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Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

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das Wasser Bedingung alles Wachsthums ist, Beziehung zu diesem gegeben wurde. Theils darum, theils weil der Aphrodite-Dienst über das Meer zu ihnen gekommen war, nannten die Griechen Aphrodite die aus dem Meeresschaum Geborene (aphros, Schaum, und dyo, tauchen) Davon spricht Hesiod und ein homerischer Hymnus; Homer in der Ilias und Odyssee weiss hievon nichts, sondern ihm ist Aphrodite eine Tochter des Zeus und der Dione. Dione aber ist von Einer Wurzel mit Zeus (Genitiv Dios) und Jupiter (Diupiter), und daher wieder die Himmelsgöttin, wie auch Aphrodite selbst zuweilen Dione genannt wird. Noch Cicero nennt sie eine Tochter des Cölus und der Hemera, d. h. des Himmels und des Tages. - In der griechischen Volksreligion ist Aphrodite die Göttin der Liebe, der Schönheit, der Anmuth. Als solche ist sie selbst die schönste der Göttinnen, der desshalb auch Paris den Preis der Schönheit mit Recht ertheilte. - In der Ilias ist sie noch nicht Gemahlin des Vulcan, sondern erst in der Odyssee, wo sie, ihrem Gatten untreu, mit Mars buhlt, vom Sonnen-Gott verrathen, von Vulcan mit Zaubernetzen in der Umarmung mit Mars umstrickt, und so allen Göttern vorgezeigt wird. Im trojanischen Krieg steht sie auf der Seite der Troer und schützt besonders den Aeneas, Paris und Hector. Ersterer ist ihr Sohn von Anchises, zu welchem ihr Jupiter selbst liebendes Verlangen eingeflösst hat. Als sie einst dem Aeneas im Gefechte beistehen wollte, wurde sie von Diomedes an der Hand verwundet; weinend flieht sie nach dem Olymp, aber Jupiter erwidert lächelnd auf ihre Klagen, dass Schlachten nicht der Schauplatz ihres Wirkens seien. - Dem Anchises gebar sie ausser Aeneas den Lyrus oder Lyreus; dem Adonis (s. d.) den Golgus und die Beroe; aus der Doppelehe mit Mars und Adonis den Priapus, oder diesen auch von Jupiter oder von Bacchus; von Mercur den Hermaphroditus; von Butes, Teleons Sohn, den Eryx; von Neptun die Rhodos. - Geheiligt sind ihr die Myrte, die Rose, der Apfel, der Mohn, die Linde, der Sperling, die Taube, der Schwan, die Schwalbe, der Wendehals, der Delphin, die Schildkröte, der Bock; der Planet V. und mit ihm der Freitag; der Monat April; die Zahl sechs. Als Siegerin über alle Herzen erscheint sie mit den Attributen des Mars: Helm, Schild, Lanze, Schwert, und trägt die Victoria, wie Jupiter, auf der Hand. - Als ihre wichtigsten Beinamen vergleiche man die Artikel Callipygos, Apaturia (unter Apaturien), Anadyomene, Pandemos. - Der italische Name V. kommt von demselben Wortstamm her, wovon venire, kommen, hervorkommen, wachsen, und bezeichnete zuerst eine Göttin der Gartengewächse, denn man hat noch eine Stelle, worin Neptunus, V., Ceres für Fische, Gemüsse und Brod gebraucht werden. Wann diese alt-italische Göttin in Rom öffentlich verehrt zu werden angefangen habe, ist gänzlich unbekannt, während wir die Nachricht haben, für V. habe es zu Rom unter der Herrschaft der Könige weder einen lateinischen, noch einen griechischen Namen gegeben. Ebenso unbekannt sind die Gründe, welche die Römer bewogen haben, in der griechischen Aphrodite ihre V. wieder zu erkennen, und diejenige Vermengung der beiden Göttinnen vorzunehmen, von welcher die römische Literatur und die Kunstdenkmäler Zeugniss geben, und die so stark war, dass in der That die italische V. vor der griechischen Aphrodite gänzlich verschwunden ist. Besonders beliebt wurde in Rom der Mythus von V. als Mutter des Aeneas, und von Aeneas als Gründer einer troischen Colonie in Italien, welche Bedingung des Entstehens von Rom gewesen sei, so dass Aeneas als Stammherr, V. als Stammutter des römischen Volks überhaupt, und (da dem Aeneas ein Sohn Julus zugeschrieben wurde) des julischen Geschlechts insbesondere galt, wesshalb dann Julius Cäsar, der auch eine bewaffnete V. als Siegel gebrauchte, der V. Genitrix (Ahnfrau) einen besondern Tempel erbaute. - Mit welcher Liebe die bildende Kunst sich der Darstellung der V. hingab, ist bekannt genug; es bildeten sich gewisse Grundzüge dafür aus, ein eigener Venus-Typus. - Von den berühmtesten V.-Bildern des Alterthums, wie von Praxiteles, Scopas, Apelles, ist uns zwar nichts erhalten; demungeachtet besitzen wir noch köstliche Ueberreste, in denen man mehr oder weniger gelungene Nachbildungen jener höchst vollkommenen Originale erkennen darf. Unsere Abbildungen zeigen: Fig. 289: Venus-Statue von der Art derer, welche mehrere Alterthumsforscher als die wahren eigentlichen Copien der cnidischen Venus des Praxiteles ansehen, und zwar aus dem Grunde, weil eine ähnliche Figur auf zwei Medaglions der Cnidier sich findet. Diese Statue hat kaum halbe Lebensgrösse und stand vormals in der Villa Borghese. Die Nacktheit der Göttin ist hier noch motivirt durch die Ablegung des Gewandes zum Bade, was man später nicht mehr nöthig fand, da die Darstellung des vollendeten sinnlichen Liebreizes mehr und mehr die Hauptaufgabe der vom alten Tempeldienst sich emancipirenden Kunst wurde. Dahin gehört also sogleich die berühmte mediceische Venus, Fig. 290, ein Werk des Cleomenes aus Athen, im Allgemeinen auch noch Nachbildung der cnidischen; Fig. 291 gibt eine Ansicht von einer Venus-Statue in Florenz, die als Venus Urania und als Nachbildung der coischen Venus des Praxiteles galt; Fig. 292 Venus Callipygos, Statue des Museo Borbonico in Neapel; Fig. 293 Capitolinische Venus; Nachbildung der cnidischen mit einem gewissen individuellen Charakter, im Musee francais; Fig. 294 die sich im Bade schmiegende Venus; Museo Pio-Clementino.


Venus (Frau) (Nord. Sage). In Thüringen soll eine Feenkönigin mit Namen Frau V. gewohnt und den Horselberg zu ihrem Revier erkoren haben; um sie war ein wonnevoller Liebes- und Freudenhof, und diejenigen, welche sich ihr ergaben, wurden mit allen Genüssen, welche die ausschweifendsten Gelüste nur begehren mögen, überschüttet, jedoch dadurch um ihr ewiges Heil betrogen. Unter den also dahingefahrenen Personen nennt die Sage insbesondere einen Ritter Tannhäuser, der, nachdem er mehrere Jahre im V.-Berge zugebracht, plötzlich, von schwerer Reue ergriffen, nach Rom zum Papste kam, um zu beichten und Gnade zu erflehen. Der Papst wies ihm seinen Krummstab vor, und sagte, wenn dieser Stab wieder grüne und blühe, dann werde er Vergebung erlangen. Tannhäuser ging verzweiflungsvoll von dannen, nach etlichen Tagen aber fing der Stab an zu grünen und zu blühen. Der Papst liess den Tannhäuser überall suchen, aber der war nirgends mehr zu finden, denn er war in den V.-Berg zurückgegangen, wo er nun bleibt in Ewigkeit. Vergl. Eckhardt. Erst seit dem 14ten Jahrhundert kommen die ersten Spuren der Sage vom V.-Berg zum Vorschein: um diese Zeit scheint also die deutsche Holda = Frigga, in die römische Venus umgewandelt worden zu sein.


Verbrennen der Wittwen, eine sonderbare und schreckliche Sitte der Indier, erst seit dem Jahre 1827 von den Engländern gesetzlich verboten, doch noch immer nicht ganz unterdrückt. Man gibt vor, der Gebrauch sei erst später herrschend geworden, als die Frau eines Braminen ihren Gatten vergiftet habe, wesshalb festgesetzt wurde, dass jede Frau ihrem Manne in das Grab folgen müsse; allein es ist nicht wahrscheinlich, dass eine solche Ursache der schrecklichen Unsitte zum Grunde liege, vielmehr scheint im Cultus selbst schon die Bedingung dazu vorhanden zu sein. Sich selbst freiwillig opfern, ist bei den Indiern fast das höchste Verdienst, das ein dem menschlichen Geschlecht nicht mehr nützliches Mitglied sich erwerben kann. Die Wittwe ist aber ein solches unnützes Glied; zur Verheirathung ist Jungfräulichkeit der Braut wesentliche Bedingung; da die Wittwe sich also nicht mehr verehelichen kann, wird sie zur Vermehrung des menschlichen Geschlechts unnütz, den Ihrigen eine Last; sie ist diesen schuldig, sich zu opfern, was man jedoch nicht von ihr verlangt, wenn sich Jemand findet, der sie heirathen möchte. Das Alter hat diese Sitte geheiligt, so dass eine Frau, welche sich weigert, dem Gatten zu folgen, verachtet, aus ihrer Gesellschaft gestossen, in die Wälder vertrieben wird, wo sie ihr Verbrechen dadurch büssen kann, dass sie stets aus dem Schädel des Verstorbenen trinkt, und Alles, selbst das Scheusslichste, was man ihr hineinwirft, isst.


Veritas (Röm. M.), die Göttin der Wahrheit, welche die Griechen Aletheia nannten, Tochter des Jupiter oder des Saturn; sie gilt für die Mutter der Tugend und der Gerechtigkeit. Man bildete sie in weisser Kleidung ab.


Verticordia (Röm. M.), Beiname der Venus, "die Lenkerin der Herzen"; ihr ward ein Tempel erbaut, als drei Vestalinnen zugleich gefallen waren, damit sie die Herzen der Frauen von der Unkeuschheit abwenden möchte. Um diesen Tempel zu weihen und das Bild der Göttin aufzustellen, wurden aus hundert der anerkannt keuschesten Frauen zehn durch's Loos erwählt, die dann aus

das Wasser Bedingung alles Wachsthums ist, Beziehung zu diesem gegeben wurde. Theils darum, theils weil der Aphrodite-Dienst über das Meer zu ihnen gekommen war, nannten die Griechen Aphrodite die aus dem Meeresschaum Geborene (aphros, Schaum, und dyô, tauchen) Davon spricht Hesiod und ein homerischer Hymnus; Homer in der Ilias und Odyssee weiss hievon nichts, sondern ihm ist Aphrodite eine Tochter des Zeus und der Dione. Dione aber ist von Einer Wurzel mit Zeus (Genitiv Dios) und Jupiter (Diupiter), und daher wieder die Himmelsgöttin, wie auch Aphrodite selbst zuweilen Dione genannt wird. Noch Cicero nennt sie eine Tochter des Cölus und der Hemera, d. h. des Himmels und des Tages. – In der griechischen Volksreligion ist Aphrodite die Göttin der Liebe, der Schönheit, der Anmuth. Als solche ist sie selbst die schönste der Göttinnen, der desshalb auch Paris den Preis der Schönheit mit Recht ertheilte. – In der Ilias ist sie noch nicht Gemahlin des Vulcan, sondern erst in der Odyssee, wo sie, ihrem Gatten untreu, mit Mars buhlt, vom Sonnen-Gott verrathen, von Vulcan mit Zaubernetzen in der Umarmung mit Mars umstrickt, und so allen Göttern vorgezeigt wird. Im trojanischen Krieg steht sie auf der Seite der Troër und schützt besonders den Aeneas, Paris und Hector. Ersterer ist ihr Sohn von Anchises, zu welchem ihr Jupiter selbst liebendes Verlangen eingeflösst hat. Als sie einst dem Aeneas im Gefechte beistehen wollte, wurde sie von Diomedes an der Hand verwundet; weinend flieht sie nach dem Olymp, aber Jupiter erwidert lächelnd auf ihre Klagen, dass Schlachten nicht der Schauplatz ihres Wirkens seien. – Dem Anchises gebar sie ausser Aeneas den Lyrus oder Lyreus; dem Adonis (s. d.) den Golgus und die Beroë; aus der Doppelehe mit Mars und Adonis den Priapus, oder diesen auch von Jupiter oder von Bacchus; von Mercur den Hermaphroditus; von Butes, Teleons Sohn, den Eryx; von Neptun die Rhodos. – Geheiligt sind ihr die Myrte, die Rose, der Apfel, der Mohn, die Linde, der Sperling, die Taube, der Schwan, die Schwalbe, der Wendehals, der Delphin, die Schildkröte, der Bock; der Planet V. und mit ihm der Freitag; der Monat April; die Zahl sechs. Als Siegerin über alle Herzen erscheint sie mit den Attributen des Mars: Helm, Schild, Lanze, Schwert, und trägt die Victoria, wie Jupiter, auf der Hand. – Als ihre wichtigsten Beinamen vergleiche man die Artikel Callipygos, Apaturia (unter Apaturien), Anadyomene, Pandemos. – Der italische Name V. kommt von demselben Wortstamm her, wovon venire, kommen, hervorkommen, wachsen, und bezeichnete zuerst eine Göttin der Gartengewächse, denn man hat noch eine Stelle, worin Neptunus, V., Ceres für Fische, Gemüsse und Brod gebraucht werden. Wann diese alt-italische Göttin in Rom öffentlich verehrt zu werden angefangen habe, ist gänzlich unbekannt, während wir die Nachricht haben, für V. habe es zu Rom unter der Herrschaft der Könige weder einen lateinischen, noch einen griechischen Namen gegeben. Ebenso unbekannt sind die Gründe, welche die Römer bewogen haben, in der griechischen Aphrodite ihre V. wieder zu erkennen, und diejenige Vermengung der beiden Göttinnen vorzunehmen, von welcher die römische Literatur und die Kunstdenkmäler Zeugniss geben, und die so stark war, dass in der That die italische V. vor der griechischen Aphrodite gänzlich verschwunden ist. Besonders beliebt wurde in Rom der Mythus von V. als Mutter des Aeneas, und von Aeneas als Gründer einer troïschen Colonie in Italien, welche Bedingung des Entstehens von Rom gewesen sei, so dass Aeneas als Stammherr, V. als Stammutter des römischen Volks überhaupt, und (da dem Aeneas ein Sohn Julus zugeschrieben wurde) des julischen Geschlechts insbesondere galt, wesshalb dann Julius Cäsar, der auch eine bewaffnete V. als Siegel gebrauchte, der V. Genitrix (Ahnfrau) einen besondern Tempel erbaute. – Mit welcher Liebe die bildende Kunst sich der Darstellung der V. hingab, ist bekannt genug; es bildeten sich gewisse Grundzüge dafür aus, ein eigener Venus-Typus. – Von den berühmtesten V.-Bildern des Alterthums, wie von Praxiteles, Scopas, Apelles, ist uns zwar nichts erhalten; demungeachtet besitzen wir noch köstliche Ueberreste, in denen man mehr oder weniger gelungene Nachbildungen jener höchst vollkommenen Originale erkennen darf. Unsere Abbildungen zeigen: Fig. 289: Venus-Statue von der Art derer, welche mehrere Alterthumsforscher als die wahren eigentlichen Copien der cnidischen Venus des Praxiteles ansehen, und zwar aus dem Grunde, weil eine ähnliche Figur auf zwei Medaglions der Cnidier sich findet. Diese Statue hat kaum halbe Lebensgrösse und stand vormals in der Villa Borghese. Die Nacktheit der Göttin ist hier noch motivirt durch die Ablegung des Gewandes zum Bade, was man später nicht mehr nöthig fand, da die Darstellung des vollendeten sinnlichen Liebreizes mehr und mehr die Hauptaufgabe der vom alten Tempeldienst sich emancipirenden Kunst wurde. Dahin gehört also sogleich die berühmte mediceische Venus, Fig. 290, ein Werk des Cleomenes aus Athen, im Allgemeinen auch noch Nachbildung der cnidischen; Fig. 291 gibt eine Ansicht von einer Venus-Statue in Florenz, die als Venus Urania und als Nachbildung der coïschen Venus des Praxiteles galt; Fig. 292 Venus Callipygos, Statue des Museo Borbonico in Neapel; Fig. 293 Capitolinische Venus; Nachbildung der cnidischen mit einem gewissen individuellen Charakter, im Musée français; Fig. 294 die sich im Bade schmiegende Venus; Museo Pio-Clementino.


Venus (Frau) (Nord. Sage). In Thüringen soll eine Feenkönigin mit Namen Frau V. gewohnt und den Horselberg zu ihrem Revier erkoren haben; um sie war ein wonnevoller Liebes- und Freudenhof, und diejenigen, welche sich ihr ergaben, wurden mit allen Genüssen, welche die ausschweifendsten Gelüste nur begehren mögen, überschüttet, jedoch dadurch um ihr ewiges Heil betrogen. Unter den also dahingefahrenen Personen nennt die Sage insbesondere einen Ritter Tannhäuser, der, nachdem er mehrere Jahre im V.-Berge zugebracht, plötzlich, von schwerer Reue ergriffen, nach Rom zum Papste kam, um zu beichten und Gnade zu erflehen. Der Papst wies ihm seinen Krummstab vor, und sagte, wenn dieser Stab wieder grüne und blühe, dann werde er Vergebung erlangen. Tannhäuser ging verzweiflungsvoll von dannen, nach etlichen Tagen aber fing der Stab an zu grünen und zu blühen. Der Papst liess den Tannhäuser überall suchen, aber der war nirgends mehr zu finden, denn er war in den V.-Berg zurückgegangen, wo er nun bleibt in Ewigkeit. Vergl. Eckhardt. Erst seit dem 14ten Jahrhundert kommen die ersten Spuren der Sage vom V.-Berg zum Vorschein: um diese Zeit scheint also die deutsche Holda = Frigga, in die römische Venus umgewandelt worden zu sein.


Verbrennen der Wittwen, eine sonderbare und schreckliche Sitte der Indier, erst seit dem Jahre 1827 von den Engländern gesetzlich verboten, doch noch immer nicht ganz unterdrückt. Man gibt vor, der Gebrauch sei erst später herrschend geworden, als die Frau eines Braminen ihren Gatten vergiftet habe, wesshalb festgesetzt wurde, dass jede Frau ihrem Manne in das Grab folgen müsse; allein es ist nicht wahrscheinlich, dass eine solche Ursache der schrecklichen Unsitte zum Grunde liege, vielmehr scheint im Cultus selbst schon die Bedingung dazu vorhanden zu sein. Sich selbst freiwillig opfern, ist bei den Indiern fast das höchste Verdienst, das ein dem menschlichen Geschlecht nicht mehr nützliches Mitglied sich erwerben kann. Die Wittwe ist aber ein solches unnützes Glied; zur Verheirathung ist Jungfräulichkeit der Braut wesentliche Bedingung; da die Wittwe sich also nicht mehr verehelichen kann, wird sie zur Vermehrung des menschlichen Geschlechts unnütz, den Ihrigen eine Last; sie ist diesen schuldig, sich zu opfern, was man jedoch nicht von ihr verlangt, wenn sich Jemand findet, der sie heirathen möchte. Das Alter hat diese Sitte geheiligt, so dass eine Frau, welche sich weigert, dem Gatten zu folgen, verachtet, aus ihrer Gesellschaft gestossen, in die Wälder vertrieben wird, wo sie ihr Verbrechen dadurch büssen kann, dass sie stets aus dem Schädel des Verstorbenen trinkt, und Alles, selbst das Scheusslichste, was man ihr hineinwirft, isst.


Veritas (Röm. M.), die Göttin der Wahrheit, welche die Griechen Alêtheia nannten, Tochter des Jupiter oder des Saturn; sie gilt für die Mutter der Tugend und der Gerechtigkeit. Man bildete sie in weisser Kleidung ab.


Verticordia (Röm. M.), Beiname der Venus, »die Lenkerin der Herzen«; ihr ward ein Tempel erbaut, als drei Vestalinnen zugleich gefallen waren, damit sie die Herzen der Frauen von der Unkeuschheit abwenden möchte. Um diesen Tempel zu weihen und das Bild der Göttin aufzustellen, wurden aus hundert der anerkannt keuschesten Frauen zehn durch's Loos erwählt, die dann aus

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Als solche ist sie selbst die schönste der Göttinnen, der desshalb auch Paris den Preis der Schönheit mit Recht ertheilte. &#x2013; In der Ilias ist sie noch nicht Gemahlin des Vulcan, sondern erst in der Odyssee, wo sie, ihrem Gatten untreu, mit Mars buhlt, vom Sonnen-Gott verrathen, von Vulcan mit Zaubernetzen in der Umarmung mit Mars umstrickt, und so allen Göttern vorgezeigt wird. Im trojanischen Krieg steht sie auf der Seite der Troër und schützt besonders den Aeneas, Paris und Hector. Ersterer ist ihr Sohn von Anchises, zu welchem ihr Jupiter selbst liebendes Verlangen eingeflösst hat. 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Ebenso unbekannt sind die Gründe, welche die Römer bewogen haben, in der griechischen Aphrodite ihre V. wieder zu erkennen, und diejenige Vermengung der beiden Göttinnen vorzunehmen, von welcher die römische Literatur und die Kunstdenkmäler Zeugniss geben, und die so stark war, dass in der That die italische V. vor der griechischen Aphrodite gänzlich verschwunden ist. Besonders beliebt wurde in Rom der Mythus von V. als Mutter des Aeneas, und von Aeneas als Gründer einer troïschen Colonie in Italien, welche Bedingung des Entstehens von Rom gewesen sei, so dass Aeneas als Stammherr, V. als Stammutter des römischen Volks überhaupt, und (da dem Aeneas ein Sohn Julus zugeschrieben wurde) des julischen Geschlechts insbesondere galt, wesshalb dann Julius Cäsar, der auch eine bewaffnete V. als Siegel gebrauchte, der V. Genitrix (Ahnfrau) einen besondern Tempel erbaute. &#x2013; Mit welcher Liebe die bildende Kunst sich der Darstellung der V. hingab, ist bekannt genug; es bildeten sich gewisse Grundzüge dafür aus, ein eigener Venus-Typus. &#x2013; Von den berühmtesten V.-Bildern des Alterthums, wie von Praxiteles, Scopas, Apelles, ist uns zwar nichts erhalten; demungeachtet besitzen wir noch köstliche Ueberreste, in denen man mehr oder weniger gelungene Nachbildungen jener höchst vollkommenen Originale erkennen darf. Unsere Abbildungen zeigen: Fig. 289: Venus-Statue von der Art derer, welche mehrere Alterthumsforscher als die wahren eigentlichen Copien der cnidischen Venus des Praxiteles ansehen, und zwar aus dem Grunde, weil eine ähnliche Figur auf zwei Medaglions der Cnidier sich findet. Diese Statue hat kaum halbe Lebensgrösse und stand vormals in der Villa Borghese. Die Nacktheit der Göttin ist hier noch motivirt durch die Ablegung des Gewandes zum Bade, was man später nicht mehr nöthig fand, da die Darstellung des vollendeten sinnlichen Liebreizes mehr und mehr die Hauptaufgabe der vom alten Tempeldienst sich emancipirenden Kunst wurde. Dahin gehört also sogleich die berühmte mediceische Venus, Fig. 290, ein Werk des Cleomenes aus Athen, im Allgemeinen auch noch Nachbildung der cnidischen; Fig. 291 gibt eine Ansicht von einer Venus-Statue in Florenz, die als Venus Urania und als Nachbildung der coïschen Venus des Praxiteles galt; Fig. 292 Venus Callipygos, Statue des Museo Borbonico in Neapel; Fig. 293 Capitolinische Venus; Nachbildung der cnidischen mit einem gewissen individuellen Charakter, im Musée français; Fig. 294 die sich im Bade schmiegende Venus; Museo Pio-Clementino.</p><lb/>
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[443/0513] das Wasser Bedingung alles Wachsthums ist, Beziehung zu diesem gegeben wurde. Theils darum, theils weil der Aphrodite-Dienst über das Meer zu ihnen gekommen war, nannten die Griechen Aphrodite die aus dem Meeresschaum Geborene (aphros, Schaum, und dyô, tauchen) Davon spricht Hesiod und ein homerischer Hymnus; Homer in der Ilias und Odyssee weiss hievon nichts, sondern ihm ist Aphrodite eine Tochter des Zeus und der Dione. Dione aber ist von Einer Wurzel mit Zeus (Genitiv Dios) und Jupiter (Diupiter), und daher wieder die Himmelsgöttin, wie auch Aphrodite selbst zuweilen Dione genannt wird. Noch Cicero nennt sie eine Tochter des Cölus und der Hemera, d. h. des Himmels und des Tages. – In der griechischen Volksreligion ist Aphrodite die Göttin der Liebe, der Schönheit, der Anmuth. Als solche ist sie selbst die schönste der Göttinnen, der desshalb auch Paris den Preis der Schönheit mit Recht ertheilte. – In der Ilias ist sie noch nicht Gemahlin des Vulcan, sondern erst in der Odyssee, wo sie, ihrem Gatten untreu, mit Mars buhlt, vom Sonnen-Gott verrathen, von Vulcan mit Zaubernetzen in der Umarmung mit Mars umstrickt, und so allen Göttern vorgezeigt wird. Im trojanischen Krieg steht sie auf der Seite der Troër und schützt besonders den Aeneas, Paris und Hector. Ersterer ist ihr Sohn von Anchises, zu welchem ihr Jupiter selbst liebendes Verlangen eingeflösst hat. Als sie einst dem Aeneas im Gefechte beistehen wollte, wurde sie von Diomedes an der Hand verwundet; weinend flieht sie nach dem Olymp, aber Jupiter erwidert lächelnd auf ihre Klagen, dass Schlachten nicht der Schauplatz ihres Wirkens seien. – Dem Anchises gebar sie ausser Aeneas den Lyrus oder Lyreus; dem Adonis (s. d.) den Golgus und die Beroë; aus der Doppelehe mit Mars und Adonis den Priapus, oder diesen auch von Jupiter oder von Bacchus; von Mercur den Hermaphroditus; von Butes, Teleons Sohn, den Eryx; von Neptun die Rhodos. – Geheiligt sind ihr die Myrte, die Rose, der Apfel, der Mohn, die Linde, der Sperling, die Taube, der Schwan, die Schwalbe, der Wendehals, der Delphin, die Schildkröte, der Bock; der Planet V. und mit ihm der Freitag; der Monat April; die Zahl sechs. Als Siegerin über alle Herzen erscheint sie mit den Attributen des Mars: Helm, Schild, Lanze, Schwert, und trägt die Victoria, wie Jupiter, auf der Hand. – Als ihre wichtigsten Beinamen vergleiche man die Artikel Callipygos, Apaturia (unter Apaturien), Anadyomene, Pandemos. – Der italische Name V. kommt von demselben Wortstamm her, wovon venire, kommen, hervorkommen, wachsen, und bezeichnete zuerst eine Göttin der Gartengewächse, denn man hat noch eine Stelle, worin Neptunus, V., Ceres für Fische, Gemüsse und Brod gebraucht werden. Wann diese alt-italische Göttin in Rom öffentlich verehrt zu werden angefangen habe, ist gänzlich unbekannt, während wir die Nachricht haben, für V. habe es zu Rom unter der Herrschaft der Könige weder einen lateinischen, noch einen griechischen Namen gegeben. Ebenso unbekannt sind die Gründe, welche die Römer bewogen haben, in der griechischen Aphrodite ihre V. wieder zu erkennen, und diejenige Vermengung der beiden Göttinnen vorzunehmen, von welcher die römische Literatur und die Kunstdenkmäler Zeugniss geben, und die so stark war, dass in der That die italische V. vor der griechischen Aphrodite gänzlich verschwunden ist. Besonders beliebt wurde in Rom der Mythus von V. als Mutter des Aeneas, und von Aeneas als Gründer einer troïschen Colonie in Italien, welche Bedingung des Entstehens von Rom gewesen sei, so dass Aeneas als Stammherr, V. als Stammutter des römischen Volks überhaupt, und (da dem Aeneas ein Sohn Julus zugeschrieben wurde) des julischen Geschlechts insbesondere galt, wesshalb dann Julius Cäsar, der auch eine bewaffnete V. als Siegel gebrauchte, der V. Genitrix (Ahnfrau) einen besondern Tempel erbaute. – Mit welcher Liebe die bildende Kunst sich der Darstellung der V. hingab, ist bekannt genug; es bildeten sich gewisse Grundzüge dafür aus, ein eigener Venus-Typus. – Von den berühmtesten V.-Bildern des Alterthums, wie von Praxiteles, Scopas, Apelles, ist uns zwar nichts erhalten; demungeachtet besitzen wir noch köstliche Ueberreste, in denen man mehr oder weniger gelungene Nachbildungen jener höchst vollkommenen Originale erkennen darf. Unsere Abbildungen zeigen: Fig. 289: Venus-Statue von der Art derer, welche mehrere Alterthumsforscher als die wahren eigentlichen Copien der cnidischen Venus des Praxiteles ansehen, und zwar aus dem Grunde, weil eine ähnliche Figur auf zwei Medaglions der Cnidier sich findet. Diese Statue hat kaum halbe Lebensgrösse und stand vormals in der Villa Borghese. Die Nacktheit der Göttin ist hier noch motivirt durch die Ablegung des Gewandes zum Bade, was man später nicht mehr nöthig fand, da die Darstellung des vollendeten sinnlichen Liebreizes mehr und mehr die Hauptaufgabe der vom alten Tempeldienst sich emancipirenden Kunst wurde. Dahin gehört also sogleich die berühmte mediceische Venus, Fig. 290, ein Werk des Cleomenes aus Athen, im Allgemeinen auch noch Nachbildung der cnidischen; Fig. 291 gibt eine Ansicht von einer Venus-Statue in Florenz, die als Venus Urania und als Nachbildung der coïschen Venus des Praxiteles galt; Fig. 292 Venus Callipygos, Statue des Museo Borbonico in Neapel; Fig. 293 Capitolinische Venus; Nachbildung der cnidischen mit einem gewissen individuellen Charakter, im Musée français; Fig. 294 die sich im Bade schmiegende Venus; Museo Pio-Clementino. Venus (Frau) (Nord. Sage). In Thüringen soll eine Feenkönigin mit Namen Frau V. gewohnt und den Horselberg zu ihrem Revier erkoren haben; um sie war ein wonnevoller Liebes- und Freudenhof, und diejenigen, welche sich ihr ergaben, wurden mit allen Genüssen, welche die ausschweifendsten Gelüste nur begehren mögen, überschüttet, jedoch dadurch um ihr ewiges Heil betrogen. Unter den also dahingefahrenen Personen nennt die Sage insbesondere einen Ritter Tannhäuser, der, nachdem er mehrere Jahre im V.-Berge zugebracht, plötzlich, von schwerer Reue ergriffen, nach Rom zum Papste kam, um zu beichten und Gnade zu erflehen. Der Papst wies ihm seinen Krummstab vor, und sagte, wenn dieser Stab wieder grüne und blühe, dann werde er Vergebung erlangen. Tannhäuser ging verzweiflungsvoll von dannen, nach etlichen Tagen aber fing der Stab an zu grünen und zu blühen. Der Papst liess den Tannhäuser überall suchen, aber der war nirgends mehr zu finden, denn er war in den V.-Berg zurückgegangen, wo er nun bleibt in Ewigkeit. Vergl. Eckhardt. Erst seit dem 14ten Jahrhundert kommen die ersten Spuren der Sage vom V.-Berg zum Vorschein: um diese Zeit scheint also die deutsche Holda = Frigga, in die römische Venus umgewandelt worden zu sein. Verbrennen der Wittwen, eine sonderbare und schreckliche Sitte der Indier, erst seit dem Jahre 1827 von den Engländern gesetzlich verboten, doch noch immer nicht ganz unterdrückt. Man gibt vor, der Gebrauch sei erst später herrschend geworden, als die Frau eines Braminen ihren Gatten vergiftet habe, wesshalb festgesetzt wurde, dass jede Frau ihrem Manne in das Grab folgen müsse; allein es ist nicht wahrscheinlich, dass eine solche Ursache der schrecklichen Unsitte zum Grunde liege, vielmehr scheint im Cultus selbst schon die Bedingung dazu vorhanden zu sein. Sich selbst freiwillig opfern, ist bei den Indiern fast das höchste Verdienst, das ein dem menschlichen Geschlecht nicht mehr nützliches Mitglied sich erwerben kann. Die Wittwe ist aber ein solches unnützes Glied; zur Verheirathung ist Jungfräulichkeit der Braut wesentliche Bedingung; da die Wittwe sich also nicht mehr verehelichen kann, wird sie zur Vermehrung des menschlichen Geschlechts unnütz, den Ihrigen eine Last; sie ist diesen schuldig, sich zu opfern, was man jedoch nicht von ihr verlangt, wenn sich Jemand findet, der sie heirathen möchte. Das Alter hat diese Sitte geheiligt, so dass eine Frau, welche sich weigert, dem Gatten zu folgen, verachtet, aus ihrer Gesellschaft gestossen, in die Wälder vertrieben wird, wo sie ihr Verbrechen dadurch büssen kann, dass sie stets aus dem Schädel des Verstorbenen trinkt, und Alles, selbst das Scheusslichste, was man ihr hineinwirft, isst. Veritas (Röm. M.), die Göttin der Wahrheit, welche die Griechen Alêtheia nannten, Tochter des Jupiter oder des Saturn; sie gilt für die Mutter der Tugend und der Gerechtigkeit. Man bildete sie in weisser Kleidung ab. Verticordia (Röm. M.), Beiname der Venus, »die Lenkerin der Herzen«; ihr ward ein Tempel erbaut, als drei Vestalinnen zugleich gefallen waren, damit sie die Herzen der Frauen von der Unkeuschheit abwenden möchte. Um diesen Tempel zu weihen und das Bild der Göttin aufzustellen, wurden aus hundert der anerkannt keuschesten Frauen zehn durch's Loos erwählt, die dann aus

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Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/513>, abgerufen am 03.12.2024.