nach. Bald ward aber der Boden feuchter und feuchter, die Gletscher traten mehr hervor. Guido suchte einen breiten Felszacken, den Schlitten und seinen Lebensvorrath hinauf zu retten, denn er befürchtete strömende Flut.
Dies traf auch nach einem Monate ein, wo er denn sehr peinlich auf dem Fels weilen mu߬ te, doch verlief sich das Wasser, und breite Thäler entdeckten sich Guidos Blicken, von brau¬ senden Gießbächen durchwogt.
Er stieg nach und nach am Gletscher nieder, den noch übrigen Vorrath nicht vergessend. Nicht ohne Gefahr, und manche Mühseligkeit duldend, konnte es geschehn. Doch sah er auch, wie die immer scheinende Sonne nun aus der Höhe mit wunderbarer Gewalt die Szenen umwandelte. Kaum waren niedrige erdige Hügel von der Winterdecke befreit, als auch Gras und Kräuter schnell sie deckten, und zu Guidos froher Be¬ fremdung Geflügel ohne Zahl sich einfand. Be¬ sonders sah er Heere von Eisvögeln, die sich ins hohe Gras bargen, und ihn hoffen ließen, er würde an ihren Eiern neue Nahrung finden, woran es ihm nun entschieden gebrach.
Die Hoffnung betrog den kühnen Ausdaurer
nach. Bald ward aber der Boden feuchter und feuchter, die Gletſcher traten mehr hervor. Guido ſuchte einen breiten Felszacken, den Schlitten und ſeinen Lebensvorrath hinauf zu retten, denn er befuͤrchtete ſtroͤmende Flut.
Dies traf auch nach einem Monate ein, wo er denn ſehr peinlich auf dem Fels weilen mu߬ te, doch verlief ſich das Waſſer, und breite Thaͤler entdeckten ſich Guidos Blicken, von brau¬ ſenden Gießbaͤchen durchwogt.
Er ſtieg nach und nach am Gletſcher nieder, den noch uͤbrigen Vorrath nicht vergeſſend. Nicht ohne Gefahr, und manche Muͤhſeligkeit duldend, konnte es geſchehn. Doch ſah er auch, wie die immer ſcheinende Sonne nun aus der Hoͤhe mit wunderbarer Gewalt die Szenen umwandelte. Kaum waren niedrige erdige Huͤgel von der Winterdecke befreit, als auch Gras und Kraͤuter ſchnell ſie deckten, und zu Guidos froher Be¬ fremdung Gefluͤgel ohne Zahl ſich einfand. Be¬ ſonders ſah er Heere von Eisvoͤgeln, die ſich ins hohe Gras bargen, und ihn hoffen ließen, er wuͤrde an ihren Eiern neue Nahrung finden, woran es ihm nun entſchieden gebrach.
Die Hoffnung betrog den kuͤhnen Ausdaurer
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nach. Bald ward aber der Boden feuchter und
feuchter, die Gletſcher traten mehr hervor.
Guido ſuchte einen breiten Felszacken, den
Schlitten und ſeinen Lebensvorrath hinauf zu
retten, denn er befuͤrchtete ſtroͤmende Flut.
Dies traf auch nach einem Monate ein, wo
er denn ſehr peinlich auf dem Fels weilen mu߬
te, doch verlief ſich das Waſſer, und breite
Thaͤler entdeckten ſich Guidos Blicken, von brau¬
ſenden Gießbaͤchen durchwogt.
Er ſtieg nach und nach am Gletſcher nieder,
den noch uͤbrigen Vorrath nicht vergeſſend. Nicht
ohne Gefahr, und manche Muͤhſeligkeit duldend,
konnte es geſchehn. Doch ſah er auch, wie die
immer ſcheinende Sonne nun aus der Hoͤhe mit
wunderbarer Gewalt die Szenen umwandelte.
Kaum waren niedrige erdige Huͤgel von der
Winterdecke befreit, als auch Gras und Kraͤuter
ſchnell ſie deckten, und zu Guidos froher Be¬
fremdung Gefluͤgel ohne Zahl ſich einfand. Be¬
ſonders ſah er Heere von Eisvoͤgeln, die ſich
ins hohe Gras bargen, und ihn hoffen ließen,
er wuͤrde an ihren Eiern neue Nahrung finden,
woran es ihm nun entſchieden gebrach.
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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/340>, abgerufen am 22.11.2024.
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