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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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Kein Neid trübte einen so rein verdienten
Dank.

Die Aeltesten ordneten eine neue Heerführer¬
wahl. Jeder im Heerhaufen nährte denselben
Gedanken. Mag der Jüngling selbst nicht das
erste Lehrjahr bestanden haben, sein Geist, seine
Thaten erheben ihn zum Würdigsten. Man zog
die Namen aus dem Helm, der unter allen Krie¬
gern umhergegangen war. Guido stand auf je¬
dem Papier.

Er war beschämt, verlegen -- doch klopfte
sein Busen von nicht geringer Freude. "Was
wird Ini sagen, wenn sie davon hört!" dachte
er, dann -- gab er Befehle.

Eine weite Umzingelung des Feindes schien
ihm in diesen Waldungen das Dienlichste. Je¬
der Krieger empfing eine kleine Viole von dem
Gegengift, um nun bei einer Wunde sogleich ei¬
nige Tropfen davon anwenden zu können. In
der folgenden Nacht traten die Flügel ihren Weg
an, um sich in den Rücken des Feindes zu begeben.
Zeitmesser und Kompaß dienten, sich genau an
den Stellen einzufinden, wo es der Plan ver¬
langte. Ein Morast, durch den die Tatarn nicht
dringen konnten, begünstigte an einer Seite den

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Kein Neid truͤbte einen ſo rein verdienten
Dank.

Die Aelteſten ordneten eine neue Heerfuͤhrer¬
wahl. Jeder im Heerhaufen naͤhrte denſelben
Gedanken. Mag der Juͤngling ſelbſt nicht das
erſte Lehrjahr beſtanden haben, ſein Geiſt, ſeine
Thaten erheben ihn zum Wuͤrdigſten. Man zog
die Namen aus dem Helm, der unter allen Krie¬
gern umhergegangen war. Guido ſtand auf je¬
dem Papier.

Er war beſchaͤmt, verlegen — doch klopfte
ſein Buſen von nicht geringer Freude. „Was
wird Ini ſagen, wenn ſie davon hoͤrt!“ dachte
er, dann — gab er Befehle.

Eine weite Umzingelung des Feindes ſchien
ihm in dieſen Waldungen das Dienlichſte. Je¬
der Krieger empfing eine kleine Viole von dem
Gegengift, um nun bei einer Wunde ſogleich ei¬
nige Tropfen davon anwenden zu koͤnnen. In
der folgenden Nacht traten die Fluͤgel ihren Weg
an, um ſich in den Ruͤcken des Feindes zu begeben.
Zeitmeſſer und Kompaß dienten, ſich genau an
den Stellen einzufinden, wo es der Plan ver¬
langte. Ein Moraſt, durch den die Tatarn nicht
dringen konnten, beguͤnſtigte an einer Seite den

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[115/0127] Kein Neid truͤbte einen ſo rein verdienten Dank. Die Aelteſten ordneten eine neue Heerfuͤhrer¬ wahl. Jeder im Heerhaufen naͤhrte denſelben Gedanken. Mag der Juͤngling ſelbſt nicht das erſte Lehrjahr beſtanden haben, ſein Geiſt, ſeine Thaten erheben ihn zum Wuͤrdigſten. Man zog die Namen aus dem Helm, der unter allen Krie¬ gern umhergegangen war. Guido ſtand auf je¬ dem Papier. Er war beſchaͤmt, verlegen — doch klopfte ſein Buſen von nicht geringer Freude. „Was wird Ini ſagen, wenn ſie davon hoͤrt!“ dachte er, dann — gab er Befehle. Eine weite Umzingelung des Feindes ſchien ihm in dieſen Waldungen das Dienlichſte. Je¬ der Krieger empfing eine kleine Viole von dem Gegengift, um nun bei einer Wunde ſogleich ei¬ nige Tropfen davon anwenden zu koͤnnen. In der folgenden Nacht traten die Fluͤgel ihren Weg an, um ſich in den Ruͤcken des Feindes zu begeben. Zeitmeſſer und Kompaß dienten, ſich genau an den Stellen einzufinden, wo es der Plan ver¬ langte. Ein Moraſt, durch den die Tatarn nicht dringen konnten, beguͤnſtigte an einer Seite den H 2

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/127>, abgerufen am 24.11.2024.