Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795.LUISE Heiss die Wang' und bethränt, an derWange des staunenden Greises. Sprachlos drückte der Greis an das klop- fende Herz sein geliebtes Töchterchen; laut nun rief er im stam- melnden Ton der Entzückung: 260 Gottes Segen mit dir, holdseliges, al- lerliebstes Töchterchen; Gottes Segen auf dieser Erd' und im Himmel! Ich bin jung gewesen, und alt geworden'; und vielfach Hab' ich Freude von Gott, und vielfach Kummer geschmecket, Im abwechselnden Leben, und Gott ge- danket für beides! 265 Gerne will ich nunmehr mein graues Haupt zu den Vätern LUISE Heiſs die Wang’ und bethränt, an derWange des ſtaunenden Greiſes. Sprachlos drückte der Greis an das klop- fende Herz ſein geliebtes Töchterchen; laut nun rief er im ſtam- melnden Ton der Entzückung: 260 Gottes Segen mit dir, holdſeliges, al- lerliebſtes Töchterchen; Gottes Segen auf dieſer Erd’ und im Himmel! Ich bin jung geweſen, und alt geworden’; und vielfach Hab’ ich Freude von Gott, und vielfach Kummer geſchmecket, Im abwechſelnden Leben, und Gott ge- danket für beides! 265 Gerne will ich nunmehr mein graues Haupt zu den Vätern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0162" n="148"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">LUISE</hi></fw><lb/> Heiſs die Wang’ und bethränt, an der<lb/> Wange des ſtaunenden Greiſes.<lb/> Sprachlos drückte der Greis an das klop-<lb/> fende Herz ſein geliebtes<lb/> Töchterchen; laut nun rief er im ſtam-<lb/> melnden Ton der Entzückung: <lb n="260"/> Gottes Segen mit dir, holdſeliges, al-<lb/> lerliebſtes<lb/> Töchterchen; Gottes Segen auf dieſer Erd’<lb/> und im Himmel!<lb/> Ich bin jung geweſen, und alt geworden’;<lb/> und vielfach<lb/> Hab’ ich Freude von Gott, und vielfach<lb/> Kummer geſchmecket,<lb/> Im abwechſelnden Leben, und Gott ge-<lb/> danket für beides! <lb n="265"/> Gerne will ich nunmehr mein graues Haupt<lb/> zu den Vätern<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [148/0162]
LUISE
Heiſs die Wang’ und bethränt, an der
Wange des ſtaunenden Greiſes.
Sprachlos drückte der Greis an das klop-
fende Herz ſein geliebtes
Töchterchen; laut nun rief er im ſtam-
melnden Ton der Entzückung: 260
Gottes Segen mit dir, holdſeliges, al-
lerliebſtes
Töchterchen; Gottes Segen auf dieſer Erd’
und im Himmel!
Ich bin jung geweſen, und alt geworden’;
und vielfach
Hab’ ich Freude von Gott, und vielfach
Kummer geſchmecket,
Im abwechſelnden Leben, und Gott ge-
danket für beides! 265
Gerne will ich nunmehr mein graues Haupt
zu den Vätern
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