Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795.LUISE Du holdseliges Mädchen! Wie schlankund erhabenes Wuchses Wandelt sie, anmutsvoll, als schwebte sie! Und o wie lieblich Dieses Engelgesicht, und die Rosenwange voll Unschuld, Und dies glänzende Blau der Äugelein! Willst du mich ansehn! Komm und schau in den Spiegel, und schä- me dich, dass du so schön bist! 190 Trauteste, nim das Gehenk, noch warm vom Busen der Freundin, Zum Andenken von mir: mein Nam' aus eigenem Haar ist Vorne geschränkt, und hinten die schön- geflochtene Locke: Dass du, den Schmuck anlegend, auch fern dich meiner erinnerst. LUISE Du holdſeliges Mädchen! Wie ſchlankund erhabenes Wuchſes Wandelt ſie, anmutsvoll, als ſchwebte ſie! Und o wie lieblich Dieſes Engelgeſicht, und die Roſenwange voll Unſchuld, Und dies glänzende Blau der Äugelein! Willſt du mich anſehn! Komm und ſchau in den Spiegel, und ſchä- me dich, daſs du ſo ſchön biſt! 190 Trauteſte, nim das Gehenk, noch warm vom Buſen der Freundin, Zum Andenken von mir: mein Nam’ aus eigenem Haar iſt Vorne geſchränkt, und hinten die ſchön- geflochtene Locke: Daſs du, den Schmuck anlegend, auch fern dich meiner erinnerſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0154" n="140"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">LUISE</hi></fw><lb/> Du holdſeliges Mädchen! Wie ſchlank<lb/> und erhabenes Wuchſes<lb/> Wandelt ſie, anmutsvoll, als ſchwebte ſie!<lb/> Und o wie lieblich<lb/> Dieſes Engelgeſicht, und die Roſenwange<lb/> voll Unſchuld,<lb/> Und dies glänzende Blau der Äugelein!<lb/> Willſt du mich anſehn!<lb/> Komm und ſchau in den Spiegel, und ſchä-<lb/> me dich, daſs du ſo ſchön biſt! <lb n="190"/> Trauteſte, nim das Gehenk, noch warm<lb/> vom Buſen der Freundin,<lb/> Zum Andenken von mir: mein Nam’ aus<lb/> eigenem Haar iſt<lb/> Vorne geſchränkt, und hinten die ſchön-<lb/> geflochtene Locke:<lb/> Daſs du, den Schmuck anlegend, auch<lb/> fern dich meiner erinnerſt.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [140/0154]
LUISE
Du holdſeliges Mädchen! Wie ſchlank
und erhabenes Wuchſes
Wandelt ſie, anmutsvoll, als ſchwebte ſie!
Und o wie lieblich
Dieſes Engelgeſicht, und die Roſenwange
voll Unſchuld,
Und dies glänzende Blau der Äugelein!
Willſt du mich anſehn!
Komm und ſchau in den Spiegel, und ſchä-
me dich, daſs du ſo ſchön biſt! 190
Trauteſte, nim das Gehenk, noch warm
vom Buſen der Freundin,
Zum Andenken von mir: mein Nam’ aus
eigenem Haar iſt
Vorne geſchränkt, und hinten die ſchön-
geflochtene Locke:
Daſs du, den Schmuck anlegend, auch
fern dich meiner erinnerſt.
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