Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795.LUISE Sollst auch die Braut aufpuzen, und tan-zen auf unserer Hochzeit! 330 Sollst auch selber noch Braut, und Bräu- tigam werden der Vater! Hurtig hinab, ihn zu sehen, den wohlge- arteten Jüngling! Ihr antwortete drauf die alte verstän- dige Hausfrau: Mädchen, du bist wahnsinnig! Zum Bräu- tigam geht man ehrbar, So wars Sitte vordem, mit niedergeschla- genen Augen! 335 Schwärmerin, willst du auf Socken hinab- gehn? Ziehe die Schuh' an! Und wie das Halstuch hängt! Fi, schäme dich, garstige Dirne! Also schalt die Mama; und das Töch- terchen, lieblich erröthend, LUISE Sollſt auch die Braut aufpuzen, und tan-zen auf unſerer Hochzeit! 330 Sollſt auch ſelber noch Braut, und Bräu- tigam werden der Vater! Hurtig hinab, ihn zu ſehen, den wohlge- arteten Jüngling! Ihr antwortete drauf die alte verſtän- dige Hausfrau: Mädchen, du biſt wahnſinnig! Zum Bräu- tigam geht man ehrbar, So wars Sitte vordem, mit niedergeſchla- genen Augen! 335 Schwärmerin, willſt du auf Socken hinab- gehn? Ziehe die Schuh’ an! Und wie das Halstuch hängt! Fi, ſchäme dich, garſtige Dirne! Alſo ſchalt die Mama; und das Töch- terchen, lieblich erröthend, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0126" n="114"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">LUISE</hi></fw><lb/> Sollſt auch die Braut aufpuzen, und tan-<lb/> zen auf unſerer Hochzeit! <lb n="330"/> Sollſt auch ſelber noch Braut, und Bräu-<lb/> tigam werden der Vater!<lb/> Hurtig hinab, ihn zu ſehen, den wohlge-<lb/> arteten Jüngling!<lb/> Ihr antwortete drauf die alte verſtän-<lb/> dige Hausfrau:<lb/> Mädchen, du biſt wahnſinnig! Zum Bräu-<lb/> tigam geht man ehrbar,<lb/> So wars Sitte vordem, mit niedergeſchla-<lb/> genen Augen! <lb n="335"/> Schwärmerin, willſt du auf Socken hinab-<lb/> gehn? Ziehe die Schuh’ an!<lb/> Und wie das Halstuch hängt! Fi, ſchäme<lb/> dich, garſtige Dirne!<lb/> Alſo ſchalt die Mama; und das Töch-<lb/> terchen, lieblich erröthend,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0126]
LUISE
Sollſt auch die Braut aufpuzen, und tan-
zen auf unſerer Hochzeit! 330
Sollſt auch ſelber noch Braut, und Bräu-
tigam werden der Vater!
Hurtig hinab, ihn zu ſehen, den wohlge-
arteten Jüngling!
Ihr antwortete drauf die alte verſtän-
dige Hausfrau:
Mädchen, du biſt wahnſinnig! Zum Bräu-
tigam geht man ehrbar,
So wars Sitte vordem, mit niedergeſchla-
genen Augen! 335
Schwärmerin, willſt du auf Socken hinab-
gehn? Ziehe die Schuh’ an!
Und wie das Halstuch hängt! Fi, ſchäme
dich, garſtige Dirne!
Alſo ſchalt die Mama; und das Töch-
terchen, lieblich erröthend,
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Zitationshilfe: | Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_luise_1795/126>, abgerufen am 16.02.2025. |