Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

orchester über sie schweben, dreihundert Klafter
hoch, unsichtbar in dem wallenden Rauchnebel.
Die Musiker hatten die Ohren dicht verstopft,
nicht Taubheit davon zu tragen.

Welch ein Effekt in der Tiefe, als der Sturm
des Klanges niederbrauste, auf Meilenfernen in
gleicher Gewalt hörbar. Es war, als ob der
Gott der Heerschaaren in den Lüften walte¬
te, seine Treuen durch himmlische Melodien
zum unsterblichen Ruhm weihend. Entzückt,
wonnetrunken, horchten die staunenden Helden.
Warum ist kein Feind da, den wir, von den
Harmonien umströmt, bekämpfen können, riefen
sie. Zu unüberwindlichen Löwen erhübe uns die
wundervolle Magie.

Hatte er zuvor die Liebe der Soldaten ge¬
wonnen, so flogen ihm nunmehr alle Herzen zu,
denn diese Krieger bargen Schönheitssinn. Die
Erfindung ward auch einmüthig angenommen,
doch bestimmten die Anführer ihren Gebrauch
nur für den Ernst, im Frieden sollte sich das
Ohr der Soldaten nicht daran gewöhnen, da¬
mit einst in der Schlacht die Wirkung höher
reichte.

Guido wandte sich nun heimlich von den

orcheſter uͤber ſie ſchweben, dreihundert Klafter
hoch, unſichtbar in dem wallenden Rauchnebel.
Die Muſiker hatten die Ohren dicht verſtopft,
nicht Taubheit davon zu tragen.

Welch ein Effekt in der Tiefe, als der Sturm
des Klanges niederbrauſte, auf Meilenfernen in
gleicher Gewalt hoͤrbar. Es war, als ob der
Gott der Heerſchaaren in den Luͤften walte¬
te, ſeine Treuen durch himmliſche Melodien
zum unſterblichen Ruhm weihend. Entzuͤckt,
wonnetrunken, horchten die ſtaunenden Helden.
Warum iſt kein Feind da, den wir, von den
Harmonien umſtroͤmt, bekaͤmpfen koͤnnen, riefen
ſie. Zu unuͤberwindlichen Loͤwen erhuͤbe uns die
wundervolle Magie.

Hatte er zuvor die Liebe der Soldaten ge¬
wonnen, ſo flogen ihm nunmehr alle Herzen zu,
denn dieſe Krieger bargen Schoͤnheitsſinn. Die
Erfindung ward auch einmuͤthig angenommen,
doch beſtimmten die Anfuͤhrer ihren Gebrauch
nur fuͤr den Ernſt, im Frieden ſollte ſich das
Ohr der Soldaten nicht daran gewoͤhnen, da¬
mit einſt in der Schlacht die Wirkung hoͤher
reichte.

Guido wandte ſich nun heimlich von den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0138" n="126"/>
orche&#x017F;ter u&#x0364;ber &#x017F;ie &#x017F;chweben, dreihundert Klafter<lb/>
hoch, un&#x017F;ichtbar in dem wallenden Rauchnebel.<lb/>
Die Mu&#x017F;iker hatten die Ohren dicht ver&#x017F;topft,<lb/>
nicht Taubheit davon zu tragen.</p><lb/>
          <p>Welch ein Effekt in der Tiefe, als der Sturm<lb/>
des Klanges niederbrau&#x017F;te, auf Meilenfernen in<lb/>
gleicher Gewalt ho&#x0364;rbar. Es war, als ob der<lb/>
Gott der Heer&#x017F;chaaren in den Lu&#x0364;ften walte¬<lb/>
te, &#x017F;eine Treuen durch himmli&#x017F;che Melodien<lb/>
zum un&#x017F;terblichen Ruhm weihend. Entzu&#x0364;ckt,<lb/>
wonnetrunken, horchten die &#x017F;taunenden Helden.<lb/>
Warum i&#x017F;t kein Feind da, den wir, von den<lb/>
Harmonien um&#x017F;tro&#x0364;mt, beka&#x0364;mpfen ko&#x0364;nnen, riefen<lb/>
&#x017F;ie. Zu unu&#x0364;berwindlichen Lo&#x0364;wen erhu&#x0364;be uns die<lb/>
wundervolle Magie.</p><lb/>
          <p>Hatte er zuvor die Liebe der Soldaten ge¬<lb/>
wonnen, &#x017F;o flogen ihm nunmehr alle Herzen zu,<lb/>
denn die&#x017F;e Krieger bargen Scho&#x0364;nheits&#x017F;inn. Die<lb/>
Erfindung ward auch einmu&#x0364;thig angenommen,<lb/>
doch be&#x017F;timmten die Anfu&#x0364;hrer ihren Gebrauch<lb/>
nur fu&#x0364;r den Ern&#x017F;t, im Frieden &#x017F;ollte &#x017F;ich das<lb/>
Ohr der Soldaten nicht daran gewo&#x0364;hnen, da¬<lb/>
mit ein&#x017F;t in der Schlacht die Wirkung ho&#x0364;her<lb/>
reichte.</p><lb/>
          <p>Guido wandte &#x017F;ich nun heimlich von den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0138] orcheſter uͤber ſie ſchweben, dreihundert Klafter hoch, unſichtbar in dem wallenden Rauchnebel. Die Muſiker hatten die Ohren dicht verſtopft, nicht Taubheit davon zu tragen. Welch ein Effekt in der Tiefe, als der Sturm des Klanges niederbrauſte, auf Meilenfernen in gleicher Gewalt hoͤrbar. Es war, als ob der Gott der Heerſchaaren in den Luͤften walte¬ te, ſeine Treuen durch himmliſche Melodien zum unſterblichen Ruhm weihend. Entzuͤckt, wonnetrunken, horchten die ſtaunenden Helden. Warum iſt kein Feind da, den wir, von den Harmonien umſtroͤmt, bekaͤmpfen koͤnnen, riefen ſie. Zu unuͤberwindlichen Loͤwen erhuͤbe uns die wundervolle Magie. Hatte er zuvor die Liebe der Soldaten ge¬ wonnen, ſo flogen ihm nunmehr alle Herzen zu, denn dieſe Krieger bargen Schoͤnheitsſinn. Die Erfindung ward auch einmuͤthig angenommen, doch beſtimmten die Anfuͤhrer ihren Gebrauch nur fuͤr den Ernſt, im Frieden ſollte ſich das Ohr der Soldaten nicht daran gewoͤhnen, da¬ mit einſt in der Schlacht die Wirkung hoͤher reichte. Guido wandte ſich nun heimlich von den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/138
Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/138>, abgerufen am 24.11.2024.