelnden Füſse des Mägdleins 225 Rauſchend umwallt’, und es weht’ ihr ge- ringeltes Haar von den Schultern. Laut nun rief und winkt’ aus dem ſchwe- benden Kahne der Pfarrer: Ehrbar, Kinder, und ſacht! Ihr lauft ja ſo raſch, wie die Hühnlein Über den Hof, wenn die Magd an der Hausthür Futter umherſtreut! Töchterchen, geh vorſichtig, und ſtrauchle mir nicht an den Wurzeln! 230 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0042" n="32"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">LUISE</hi></fw><lb/> Aber der fröhliche Karl, der voranlief,<lb/> wandte ſich rufend:<lb/> Hurtig! da ſeh’ ich den Kahn! Nun<lb/> gleitet er hinter das Schilfrohr!<lb/> Und mit geflügelten Schritten enteilten<lb/> ſie; kühlender Seewind<lb/> Hauchte zurück das Gewand, das die trip-<lb/> pelnden Füſse des Mägdleins <lb n="225"/> Rauſchend umwallt’, und es weht’ ihr ge-<lb/> ringeltes Haar von den Schultern.<lb/> Laut nun rief und winkt’ aus dem ſchwe-<lb/> benden Kahne der Pfarrer:<lb/> Ehrbar, Kinder, und ſacht! Ihr lauft<lb/> ja ſo raſch, wie die Hühnlein<lb/> Über den Hof, wenn die Magd an der<lb/> Hausthür Futter umherſtreut!<lb/> Töchterchen, geh vorſichtig, und ſtrauchle<lb/> mir nicht an den Wurzeln! <lb n="230"/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [32/0042]
LUISE
Aber der fröhliche Karl, der voranlief,
wandte ſich rufend:
Hurtig! da ſeh’ ich den Kahn! Nun
gleitet er hinter das Schilfrohr!
Und mit geflügelten Schritten enteilten
ſie; kühlender Seewind
Hauchte zurück das Gewand, das die trip-
pelnden Füſse des Mägdleins 225
Rauſchend umwallt’, und es weht’ ihr ge-
ringeltes Haar von den Schultern.
Laut nun rief und winkt’ aus dem ſchwe-
benden Kahne der Pfarrer:
Ehrbar, Kinder, und ſacht! Ihr lauft
ja ſo raſch, wie die Hühnlein
Über den Hof, wenn die Magd an der
Hausthür Futter umherſtreut!
Töchterchen, geh vorſichtig, und ſtrauchle
mir nicht an den Wurzeln! 230
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Zitationshilfe: | Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_luise_1795/42>, abgerufen am 16.07.2024. |