stand, mit welcher Ini ihn bezaubert hatte, fühlte Guido dennoch die Rührung einfacher und tief empfundener Melodien. Natur und harmlose Lebenssitte hatten auch diese Menschen so poetisch gemacht, daß auf Verlangen oder aus eignem Drang, Hirten und Hirtinnen Lied und Harmonien auf der Stelle erfanden und vor¬ trugen, was die Hörer in die Zeiten der Amphion und Homer versetzte. Guido entwarf davon eine anziehende Schilderung und sandte sie Ini.
Das Verlangen Athen bald zu sehen, reg¬ te sich nun lebhafter, denn zu viel hatte ihm Gelino davon gesagt. Es wurde auch in kurzem gestillt, man erblickte das alte Vorland Sunium, die Berggipfel Parnes und Brilessus, und lag bald darauf im Hafen Piräus vor Anker
Gelino unterrichtete ihn im Voraus über die Erscheinungen, welche ihn auf diesem merk¬ würdigen Erdfleck belehren sollten.
Im achtzehnten Jahrhundert, hub er an, ereignete sich in der Provinz Frankreich jene be¬ kannte Staatsveränderung, welche das Schick¬ sal bestimmt hatte, nach und nach allen Reichen am Erdboden eine neue Gestalt zu geben. Nach langen blutigen Kriegen, die bis tief ins neun¬
ſtand, mit welcher Ini ihn bezaubert hatte, fuͤhlte Guido dennoch die Ruͤhrung einfacher und tief empfundener Melodien. Natur und harmloſe Lebensſitte hatten auch dieſe Menſchen ſo poetiſch gemacht, daß auf Verlangen oder aus eignem Drang, Hirten und Hirtinnen Lied und Harmonien auf der Stelle erfanden und vor¬ trugen, was die Hoͤrer in die Zeiten der Amphion und Homer verſetzte. Guido entwarf davon eine anziehende Schilderung und ſandte ſie Ini.
Das Verlangen Athen bald zu ſehen, reg¬ te ſich nun lebhafter, denn zu viel hatte ihm Gelino davon geſagt. Es wurde auch in kurzem geſtillt, man erblickte das alte Vorland Sunium, die Berggipfel Parnes und Brileſſus, und lag bald darauf im Hafen Piraͤus vor Anker
Gelino unterrichtete ihn im Voraus uͤber die Erſcheinungen, welche ihn auf dieſem merk¬ wuͤrdigen Erdfleck belehren ſollten.
Im achtzehnten Jahrhundert, hub er an, ereignete ſich in der Provinz Frankreich jene be¬ kannte Staatsveraͤnderung, welche das Schick¬ ſal beſtimmt hatte, nach und nach allen Reichen am Erdboden eine neue Geſtalt zu geben. Nach langen blutigen Kriegen, die bis tief ins neun¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0053"n="41"/>ſtand, mit welcher Ini ihn bezaubert hatte,<lb/>
fuͤhlte Guido dennoch die Ruͤhrung einfacher<lb/>
und tief empfundener Melodien. Natur und<lb/>
harmloſe Lebensſitte hatten auch dieſe Menſchen<lb/>ſo poetiſch gemacht, daß auf Verlangen oder aus<lb/>
eignem Drang, Hirten und Hirtinnen Lied und<lb/>
Harmonien auf der Stelle erfanden und vor¬<lb/>
trugen, was die Hoͤrer in die Zeiten der Amphion<lb/>
und Homer verſetzte. Guido entwarf davon eine<lb/>
anziehende Schilderung und ſandte ſie Ini.</p><lb/><p>Das Verlangen Athen bald zu ſehen, reg¬<lb/>
te ſich nun lebhafter, denn zu viel hatte ihm<lb/>
Gelino davon geſagt. Es wurde auch in kurzem<lb/>
geſtillt, man erblickte das alte Vorland Sunium,<lb/>
die Berggipfel Parnes und Brileſſus, und lag<lb/>
bald darauf im Hafen Piraͤus vor Anker</p><lb/><p>Gelino unterrichtete ihn im Voraus uͤber<lb/>
die Erſcheinungen, welche ihn auf dieſem merk¬<lb/>
wuͤrdigen Erdfleck belehren ſollten.</p><lb/><p>Im achtzehnten Jahrhundert, hub er an,<lb/>
ereignete ſich in der Provinz Frankreich jene be¬<lb/>
kannte Staatsveraͤnderung, welche das Schick¬<lb/>ſal beſtimmt hatte, nach und nach allen Reichen<lb/>
am Erdboden eine neue Geſtalt zu geben. Nach<lb/>
langen blutigen Kriegen, die bis tief ins neun¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[41/0053]
ſtand, mit welcher Ini ihn bezaubert hatte,
fuͤhlte Guido dennoch die Ruͤhrung einfacher
und tief empfundener Melodien. Natur und
harmloſe Lebensſitte hatten auch dieſe Menſchen
ſo poetiſch gemacht, daß auf Verlangen oder aus
eignem Drang, Hirten und Hirtinnen Lied und
Harmonien auf der Stelle erfanden und vor¬
trugen, was die Hoͤrer in die Zeiten der Amphion
und Homer verſetzte. Guido entwarf davon eine
anziehende Schilderung und ſandte ſie Ini.
Das Verlangen Athen bald zu ſehen, reg¬
te ſich nun lebhafter, denn zu viel hatte ihm
Gelino davon geſagt. Es wurde auch in kurzem
geſtillt, man erblickte das alte Vorland Sunium,
die Berggipfel Parnes und Brileſſus, und lag
bald darauf im Hafen Piraͤus vor Anker
Gelino unterrichtete ihn im Voraus uͤber
die Erſcheinungen, welche ihn auf dieſem merk¬
wuͤrdigen Erdfleck belehren ſollten.
Im achtzehnten Jahrhundert, hub er an,
ereignete ſich in der Provinz Frankreich jene be¬
kannte Staatsveraͤnderung, welche das Schick¬
ſal beſtimmt hatte, nach und nach allen Reichen
am Erdboden eine neue Geſtalt zu geben. Nach
langen blutigen Kriegen, die bis tief ins neun¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/53>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.