Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795.LUISE Stets mit Vernunft beiwohnt, nie bitterist, noch sie verschüchtert: 770 Eine Seele mit ihr! Man wird euchs morgen schon kundthun, Ob wir die Heirat im Dorf misbilligen. Nehmt es nicht übel, Herr: wir lieben euch sehr, nichts weni- ger aber die Tochter! Also der Greis; und es bebte die Thrän' an den grauenden Wimpern. Ernstvoll nahm er das Glas, und leerete. Aber die Jungfrau 775 That, als hörte sie nicht; und gewandt ihr erröthendes Antliz, Sprach sie ein albernes Wort zu Amalia, lachte dann laut auf. Als sich der Organist mit den Seinigen jezo gelabet, LUISE Stets mit Vernunft beiwohnt, nie bitteriſt, noch ſie verſchüchtert: 770 Eine Seele mit ihr! Man wird euchs morgen ſchon kundthun, Ob wir die Heirat im Dorf misbilligen. Nehmt es nicht übel, Herr: wir lieben euch ſehr, nichts weni- ger aber die Tochter! Alſo der Greis; und es bebte die Thrän’ an den grauenden Wimpern. Ernſtvoll nahm er das Glas, und leerete. Aber die Jungfrau 775 That, als hörte ſie nicht; und gewandt ihr erröthendes Antliz, Sprach ſie ein albernes Wort zu Amalia, lachte dann laut auf. Als ſich der Organiſt mit den Seinigen jezo gelabet, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0216" n="202"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">LUISE</hi></fw><lb/> Stets mit Vernunft beiwohnt, nie bitter<lb/> iſt, noch ſie verſchüchtert: <lb n="770"/> Eine Seele mit ihr! Man wird euchs<lb/> morgen ſchon kundthun,<lb/> Ob wir die Heirat im Dorf misbilligen.<lb/> Nehmt es nicht übel,<lb/> Herr: wir lieben euch ſehr, nichts weni-<lb/> ger aber die Tochter!<lb/> Alſo der Greis; und es bebte die Thrän’<lb/> an den grauenden Wimpern.<lb/> Ernſtvoll nahm er das Glas, und leerete.<lb/> Aber die Jungfrau <lb n="775"/> That, als hörte ſie nicht; und gewandt<lb/> ihr erröthendes Antliz,<lb/> Sprach ſie ein albernes Wort zu Amalia,<lb/> lachte dann laut auf.<lb/> Als ſich der Organiſt mit den Seinigen<lb/> jezo gelabet,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [202/0216]
LUISE
Stets mit Vernunft beiwohnt, nie bitter
iſt, noch ſie verſchüchtert: 770
Eine Seele mit ihr! Man wird euchs
morgen ſchon kundthun,
Ob wir die Heirat im Dorf misbilligen.
Nehmt es nicht übel,
Herr: wir lieben euch ſehr, nichts weni-
ger aber die Tochter!
Alſo der Greis; und es bebte die Thrän’
an den grauenden Wimpern.
Ernſtvoll nahm er das Glas, und leerete.
Aber die Jungfrau 775
That, als hörte ſie nicht; und gewandt
ihr erröthendes Antliz,
Sprach ſie ein albernes Wort zu Amalia,
lachte dann laut auf.
Als ſich der Organiſt mit den Seinigen
jezo gelabet,
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