Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.Indern gebräuchlichen Soma-Opfers; letzteres war auch bereits vor Zoroaster bei den Anhängern seiner Lehre eingeführt worden und ging von Baktrien zu den Medern über. Alsdann erwähnt er das Feueropfer der Inder, worin man die ausgelassene Butter heiliger Kühe darbrachte, das Werthvollste, was man zur Zeit des Hirtenlebens besass. Aber auch Thieropfer wurden gefeiert und - Menschenopfer. Unter den Thieropfern war am meisten geschätzt das Pferdeopfer, dann folgten Rinder, Ziegen und Schafe. Es galt "die Ansicht, dass der Verrichter eines Thieropfers sich dadurch von der Sünde loskaufe, und dass die Wirksamkeit des Opfers desto grösser sei, je vornehmer das Thier sei". Da nun der Mensch "der Herr der Geschöpfe und das vornehmste Thier ist", so schritt man auch zu Menschenopfern, wenigstens in der frühesten Epoche, wie neuerdings nachgewiesen ist. Doch wurde nach den ältesten Quellen nur ein einzelner Mensch geopfert. Nicht blos Brahmanen, die stets als Oberpriester fungirten, auch Könige konnten ein solches Opfer veranstalten. Ferner gab es Allopfer, bei welchen alle fünf Opfer vorkamen (also Mensch, Pferd, Kind, Ziege und Schaf). Endlich scheint es, dass man Mittel aufsuchte, das wirkliche Menschenopfer zu beseitigen; man ersetzte es durch einen Opferkuchen, durch ein goldenes oder irdenes Bild statt eines wirklichen Menschen, und man schuf - Legenden, in denen zum Opfertode bestimmte Menschen von Göttern gerettet werden. Wenn übrigens, bemerkt Lassen, "die alten Inder nicht von dem Vorwurf freigesprochen werden können, die Gräuel der Menschenopfer zugelassen zu haben, so theilen sie dieses Schicksal mit den Römern, den heidnischen Deutschen, Skandinaviern und Slaven." Wir dürfen hinzufügen, dass es selbst bei den Griechen in ihrer sogenannten heroischen Epoche, laut ihrer Poeten, einzelne Menschenopfer gegeben hat, bis sie, bei gesteigerter Kultur, von den boshaften, dahinzielenden Vorschlägen ihrer Priester sich lossagten. Aus Allem geht hervor, dass die alten Inder nicht in die masslose Verruchtheit jenes Molochdienstes verfallen sind, dessen wir oben gedacht haben, und dessen abscheuliche Ausartung durch keine Philosophie jemals eine Abgleichung finden wird, die mehr als eine elende Vertuschung wäre. In den obigen Sätzen führen wir Christian Lassen fast durchweg mit seinen eigenen Worten an. Er sichtet mit historischer Strenge die Ueberlieferungen, und wir bedauern nur, aus Mangel an Raum, seine Kritik der indischen Kasten und die (wie er sagt) deutlich nachweisbare Entstehung derselben ausschliessen zu müssen. Doch sei uns gestattet, eines seiner Worte über die indischen Götterbilder anzufügen. Die älteste Erwähnung derselben, berichtet er, finde sich in dem "Adbhuta Brahmana", wo von ihnen gemeldet werde, "dass sie lachen, schreien, singen, tanzen, schwitzen und blinzeln"; nämlich das Volk glaubte, dass die in Tempeln aufgestellten Götterbilder "von den Gottheiten belebt waren, welche sie darstellten." Schliesslich heben wir noch ein Wort von dem interessanten Ergebniss seiner Untersuchung über das Himmelreich aus, wie man dasselbe nach dem Veda zur indischen Urzeit sich träumte. Es sollte eine Heimath geben, in welche die Menschen ohne Ausnahme nach ihrem Tode eingehen, und die ihnen nicht wieder genommen wird. Jama heisst der König und Versammler der Menschen, die nun selig sind; er ist selbst den Weg des Todes gegangen, er gilt "für den ersten Ankömmling im Reiche der Unsterblichen", und erscheint daher als das natürliche Oberhaupt derer, die ihm nachfolgten. Bei den Iraniern ist aus dem himmlischen Paradiese, nach Umänderung der indischen Sage, ein irdisches und aus dem seligen Leben der Verstorbenen im Himmel ein glückliches Zeitalter auf der Erde geworden. Indern gebräuchlichen Soma-Opfers; letzteres war auch bereits vor Zoroaster bei den Anhängern seiner Lehre eingeführt worden und ging von Baktrien zu den Medern über. Alsdann erwähnt er das Feueropfer der Inder, worin man die ausgelassene Butter heiliger Kühe darbrachte, das Werthvollste, was man zur Zeit des Hirtenlebens besass. Aber auch Thieropfer wurden gefeiert und – Menschenopfer. Unter den Thieropfern war am meisten geschätzt das Pferdeopfer, dann folgten Rinder, Ziegen und Schafe. Es galt »die Ansicht, dass der Verrichter eines Thieropfers sich dadurch von der Sünde loskaufe, und dass die Wirksamkeit des Opfers desto grösser sei, je vornehmer das Thier sei«. Da nun der Mensch »der Herr der Geschöpfe und das vornehmste Thier ist«, so schritt man auch zu Menschenopfern, wenigstens in der frühesten Epoche, wie neuerdings nachgewiesen ist. Doch wurde nach den ältesten Quellen nur ein einzelner Mensch geopfert. Nicht blos Brahmanen, die stets als Oberpriester fungirten, auch Könige konnten ein solches Opfer veranstalten. Ferner gab es Allopfer, bei welchen alle fünf Opfer vorkamen (also Mensch, Pferd, Kind, Ziege und Schaf). Endlich scheint es, dass man Mittel aufsuchte, das wirkliche Menschenopfer zu beseitigen; man ersetzte es durch einen Opferkuchen, durch ein goldenes oder irdenes Bild statt eines wirklichen Menschen, und man schuf – Legenden, in denen zum Opfertode bestimmte Menschen von Göttern gerettet werden. Wenn übrigens, bemerkt Lassen, »die alten Inder nicht von dem Vorwurf freigesprochen werden können, die Gräuel der Menschenopfer zugelassen zu haben, so theilen sie dieses Schicksal mit den Römern, den heidnischen Deutschen, Skandinaviern und Slaven.« Wir dürfen hinzufügen, dass es selbst bei den Griechen in ihrer sogenannten heroischen Epoche, laut ihrer Poeten, einzelne Menschenopfer gegeben hat, bis sie, bei gesteigerter Kultur, von den boshaften, dahinzielenden Vorschlägen ihrer Priester sich lossagten. Aus Allem geht hervor, dass die alten Inder nicht in die masslose Verruchtheit jenes Molochdienstes verfallen sind, dessen wir oben gedacht haben, und dessen abscheuliche Ausartung durch keine Philosophie jemals eine Abgleichung finden wird, die mehr als eine elende Vertuschung wäre. In den obigen Sätzen führen wir Christian Lassen fast durchweg mit seinen eigenen Worten an. Er sichtet mit historischer Strenge die Ueberlieferungen, und wir bedauern nur, aus Mangel an Raum, seine Kritik der indischen Kasten und die (wie er sagt) deutlich nachweisbare Entstehung derselben ausschliessen zu müssen. Doch sei uns gestattet, eines seiner Worte über die indischen Götterbilder anzufügen. Die älteste Erwähnung derselben, berichtet er, finde sich in dem »Adbhuta Brahmana«, wo von ihnen gemeldet werde, »dass sie lachen, schreien, singen, tanzen, schwitzen und blinzeln«; nämlich das Volk glaubte, dass die in Tempeln aufgestellten Götterbilder »von den Gottheiten belebt waren, welche sie darstellten.« Schliesslich heben wir noch ein Wort von dem interessanten Ergebniss seiner Untersuchung über das Himmelreich aus, wie man dasselbe nach dem Veda zur indischen Urzeit sich träumte. Es sollte eine Heimath geben, in welche die Menschen ohne Ausnahme nach ihrem Tode eingehen, und die ihnen nicht wieder genommen wird. Jama heisst der König und Versammler der Menschen, die nun selig sind; er ist selbst den Weg des Todes gegangen, er gilt »für den ersten Ankömmling im Reiche der Unsterblichen«, und erscheint daher als das natürliche Oberhaupt derer, die ihm nachfolgten. Bei den Irâniern ist aus dem himmlischen Paradiese, nach Umänderung der indischen Sage, ein irdisches und aus dem seligen Leben der Verstorbenen im Himmel ein glückliches Zeitalter auf der Erde geworden. <TEI> <text> <front> <div type="preface" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0051" n="LI"/> Indern gebräuchlichen Soma-Opfers; letzteres war auch bereits vor Zoroaster bei den Anhängern seiner Lehre eingeführt worden und ging von Baktrien zu den Medern über. Alsdann erwähnt er das Feueropfer der Inder, worin man die ausgelassene Butter heiliger Kühe darbrachte, das Werthvollste, was man zur Zeit des Hirtenlebens besass. Aber auch Thieropfer wurden gefeiert und – <hi rendition="#g">Menschenopfer</hi>. Unter den Thieropfern war am meisten geschätzt das Pferdeopfer, dann folgten Rinder, Ziegen und Schafe. Es galt »die Ansicht, dass der Verrichter eines Thieropfers sich dadurch von der Sünde loskaufe, und dass die Wirksamkeit des Opfers desto grösser sei, je vornehmer das Thier sei«. Da nun der Mensch »der Herr der Geschöpfe und das vornehmste Thier ist«, so schritt man auch zu Menschenopfern, wenigstens in der frühesten Epoche, wie neuerdings nachgewiesen ist. Doch wurde nach den ältesten Quellen nur ein einzelner Mensch geopfert. Nicht blos Brahmanen, die stets als Oberpriester fungirten, auch Könige konnten ein solches Opfer veranstalten. Ferner gab es <hi rendition="#g">Allopfer</hi>, bei welchen alle fünf Opfer vorkamen (also Mensch, Pferd, Kind, Ziege und Schaf). Endlich scheint es, dass man Mittel aufsuchte, das wirkliche Menschenopfer zu beseitigen; man ersetzte es durch einen Opferkuchen, durch ein goldenes oder irdenes Bild statt eines wirklichen Menschen, und man schuf – Legenden, in denen zum Opfertode bestimmte Menschen von Göttern gerettet werden. Wenn übrigens, bemerkt Lassen, »die alten Inder nicht von dem Vorwurf freigesprochen werden können, die Gräuel der Menschenopfer zugelassen zu haben, so theilen sie dieses Schicksal mit den Römern, den heidnischen Deutschen, Skandinaviern und Slaven.« Wir dürfen hinzufügen, dass es selbst bei den Griechen in ihrer sogenannten heroischen Epoche, laut ihrer Poeten, einzelne Menschenopfer gegeben hat, bis sie, bei gesteigerter Kultur, von den boshaften, dahinzielenden Vorschlägen ihrer Priester sich lossagten. Aus Allem geht hervor, dass die alten Inder nicht in die masslose Verruchtheit jenes Molochdienstes verfallen sind, dessen wir oben gedacht haben, und dessen abscheuliche Ausartung durch keine Philosophie jemals eine Abgleichung finden wird, die mehr als eine elende Vertuschung wäre.</p><lb/> <p>In den obigen Sätzen führen wir Christian Lassen fast durchweg mit seinen eigenen Worten an. Er sichtet mit historischer Strenge die Ueberlieferungen, und wir bedauern nur, aus Mangel an Raum, seine Kritik der indischen <hi rendition="#g">Kasten</hi> und die (wie er sagt) deutlich nachweisbare Entstehung derselben ausschliessen zu müssen. Doch sei uns gestattet, eines seiner Worte über die indischen <hi rendition="#g">Götterbilder</hi> anzufügen. 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Indern gebräuchlichen Soma-Opfers; letzteres war auch bereits vor Zoroaster bei den Anhängern seiner Lehre eingeführt worden und ging von Baktrien zu den Medern über. Alsdann erwähnt er das Feueropfer der Inder, worin man die ausgelassene Butter heiliger Kühe darbrachte, das Werthvollste, was man zur Zeit des Hirtenlebens besass. Aber auch Thieropfer wurden gefeiert und – Menschenopfer. Unter den Thieropfern war am meisten geschätzt das Pferdeopfer, dann folgten Rinder, Ziegen und Schafe. Es galt »die Ansicht, dass der Verrichter eines Thieropfers sich dadurch von der Sünde loskaufe, und dass die Wirksamkeit des Opfers desto grösser sei, je vornehmer das Thier sei«. Da nun der Mensch »der Herr der Geschöpfe und das vornehmste Thier ist«, so schritt man auch zu Menschenopfern, wenigstens in der frühesten Epoche, wie neuerdings nachgewiesen ist. Doch wurde nach den ältesten Quellen nur ein einzelner Mensch geopfert. Nicht blos Brahmanen, die stets als Oberpriester fungirten, auch Könige konnten ein solches Opfer veranstalten. Ferner gab es Allopfer, bei welchen alle fünf Opfer vorkamen (also Mensch, Pferd, Kind, Ziege und Schaf). Endlich scheint es, dass man Mittel aufsuchte, das wirkliche Menschenopfer zu beseitigen; man ersetzte es durch einen Opferkuchen, durch ein goldenes oder irdenes Bild statt eines wirklichen Menschen, und man schuf – Legenden, in denen zum Opfertode bestimmte Menschen von Göttern gerettet werden. Wenn übrigens, bemerkt Lassen, »die alten Inder nicht von dem Vorwurf freigesprochen werden können, die Gräuel der Menschenopfer zugelassen zu haben, so theilen sie dieses Schicksal mit den Römern, den heidnischen Deutschen, Skandinaviern und Slaven.« Wir dürfen hinzufügen, dass es selbst bei den Griechen in ihrer sogenannten heroischen Epoche, laut ihrer Poeten, einzelne Menschenopfer gegeben hat, bis sie, bei gesteigerter Kultur, von den boshaften, dahinzielenden Vorschlägen ihrer Priester sich lossagten. Aus Allem geht hervor, dass die alten Inder nicht in die masslose Verruchtheit jenes Molochdienstes verfallen sind, dessen wir oben gedacht haben, und dessen abscheuliche Ausartung durch keine Philosophie jemals eine Abgleichung finden wird, die mehr als eine elende Vertuschung wäre.
In den obigen Sätzen führen wir Christian Lassen fast durchweg mit seinen eigenen Worten an. Er sichtet mit historischer Strenge die Ueberlieferungen, und wir bedauern nur, aus Mangel an Raum, seine Kritik der indischen Kasten und die (wie er sagt) deutlich nachweisbare Entstehung derselben ausschliessen zu müssen. Doch sei uns gestattet, eines seiner Worte über die indischen Götterbilder anzufügen. Die älteste Erwähnung derselben, berichtet er, finde sich in dem »Adbhuta Brahmana«, wo von ihnen gemeldet werde, »dass sie lachen, schreien, singen, tanzen, schwitzen und blinzeln«; nämlich das Volk glaubte, dass die in Tempeln aufgestellten Götterbilder »von den Gottheiten belebt waren, welche sie darstellten.«
Schliesslich heben wir noch ein Wort von dem interessanten Ergebniss seiner Untersuchung über das Himmelreich aus, wie man dasselbe nach dem Veda zur indischen Urzeit sich träumte. Es sollte eine Heimath geben, in welche die Menschen ohne Ausnahme nach ihrem Tode eingehen, und die ihnen nicht wieder genommen wird. Jama heisst der König und Versammler der Menschen, die nun selig sind; er ist selbst den Weg des Todes gegangen, er gilt »für den ersten Ankömmling im Reiche der Unsterblichen«, und erscheint daher als das natürliche Oberhaupt derer, die ihm nachfolgten. Bei den Irâniern ist aus dem himmlischen Paradiese, nach Umänderung der indischen Sage, ein irdisches und aus dem seligen Leben der Verstorbenen im Himmel ein glückliches Zeitalter auf der Erde geworden.
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