Die Philosophie sah dies gegenwärtig wohl ein und trug zur Belehrung nur ihre eigne Ge¬ schichte vor. Die letzteren Sisteme, die jüngsten Träume vom Uebersinnlichen, mußten nothwen¬ dig, nach einem um so größern Maaßstabe ange¬ legt worden sein, als die Erkenntniß im Gebiet des Sinnlichen sich mehr ausgebreitet hatte. Man trug sie vor, beschied sich abzusprechen und überließ jedem Denker -- sich zum höchsten We¬ sen anbetend zu wenden.
Guido, bereits früh mit jugendlicher Weisheit ausgestattet, zeither, wie wir schon berichtet ha¬ ben, eifrig dem Studium der weisesten Schrif¬ ten dieser Zeit hingegeben, umfaßte nun, schnell in sich aufnehmend, was er hier sah und hörte, und vollendeter wurde der tiefe kräftige Denker. Die Hochgefühle seines stammenden Thatentrie¬ bes, wurden dadurch wechselnd gemildert und angefacht.
Wahre geistige Religion, in Bewunderung der Natur und Allmacht, lenkte sein Gemüth zum höheren Aufflug als je, und die Liebe, in ihrer immer reineren Mistik, schmiegte sich an alles Empfundene und Gedachte.
Die Philoſophie ſah dies gegenwaͤrtig wohl ein und trug zur Belehrung nur ihre eigne Ge¬ ſchichte vor. Die letzteren Siſteme, die juͤngſten Traͤume vom Ueberſinnlichen, mußten nothwen¬ dig, nach einem um ſo groͤßern Maaßſtabe ange¬ legt worden ſein, als die Erkenntniß im Gebiet des Sinnlichen ſich mehr ausgebreitet hatte. Man trug ſie vor, beſchied ſich abzuſprechen und uͤberließ jedem Denker — ſich zum hoͤchſten We¬ ſen anbetend zu wenden.
Guido, bereits fruͤh mit jugendlicher Weisheit ausgeſtattet, zeither, wie wir ſchon berichtet ha¬ ben, eifrig dem Studium der weiſeſten Schrif¬ ten dieſer Zeit hingegeben, umfaßte nun, ſchnell in ſich aufnehmend, was er hier ſah und hoͤrte, und vollendeter wurde der tiefe kraͤftige Denker. Die Hochgefuͤhle ſeines ſtammenden Thatentrie¬ bes, wurden dadurch wechſelnd gemildert und angefacht.
Wahre geiſtige Religion, in Bewunderung der Natur und Allmacht, lenkte ſein Gemuͤth zum hoͤheren Aufflug als je, und die Liebe, in ihrer immer reineren Miſtik, ſchmiegte ſich an alles Empfundene und Gedachte.
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Die Philoſophie ſah dies gegenwaͤrtig wohl
ein und trug zur Belehrung nur ihre eigne Ge¬
ſchichte vor. Die letzteren Siſteme, die juͤngſten
Traͤume vom Ueberſinnlichen, mußten nothwen¬
dig, nach einem um ſo groͤßern Maaßſtabe ange¬
legt worden ſein, als die Erkenntniß im Gebiet
des Sinnlichen ſich mehr ausgebreitet hatte.
Man trug ſie vor, beſchied ſich abzuſprechen und
uͤberließ jedem Denker — ſich zum hoͤchſten We¬
ſen anbetend zu wenden.
Guido, bereits fruͤh mit jugendlicher Weisheit
ausgeſtattet, zeither, wie wir ſchon berichtet ha¬
ben, eifrig dem Studium der weiſeſten Schrif¬
ten dieſer Zeit hingegeben, umfaßte nun, ſchnell
in ſich aufnehmend, was er hier ſah und hoͤrte,
und vollendeter wurde der tiefe kraͤftige Denker.
Die Hochgefuͤhle ſeines ſtammenden Thatentrie¬
bes, wurden dadurch wechſelnd gemildert und
angefacht.
Wahre geiſtige Religion, in Bewunderung
der Natur und Allmacht, lenkte ſein Gemuͤth
zum hoͤheren Aufflug als je, und die Liebe, in
ihrer immer reineren Miſtik, ſchmiegte ſich an
alles Empfundene und Gedachte.
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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/226>, abgerufen am 24.11.2024.
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