Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795.LUISE Dieses gesagt, entblösste der redlicheVater die Scheitel, Glänzend kahl, und umringt von schnee- weis prangendem Haare, Senkte den Blick demütig, und sprach, mit gefalteten Händen: Lieber Gott, der du alles, was lebt, mit Freud' und Erquickung 45 Sättigest, höre den Dank, den deine Kin- der dir stammeln. Wir sind Staub. O beschirme, wenns frommt, in dem Leben der Prüfung Uns vor Trübsal und Noth, wie vor üp- pigem Stolz und Leichtsinn; Bis wir bewährt aus dem Staube zu dei- ner Herrlichkeit eingehn. Meine Kinder, ich wünsch' euch eine ge- segnete Mahlzeit. 50 LUISE Dieſes geſagt, entblöſste der redlicheVater die Scheitel, Glänzend kahl, und umringt von ſchnee- weis prangendem Haare, Senkte den Blick demütig, und ſprach, mit gefalteten Händen: Lieber Gott, der du alles, was lebt, mit Freud’ und Erquickung 45 Sättigeſt, höre den Dank, den deine Kin- der dir ſtammeln. Wir ſind Staub. O beſchirme, wenns frommt, in dem Leben der Prüfung Uns vor Trübſal und Noth, wie vor üp- pigem Stolz und Leichtſinn; Bis wir bewährt aus dem Staube zu dei- ner Herrlichkeit eingehn. Meine Kinder, ich wünſch’ euch eine ge- ſegnete Mahlzeit. 50 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0022" n="12"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">LUISE</hi></fw><lb/> Dieſes geſagt, entblöſste der redliche<lb/> Vater die Scheitel,<lb/> Glänzend kahl, und umringt von ſchnee-<lb/> weis prangendem Haare,<lb/> Senkte den Blick demütig, und ſprach,<lb/> mit gefalteten Händen:<lb/> Lieber Gott, der du alles, was lebt,<lb/> mit Freud’ und Erquickung <lb n="45"/> Sättigeſt, höre den Dank, den deine Kin-<lb/> der dir ſtammeln.<lb/> Wir ſind Staub. O beſchirme, wenns<lb/> frommt, in dem Leben der Prüfung<lb/> Uns vor Trübſal und Noth, wie vor üp-<lb/> pigem Stolz und Leichtſinn;<lb/> Bis wir bewährt aus dem Staube zu dei-<lb/> ner Herrlichkeit eingehn.<lb/> Meine Kinder, ich wünſch’ euch eine ge-<lb/> ſegnete Mahlzeit. <lb n="50"/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12/0022]
LUISE
Dieſes geſagt, entblöſste der redliche
Vater die Scheitel,
Glänzend kahl, und umringt von ſchnee-
weis prangendem Haare,
Senkte den Blick demütig, und ſprach,
mit gefalteten Händen:
Lieber Gott, der du alles, was lebt,
mit Freud’ und Erquickung 45
Sättigeſt, höre den Dank, den deine Kin-
der dir ſtammeln.
Wir ſind Staub. O beſchirme, wenns
frommt, in dem Leben der Prüfung
Uns vor Trübſal und Noth, wie vor üp-
pigem Stolz und Leichtſinn;
Bis wir bewährt aus dem Staube zu dei-
ner Herrlichkeit eingehn.
Meine Kinder, ich wünſch’ euch eine ge-
ſegnete Mahlzeit. 50
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Zitationshilfe: | Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_luise_1795/22>, abgerufen am 16.02.2025. |