waltete, wo sie bald ihre Leidenschaften zum Ge setz erhoben, bald sich Ekel an ihrem Amte und ein sieches Leben erschwelgten, bald ganze Geschlechter in unsinnigen Kriegen zertraten, bald ihres hohen Berufes vergessend, und mit elenden Kleinigkei¬ ten ergötzt, ihre Völker jedem Sturm von In¬ nen und Außen Preis gaben. Hart mußten solche Zeiten ihren Wahnsinn büßen, und das Loos der Könige fiel auch sehr traurig. Denn die reichen Genüsse freuten sie nicht, da sie keine Entbehrungen würzten. Die Wahrheit kam ih¬ nen selten zu Ohr, und so im Dunkeln tap¬ pend, konnten sie fast nur durch ein Wunder, die ihrer Zeit jedesmal zuträglichen Maaßneh¬ mungen ergreifen. Wissenschaft, die ihnen al¬ lein ein klares Auge hätte erziehen können, um durch die dicke Weihrauchumwölkung zu schauen, blieb ihnen meistens fremd. Immer waren sie von Ehrgeitz und Raubsucht der Nachbarn be¬ droht, eine Kunst, damals Politik genannt, und nicht viel besser als Schutz durch Trug vor Trug, ängstete sie unaufhörlich. Jetzt dagegen schirmt sie die Moral des Völkerrechtes, sie sind nicht nur heilig dem Unterthan, sondern allen Völ¬ kern, die das große Volk von Europa zusam¬
waltete, wo ſie bald ihre Leidenſchaften zum Ge ſetz erhoben, bald ſich Ekel an ihrem Amte und ein ſieches Leben erſchwelgten, bald ganze Geſchlechter in unſinnigen Kriegen zertraten, bald ihres hohen Berufes vergeſſend, und mit elenden Kleinigkei¬ ten ergoͤtzt, ihre Voͤlker jedem Sturm von In¬ nen und Außen Preis gaben. Hart mußten ſolche Zeiten ihren Wahnſinn buͤßen, und das Loos der Koͤnige fiel auch ſehr traurig. Denn die reichen Genuͤſſe freuten ſie nicht, da ſie keine Entbehrungen wuͤrzten. Die Wahrheit kam ih¬ nen ſelten zu Ohr, und ſo im Dunkeln tap¬ pend, konnten ſie faſt nur durch ein Wunder, die ihrer Zeit jedesmal zutraͤglichen Maaßneh¬ mungen ergreifen. Wiſſenſchaft, die ihnen al¬ lein ein klares Auge haͤtte erziehen koͤnnen, um durch die dicke Weihrauchumwoͤlkung zu ſchauen, blieb ihnen meiſtens fremd. Immer waren ſie von Ehrgeitz und Raubſucht der Nachbarn be¬ droht, eine Kunſt, damals Politik genannt, und nicht viel beſſer als Schutz durch Trug vor Trug, aͤngſtete ſie unaufhoͤrlich. Jetzt dagegen ſchirmt ſie die Moral des Voͤlkerrechtes, ſie ſind nicht nur heilig dem Unterthan, ſondern allen Voͤl¬ kern, die das große Volk von Europa zuſam¬
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waltete, wo ſie bald ihre Leidenſchaften zum Ge
ſetz erhoben, bald ſich Ekel an ihrem Amte und ein
ſieches Leben erſchwelgten, bald ganze Geſchlechter
in unſinnigen Kriegen zertraten, bald ihres hohen
Berufes vergeſſend, und mit elenden Kleinigkei¬
ten ergoͤtzt, ihre Voͤlker jedem Sturm von In¬
nen und Außen Preis gaben. Hart mußten
ſolche Zeiten ihren Wahnſinn buͤßen, und das
Loos der Koͤnige fiel auch ſehr traurig. Denn
die reichen Genuͤſſe freuten ſie nicht, da ſie keine
Entbehrungen wuͤrzten. Die Wahrheit kam ih¬
nen ſelten zu Ohr, und ſo im Dunkeln tap¬
pend, konnten ſie faſt nur durch ein Wunder,
die ihrer Zeit jedesmal zutraͤglichen Maaßneh¬
mungen ergreifen. Wiſſenſchaft, die ihnen al¬
lein ein klares Auge haͤtte erziehen koͤnnen, um
durch die dicke Weihrauchumwoͤlkung zu ſchauen,
blieb ihnen meiſtens fremd. Immer waren ſie
von Ehrgeitz und Raubſucht der Nachbarn be¬
droht, eine Kunſt, damals Politik genannt, und
nicht viel beſſer als Schutz durch Trug vor Trug,
aͤngſtete ſie unaufhoͤrlich. Jetzt dagegen ſchirmt
ſie die Moral des Voͤlkerrechtes, ſie ſind nicht
nur heilig dem Unterthan, ſondern allen Voͤl¬
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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/196>, abgerufen am 23.11.2024.
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