Blüthenzweigen nieder, in Jasminlauben horch¬ ten die Lustwandelnden ihrem Gesang. Bald stieg aber der Mond empor, hoch im Norden am Aether hangend, und goß seine Schimmer verklärend nieder. O Ini, seufzte Guido tief¬ bewegt, könnt' ich an deinem Arme hier den Himmel fühlen!
Und wie hatte der kluge Fleiß dies alles ge¬ schaffen? In den dicken Mauern der Umgebung lagen, wie unten, Oefen verborgen. Die gro¬ ßen, hie und da zerstreuten, Eichen und Fichten, waren durch Kunst der Natur nachgeahmt, zum Theil hohl, um in den durchgeführten Röhren Wärme auszuhauchen, damit auch oben eine gleichmäßige Temperatur erzeugt würde, zum Theil bestimmt die hohe Glasdecke zu tragen, die sich zwischen ihnen in kleinen Gewölben senkte und hob.
Glassteine, rein und klar genug, den Licht¬ strahl nicht zu hemmen, und doch von der nö¬ thigen Stärke, um alle Kälte abzuwenden, bil¬ deten diese Gewölbe. Kein Kitt verband sie, sondern man hatte im Bauen ihre Seiten durch Feuer erweicht und sie sich so verschmelzen las¬ sen. Die Anstalten mangelten nicht, sie Außen
Bluͤthenzweigen nieder, in Jasminlauben horch¬ ten die Luſtwandelnden ihrem Geſang. Bald ſtieg aber der Mond empor, hoch im Norden am Aether hangend, und goß ſeine Schimmer verklaͤrend nieder. O Ini, ſeufzte Guido tief¬ bewegt, koͤnnt' ich an deinem Arme hier den Himmel fuͤhlen!
Und wie hatte der kluge Fleiß dies alles ge¬ ſchaffen? In den dicken Mauern der Umgebung lagen, wie unten, Oefen verborgen. Die gro¬ ßen, hie und da zerſtreuten, Eichen und Fichten, waren durch Kunſt der Natur nachgeahmt, zum Theil hohl, um in den durchgefuͤhrten Roͤhren Waͤrme auszuhauchen, damit auch oben eine gleichmaͤßige Temperatur erzeugt wuͤrde, zum Theil beſtimmt die hohe Glasdecke zu tragen, die ſich zwiſchen ihnen in kleinen Gewoͤlben ſenkte und hob.
Glasſteine, rein und klar genug, den Licht¬ ſtrahl nicht zu hemmen, und doch von der noͤ¬ thigen Staͤrke, um alle Kaͤlte abzuwenden, bil¬ deten dieſe Gewoͤlbe. Kein Kitt verband ſie, ſondern man hatte im Bauen ihre Seiten durch Feuer erweicht und ſie ſich ſo verſchmelzen laſ¬ ſen. Die Anſtalten mangelten nicht, ſie Außen
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Bluͤthenzweigen nieder, in Jasminlauben horch¬
ten die Luſtwandelnden ihrem Geſang. Bald
ſtieg aber der Mond empor, hoch im Norden
am Aether hangend, und goß ſeine Schimmer
verklaͤrend nieder. O Ini, ſeufzte Guido tief¬
bewegt, koͤnnt' ich an deinem Arme hier den
Himmel fuͤhlen!
Und wie hatte der kluge Fleiß dies alles ge¬
ſchaffen? In den dicken Mauern der Umgebung
lagen, wie unten, Oefen verborgen. Die gro¬
ßen, hie und da zerſtreuten, Eichen und Fichten,
waren durch Kunſt der Natur nachgeahmt, zum
Theil hohl, um in den durchgefuͤhrten Roͤhren
Waͤrme auszuhauchen, damit auch oben eine
gleichmaͤßige Temperatur erzeugt wuͤrde, zum
Theil beſtimmt die hohe Glasdecke zu tragen,
die ſich zwiſchen ihnen in kleinen Gewoͤlben
ſenkte und hob.
Glasſteine, rein und klar genug, den Licht¬
ſtrahl nicht zu hemmen, und doch von der noͤ¬
thigen Staͤrke, um alle Kaͤlte abzuwenden, bil¬
deten dieſe Gewoͤlbe. Kein Kitt verband ſie,
ſondern man hatte im Bauen ihre Seiten durch
Feuer erweicht und ſie ſich ſo verſchmelzen laſ¬
ſen. Die Anſtalten mangelten nicht, ſie Außen
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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/148>, abgerufen am 24.11.2024.
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