mälde hervor, warf einen Blick darauf, hohe Gewalt der Unschuld kehrte ihm zurück. Nein, Verführerin, rief er, Treue ist schöner als Wol¬ lust! Heil mir, dem der Muth zu fliehen er¬ wacht!
Er eilte aus der Grotte, stark, kräftig in wiedergekehrter Tugend. Es schien ihm, als ob himmelsüße Stimmen ihn zurück riefen, er widerstand.
Am Gartenthor angekommen, fand er es verschlossen, was ihn peinigend ängstete. Er wollte hinaus in die Freiheit, desto ehe Meister zu sein der gefährlichen Leidenschaft, in Gelinos Armen Schutz dagegen suchen, wenn die eigne Kraft nicht mehr zulange. Seine Furcht war heftig, doch gerecht. Er wußte auch, der wahre Muth könne sich der Verführung nur entwinden, und sein feiges Beben durchflammte Heldengefühl.
Umsonst bemüht das Thor zu öffnen, weilte er mit Einemmale starr und unbeweglich. Eine Melodie ergriff ihn so wunderbar. In holden Zaubertönen redend, edler, siegender, wie alle die er in Wien gehört hatte, doch schon einst von ihm gehört, löste sie göttlich seine innere Welt. Erinnernd, die seligsten Bilder der Vor¬
maͤlde hervor, warf einen Blick darauf, hohe Gewalt der Unſchuld kehrte ihm zuruͤck. Nein, Verfuͤhrerin, rief er, Treue iſt ſchoͤner als Wol¬ luſt! Heil mir, dem der Muth zu fliehen er¬ wacht!
Er eilte aus der Grotte, ſtark, kraͤftig in wiedergekehrter Tugend. Es ſchien ihm, als ob himmelſuͤße Stimmen ihn zuruͤck riefen, er widerſtand.
Am Gartenthor angekommen, fand er es verſchloſſen, was ihn peinigend aͤngſtete. Er wollte hinaus in die Freiheit, deſto ehe Meiſter zu ſein der gefaͤhrlichen Leidenſchaft, in Gelinos Armen Schutz dagegen ſuchen, wenn die eigne Kraft nicht mehr zulange. Seine Furcht war heftig, doch gerecht. Er wußte auch, der wahre Muth koͤnne ſich der Verfuͤhrung nur entwinden, und ſein feiges Beben durchflammte Heldengefuͤhl.
Umſonſt bemuͤht das Thor zu oͤffnen, weilte er mit Einemmale ſtarr und unbeweglich. Eine Melodie ergriff ihn ſo wunderbar. In holden Zaubertoͤnen redend, edler, ſiegender, wie alle die er in Wien gehoͤrt hatte, doch ſchon einſt von ihm gehoͤrt, loͤſte ſie goͤttlich ſeine innere Welt. Erinnernd, die ſeligſten Bilder der Vor¬
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maͤlde hervor, warf einen Blick darauf, hohe
Gewalt der Unſchuld kehrte ihm zuruͤck. Nein,
Verfuͤhrerin, rief er, Treue iſt ſchoͤner als Wol¬
luſt! Heil mir, dem der Muth zu fliehen er¬
wacht!
Er eilte aus der Grotte, ſtark, kraͤftig in
wiedergekehrter Tugend. Es ſchien ihm, als ob
himmelſuͤße Stimmen ihn zuruͤck riefen, er
widerſtand.
Am Gartenthor angekommen, fand er es
verſchloſſen, was ihn peinigend aͤngſtete. Er
wollte hinaus in die Freiheit, deſto ehe Meiſter
zu ſein der gefaͤhrlichen Leidenſchaft, in Gelinos
Armen Schutz dagegen ſuchen, wenn die eigne
Kraft nicht mehr zulange. Seine Furcht war
heftig, doch gerecht. Er wußte auch, der wahre
Muth koͤnne ſich der Verfuͤhrung nur entwinden, und
ſein feiges Beben durchflammte Heldengefuͤhl.
Umſonſt bemuͤht das Thor zu oͤffnen, weilte
er mit Einemmale ſtarr und unbeweglich. Eine
Melodie ergriff ihn ſo wunderbar. In holden
Zaubertoͤnen redend, edler, ſiegender, wie alle
die er in Wien gehoͤrt hatte, doch ſchon einſt
von ihm gehoͤrt, loͤſte ſie goͤttlich ſeine innere
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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/238>, abgerufen am 28.11.2024.
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