Allein der Ausdruck eines so schönen Geistes prägte sich auch immer vollendeter in seiner Ge¬ stalt aus. Er fühlte, sah es mit Frohlocken, schrieb an Ini: Wenn sein Auge, vielmehr sein Herz nicht lüge, müsse er nun sehr nahe an sei¬ nem Götterziele stehn. --
Man besah noch das Innere von Berlin em¬ sig. Ein altes Zeughaus lag in ehrwürdigen Ruinen da. Es war nicht wieder erbaut worden, indem bei der jetzigen, glücklichen Verfassung von Europa, in der Mitte des Staates keine Waffenvorräthe nöthig waren.
Ein Standbild Friedrichs II. zog Guidos Blicke auf sich. Sein Lehrer sagte: Diesem König war freilich Neigung zum blutigen Ruhm vorzuwerfen, und er führte Kriege, die aller¬ dings zu vermeiden gewesen wären. Doch ent¬ schuldigt der rohe Charakter seiner Zeit viel daran. Hingegen wußte er den Monarchenberuf, der sich mit dem Ganzen zum Vortheil Aller verinnigen, und das Staatsschiff im Strome der Zeit dahin lenken soll, ohne seine Wogen vor¬ auseilen zu lassen, oder ihnen selbst voranzuflie¬ gen, so richtig zu erfüllen, daß manche Züge seines Regentenlebens, sogar jetzt noch, jungen
Allein der Ausdruck eines ſo ſchoͤnen Geiſtes praͤgte ſich auch immer vollendeter in ſeiner Ge¬ ſtalt aus. Er fuͤhlte, ſah es mit Frohlocken, ſchrieb an Ini: Wenn ſein Auge, vielmehr ſein Herz nicht luͤge, muͤſſe er nun ſehr nahe an ſei¬ nem Goͤtterziele ſtehn. —
Man beſah noch das Innere von Berlin em¬ ſig. Ein altes Zeughaus lag in ehrwuͤrdigen Ruinen da. Es war nicht wieder erbaut worden, indem bei der jetzigen, gluͤcklichen Verfaſſung von Europa, in der Mitte des Staates keine Waffenvorraͤthe noͤthig waren.
Ein Standbild Friedrichs II. zog Guidos Blicke auf ſich. Sein Lehrer ſagte: Dieſem Koͤnig war freilich Neigung zum blutigen Ruhm vorzuwerfen, und er fuͤhrte Kriege, die aller¬ dings zu vermeiden geweſen waͤren. Doch ent¬ ſchuldigt der rohe Charakter ſeiner Zeit viel daran. Hingegen wußte er den Monarchenberuf, der ſich mit dem Ganzen zum Vortheil Aller verinnigen, und das Staatsſchiff im Strome der Zeit dahin lenken ſoll, ohne ſeine Wogen vor¬ auseilen zu laſſen, oder ihnen ſelbſt voranzuflie¬ gen, ſo richtig zu erfuͤllen, daß manche Zuͤge ſeines Regentenlebens, ſogar jetzt noch, jungen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0227"n="215"/><p>Allein der Ausdruck eines ſo ſchoͤnen Geiſtes<lb/>
praͤgte ſich auch immer vollendeter in ſeiner Ge¬<lb/>ſtalt aus. Er fuͤhlte, ſah es mit Frohlocken,<lb/>ſchrieb an Ini: Wenn ſein Auge, vielmehr ſein<lb/>
Herz nicht luͤge, muͤſſe er nun ſehr nahe an ſei¬<lb/>
nem Goͤtterziele ſtehn. —</p><lb/><p>Man beſah noch das Innere von Berlin em¬<lb/>ſig. Ein altes Zeughaus lag in ehrwuͤrdigen<lb/>
Ruinen da. Es war nicht wieder erbaut worden,<lb/>
indem bei der jetzigen, gluͤcklichen Verfaſſung<lb/>
von Europa, in der Mitte des Staates keine<lb/>
Waffenvorraͤthe noͤthig waren.</p><lb/><p>Ein Standbild Friedrichs <hirendition="#aq">II</hi>. zog Guidos<lb/>
Blicke auf ſich. Sein Lehrer ſagte: Dieſem<lb/>
Koͤnig war freilich Neigung zum blutigen Ruhm<lb/>
vorzuwerfen, und er fuͤhrte Kriege, die aller¬<lb/>
dings zu vermeiden geweſen waͤren. Doch ent¬<lb/>ſchuldigt der rohe Charakter ſeiner Zeit viel<lb/>
daran. Hingegen wußte er den Monarchenberuf,<lb/>
der ſich mit dem Ganzen zum Vortheil Aller<lb/>
verinnigen, und das Staatsſchiff im Strome der<lb/>
Zeit dahin lenken ſoll, ohne ſeine Wogen vor¬<lb/>
auseilen zu laſſen, oder ihnen ſelbſt voranzuflie¬<lb/>
gen, ſo richtig zu erfuͤllen, daß manche Zuͤge<lb/>ſeines Regentenlebens, ſogar jetzt noch, jungen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[215/0227]
Allein der Ausdruck eines ſo ſchoͤnen Geiſtes
praͤgte ſich auch immer vollendeter in ſeiner Ge¬
ſtalt aus. Er fuͤhlte, ſah es mit Frohlocken,
ſchrieb an Ini: Wenn ſein Auge, vielmehr ſein
Herz nicht luͤge, muͤſſe er nun ſehr nahe an ſei¬
nem Goͤtterziele ſtehn. —
Man beſah noch das Innere von Berlin em¬
ſig. Ein altes Zeughaus lag in ehrwuͤrdigen
Ruinen da. Es war nicht wieder erbaut worden,
indem bei der jetzigen, gluͤcklichen Verfaſſung
von Europa, in der Mitte des Staates keine
Waffenvorraͤthe noͤthig waren.
Ein Standbild Friedrichs II. zog Guidos
Blicke auf ſich. Sein Lehrer ſagte: Dieſem
Koͤnig war freilich Neigung zum blutigen Ruhm
vorzuwerfen, und er fuͤhrte Kriege, die aller¬
dings zu vermeiden geweſen waͤren. Doch ent¬
ſchuldigt der rohe Charakter ſeiner Zeit viel
daran. Hingegen wußte er den Monarchenberuf,
der ſich mit dem Ganzen zum Vortheil Aller
verinnigen, und das Staatsſchiff im Strome der
Zeit dahin lenken ſoll, ohne ſeine Wogen vor¬
auseilen zu laſſen, oder ihnen ſelbſt voranzuflie¬
gen, ſo richtig zu erfuͤllen, daß manche Zuͤge
ſeines Regentenlebens, ſogar jetzt noch, jungen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/227>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.